Beliebte Gesellschaftsspiele: Teamgeist statt Schadenfreude

30.1.2014, 10:28 Uhr
"Hanabi" setzt auf die Kooperation der Spieler.

© dpa "Hanabi" setzt auf die Kooperation der Spieler.

Natürlich: Auch „Mensch ärgere Dich nicht“ kann man im Team spielen. Zum Beispiel, indem man die Figuren eines Spielers, der sich besonders penetrant auf der Siegerstraße befindet, gemeinsam rauskegelt. Aber eigentlich ist der Klassiker unter den deutschen Gesellschaftsspielen, der dieses Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiert, ein Beispiel für ein Spiel, das auf das Prinzip setzt: Nur einer kann gewinnen.

Und die heftigen Gefühle, die Wut, der Siegestaumel und die Schadenfreude, die bei dem Wettkampf entstehen, sind auch ein Teil seines Erfolgsgeheimnisses. „Dazu kommt die Einfachheit der Regeln. Egal wo man ist, jeder kennt es. Man muss es nur auspacken und kann losspielen“, sagt einer, der sich mit dem populären Hobby auskennen muss: Der Journalist Karsten Grosser sitzt in der Jury für das „Spiel des Jahres“. Für den Schmidt Spieleverlag ist „Mensch ärgere Dich nicht“ ein Dauerbrenner. Rund 400000 Exemplare werden jedes Jahr verkauft, obwohl doch eigentlich schon jeder deutsche Haushalt eines besitzen müsste. Inbegriffen ist allerdings auch jedes mit einer Spielesammlung verkaufte Exemplar.

„Das Spiel ist die Einstiegsdroge für jedes Kind“, sagt Axel Kaldenhoven, Geschäftsführer von Schmidt Spiele. Soll heißen: Wer einmal auf die emotionale Achterbahnfahrt einer „Mensch ärgere Dich nicht“-Partie genommen wurde, kommt nicht mehr vom Spielen los. Spiele, die eigens für Kinder entwickelt werden, setzen aber oft auf ein anderes Prinzip als den Wettbewerb. „Am Ende gewinnen alle zusammen, damit nicht einer heult“, sagt Stefanie Kuschill vom Deutschen Spielearchiv Nürnberg.

Doch mittlerweile ist das kooperative Spielen auch bei Erwachsenen wieder beliebt. „Das ist ganz klar ein Trend“, sagt Silke Ruoff vom Hersteller Kosmos: „Wir merken, dass sich kooperativ angelegte Spiele gut verkaufen.“

Das war nicht immer so: „Kooperative Spiele waren eine zeitlang verpönt“, sagt Stefanie Kuschill: „Das lag vor allem daran, dass sie in den Siebzigern und Achtzigern einen pädagogischen Hintergrund hatten.“ Damals hießen die Spiele „Sauerbaum“, bei dem die Spieler gemeinsam einen Baum vor saurem Regen retten, „Verhindern wir das Atomkraftwerk“ oder „Wenn es leckt“, bei dem mit vereinten Kräften ein Giftmüllskandal aufgedeckt wurde.

„In den letzten Jahren hat man aber gemerkt, dass in der Idee, kooperativ zu spielen, mehr steckt, als nur gemeinsam einen Baum zu retten“, sagt Stefan Ducksch, der ebenfalls in der „Spiel des Jahres“-Jury sitzt.

Beim Klassiker "Mensch ärgere Dich nicht" gilt auch weiterhin: Nur einer kann gewinnen.

Beim Klassiker "Mensch ärgere Dich nicht" gilt auch weiterhin: Nur einer kann gewinnen. © dpa

Statt auf Zeigefinger-Pädagogik zu setzen, entwickelten die Spieleautoren lieber spannende Spielmechanismen. Mit „Hanabi“ aus dem Hause Abacus wurde 2013 sogar ein kooperatives Werk „Spiel des Jahres“. Das war auch deshalb ungewöhnlich, weil es sich um ein Kartenspiel in kleiner Verpackung handelt — normalerweise gewinnen eher aufwendig gestaltete Brettspiele.

Bei „Hanabi“ versuchen die Spieler, mit ihren Karten ein Feuerwerk zu legen — sehen aber selbst nicht, welches Blatt sie in den Händen halten. Die Mitspieler müssen deshalb mit möglichst knappen Worten Tipps geben. „Es ist ein Beispiel par excellence für eine Kooperation: Man spielt gemeinsam gegen das Spiel“, sagt Jurymitglied Ducksch.

Kooperative Spieler haben oft komplexere Regeln

Einen Haken haben viele kooperative Spiele doch: Die Regeln sind oft sehr komplex, wer Spielspaß will, muss viel Zeit einplanen. Zum Beispiel bei „Robinson Crusoe“ des Herstellers Pegasus Spiele, das Ende 2013 erschienen ist. Für 2014 ist ein Erweiterungsset angekündigt. Das Spiel orientiert sich lose an dem „Gestrandet auf einer einsamen Insel“-Szenario von Daniel Dafoe. Die Spieler übernehmen dabei verschiedene Charaktere, die jeweils über andere Fähigkeiten verfügen. Sie müssen gemeinsam Vorräte sammeln und Szenarien bewältigen — wenn nur eine Figur stirbt, ist das Spiel verloren.

Bei Kooperativ-Spiel „Die Legenden von Andor“ vom Kosmos Spieleverlag — 2013 als „Kennerspiel des Jahres“ ausgezeichnet — werden die Regeln dagegen während des Spieles erklärt. Um Aufgaben zu lösen, etwa die Burg des Königs vor einem Drachen zu schützen, müssen die Spieler eine gemeinsame Strategie entwickeln. Auf der Messe stellt Kosmos zwei große Erweiterungssets für das Spiel vor.

Das kooperative Prinzip ist nicht jedermanns Sache, für viele gehört Gewinnen zum Spielen dazu. „Darauf muss man sich schon einlassen können“, sagt Experte Ducksch.

Doch egal, ob man mit- oder gegeneinander spielt, die Faszination von Gesellschaftsspielen liegt für Ducksch in etwas Grundsätzlicherem: „Der eine kann sich gut Zahlen merken, der andere gerissen taktieren. Bei Gesellschaftsspielen erfährt man immer etwas über Menschen.“

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