BAW: Hilfe auch für vermeintlich hoffnungslose Fälle

27.09.2012, 21:00 Uhr
BAW: Hilfe auch für vermeintlich hoffnungslose Fälle

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Traditionell beheimatet ist das BAW laut Ausbildungsleiterin Ursula Twardzik im „besonderen Stadtteil“ Muggenhof. Einst ins Leben gerufen in der Fahrradstraße, hat die Einrichtung ihren größten Standort inzwischen in der Muggenhofer Straße — eingeklemmt zwischen den ehemaligen Werkshallen von Triumph Adler und AEG, direkt gegenüber des ehemaligen Quelle-Kaufhauses. Mittendrin zwischen jenen ehemaligen industriellen und kaufmännischen Zentren also, die viele ebenso abgeschrieben hatten wie Muggenhof selbst, das oft als Sinnbild des industriellen Niedergangs herhalten musste. Heute haben die alten Hallen als „Quartier Q“, „TA-Gelände“ oder „Auf AEG“ eine auch kreativ-künstlerische Zukunft vor sich.

So gesehen passt das BAW nirgends besser hin als in genau diese Straße in genau diesem Teil der Stadt, findet Twardzik. Auch die Jugendlichen am BAW galten und gelten vielen als hoffnungslose Fälle, als die Verlierer der marktwirtschaftlichen Konkurrenz. Doch am BAW fassen sie wieder Fuß.

Quelle brachte Veränderung

So konnten diesmal 163 Jugendliche zum Schuljahresende den erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung feiern. Insgesamt nahmen an den Standorten in Nürnberg und Ansbach 548 junge Menschen zwischen 16 und 22 Jahren die Dienste des BAW in Anspruch. Sie oder ihre Eltern stammen aus 24 Nationen, sie kommen aus verschiedenen sozialen Verhältnissen und doch sind sie in einem Punkt alle vereint: „Wir betreuen Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“, sagt Twardzik. Das sei die Sprachregelung, seit man am BAW die jungen Männer und Frauen nicht länger als „Lernbehinderte“ brandmarken möchte. „Rehabilitanden“ werden diese Jugendlichen auch genannt. Passend, findet die Ausbildungsleiterin. Schließlich will man sie fit machen für das Arbeitsleben.

Ausgebildet werden die jungen Leute in zwölf verschiedenen Berufen, vor allem aus dem Dienstleistungsgewerbe und dem Handel. Früher war das anders: „Die ersten Azubis haben natürlich noch bei Quelle und AEG gelernt“, erinnert sich Ursula Twardzik. Doch so wie sich die Wirtschaftsstruktur der Region veränderte, so passte auch das BAW seine Berufspalette mit der Zeit an. Niemand wird heute in der Muggenhofer Straße noch zur Bekleidungsnäherin oder zum Industriehelfer ausgebildet.

Jugendliche am BAW seien oftmals solche, die aufgegeben wurden oder sich selbst aufgegeben haben. Die ohne jede familiäre Unterstützung zu scheitern drohen und oft genau deshalb in ihren Ausbildern und Betreuern ihre Ersatzfamilien finden. Dieser Abgeschriebenen nimmt sich das BAW an, sagt Twardzik.

Worin dann der jeweilige Förderbedarf besteht, hängt dabei immer vom Einzelfall ab: „Keiner unserer Rehabilitanden ist wie der andere“, betont Birgit Nägele, die seit 1996 als Sozialpädagogin am BAW tätig ist. Mitunter hapert es an einfachen Dingen, wie dem Lesen und Schreiben. Häufig genug seien es auch Entwicklungsverzögerungen oder eine nur spärlich ausgeprägte Sozialkompetenz, die den Jugendlichen auf dem Weg zum beruflichen Erfolg im Weg steht.

Geringes Risiko für Betriebe

Hier möchte das BAW durch eine intensive wie individuelle Betreuung ansetzen. Indem Lehrer und Sozialpädagogen, aber auch die Ausbilder in den Betrieben nicht die Schwächen des Zöglings, sondern seine Stärken betonen, soll der einzelne Jugendliche an Selbstvertrauen gewinnen und wachsen. Damit er das schaffen kann, woran er ohne diese Hilfe noch scheiterte: Fuß zu fassen im viel beschworenen Ersten Arbeitsmarkt.

Der Erfolg gibt dem Ansatz des BAW recht: Rund 90 Prozent aller Jugendlichen in Ausbildung bestehen ihre Abschlussprüfung, beinahe genau so viele haben im Anschluss an ihre Ausbildung eine Arbeit. Selbst aus schon verloren gegebenen jungen Frauen und Männern werden Menschen, die mit ihrer Persönlichkeit und ihrer Leistung Betriebe in vielerlei Hinsicht bereichern, so die Pädagogin. Die so wertvolle Arbeit leisten wie das BAW selbst, seit es 1980 zum Zwecke der beruflichen Rehabilitation ins Leben gerufen wurde.

Rund 50 Mitarbeiter sind beim BAW inzwischen beschäftigt, nicht hinzugerechnet die vielen externen Mitarbeiter und Lehrer an der Berufsschule, die alle ihr Möglichstes zur Ausbildung der Jugend beitragen. Mit Unterricht, persönlichen Gesprächen, Trainings und Workshops. Die Folge: „Wir konnten uns erfolgreich als kompetenter Ansprechpartner für diesen Personenkreis darstellen und etablieren“, sagt Twardzik stolz.

Verschroben? Passt!

Und dann sind da ja noch die Unternehmen. Mittlerweile bilden über 700 Kooperationsbetriebe einen stattlichen Firmenpool, aus dem die Mitarbeiter des BAW einen geeigneten Ausbildungsbetrieb wählen. „Die Passgenauigkeit ist sehr wichtig“, sagt Nägele. „Manchmal wirken Ausbilder und Azubis auf viele total verschroben, aber sie passen eben genau deshalb perfekt zusammen“, so die Sozialpädagogin. Es wird auch zwanglos experimentiert, um den Rehabilitanden auf die passende Stelle zu bringen. Das Risiko für das ausbildende Unternehmen ist dabei gering: Der Azubi schließt seinen Ausbildungsvertrag mit dem BAW ab und wird aus Mitteln der Arbeitsagentur entlohnt.

Es ist nicht so, dass die Arbeit des BAW nicht gewürdigt würde, sagen die Frauen. Im Gegenteil — zu den auszubildenden Betrieben, zu Erziehungseinrichtungen, aber auch zur IHK unterhält es stabile und vertrauensvolle Beziehungen. Dennoch: Es ist unklar, ob und wie es mit dem BAW weitergeht. Als Modellprojekt des Bundes wird es nur noch bis 2016 entsprechend gefördert. Was kommt, wenn diese Mittel dann versiegen, wissen weder Twardzik und ihre Kollegen noch die Auszubildenden. In einem wieder aufstrebenden Stadtteil blickt die Institution BAW in eine unsichere Zukunft.
 

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