Fernverkehr der Zukunft

Computer als Fahrer: Ersetzt die Bahn einfach die Lokführer?

Isabel Pogner

Online-Redaktion

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24.1.2024, 10:23 Uhr
Wird die Technik die Lokführer in Zukunft ersetzen? Oder kann sie ihnen bei ihrem Job eher helfen? 

© A. Pitsch Wird die Technik die Lokführer in Zukunft ersetzen? Oder kann sie ihnen bei ihrem Job eher helfen? 

Noch nie hat es zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn (DB) so sehr gekracht wie im aktuellen Tarifkonflikt. Sechs Tage Ausstand sind selbst für auch sonst nicht gerade mit Pünktlichkeit verwöhnte Bahnfahrende eine neue Dimension.

Dabei hakt es vor allem an einer Sache: der Forderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Das bereitet der DB Kopfzerbrechen, immerhin bräuchte sie dann mehr Lokführerinnen und Lokführer: „Der Fachkräftemangel ist harte Realität. Wir werden keiner Lösung zustimmen, die die Personalsituation verschärft“, verkündete der Konzern zuletzt. Und dabei hat der Renteneintritt der Boomer-Generation eben erst begonnen. Laut einer Auswertung des Bundesamts für Güterverkehr waren 2021 rund 22 Prozent der Lokführerinnen und Lokführer in Deutschland mindestens 55 Jahre alt.

Und nun? Könnte tatsächlich die Technik helfen: Wenn Züge sich in Zukunft selbst steuern würden – so wie auch autonom fahrende Autos ein Thema sind – bräuchte es keine Person im Führerstand mehr. Doch wie weit ist die Forschung?

Positivbeispiel kommt aus Nürnberg

Utopisch ist die Vorstellung jedenfalls nicht. Dazu reicht schon der Blick nach Nürnberg: Seit gut 15 Jahren ist ein Teil der U-Bahnen automatisiert unterwegs. Die fahrerlose U-Bahn galt als Pionierstück in Deutschland. Und hat neben anderen Punkten eben einen relevanten Vorteil, berichtete die Nürnberger Betreibergesellschaft VAG: „Die VAG profitiert zudem, weil sie weniger Personal für den Betrieb der U2 und U3 benötigt.“ Weltweit gibt es mehrere automatisierte Metro-Systeme, darunter in London und Dubai.

Auch auf „echten“ Bahnstrecken der DB laufen bereits Tests: Im deutsch-niederländischen Grenzgebiet startete die DB mit Partnern ein Forschungsprojekt für autonom fahrende Güterzüge. Und auch im Erzgebirge arbeitet ein Zusammenschluss aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen am Bahnverkehr der Zukunft. 2019 fuhr dort aus Testzwecken zum ersten Mal ein Triebzug über die Gleise, der keinen Lokführer an Bord hatte. Der saß stattdessen im Büro an einem Monitor, erklärt das beteiligte Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Trotzdem ist es schwieriger, als etwa 2016 der damalige Bahnchef Rüdiger Grube annahm: „Ich rechne damit, dass wir 2023 so weit sind, dass wir in Teilen unseres Netzes vollautomatisch fahren können“, äußerte er damals gegenüber der FAZ. Weit gefehlt.

Bleibt es ein Zukunftstraum?

„Das wird noch relativ lange dauern“, sagt Bahn-Experte Lukas Iffländer, zuletzt Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung. Denn für autonomes Fahren brauche es Unmengen an Daten und permanente Überwachung. „Ich muss exakt wissen, wo mein Zug ist, wo die Bahnsteige sind, außerdem eine Hinderniserkennung, etwa wenn ein Traktor auf einem Bahnübergang steht.“

Das sei in der abgeschotteten, in sich abgeschlossenen U-Bahn Nürnberg noch einfach, dafür würden Lasergitter im Gleisbereich sorgen. „Aber auf der Gräfenbergbahn kann ich mir das nicht vorstellen, die müsste man dazu einzäunen und überdachen.“

In Australien seien bereits Erzzüge über Hunderte Kilometer fahrerlos durchs Outback unterwegs, „aber da wohnt halt keiner“, ordnet Iffländer ein. Die Störfaktoren sind entsprechend im Vergleich zur deutschen Infrastruktur im dicht besiedelten Bereich geringer. Und Fahrgäste hat der Güterzug auch nicht.

Technische und rechtliche Fragen

Entsprechend sei beim fahrerlosen Betrieb auch nicht nur die Technik wichtig, sondern auch der Rechtsrahmen, sagt Iffländer: „Wie lassen wir das zu?“ - also mit welcher Steuerungsform – und am Ende eine ähnliche Diskussion wie ethische Fragen bei autonom fahrenden Autos.

Ist das alles gelöst, kämen vor allem große S-Bahn-Netze für Automatisierungen infrage, erklärt Iffländer. „Das setzt viele Lokführer auf einmal frei, die man dann auf anderen Strecken einsetzen kann.“ Automatische S-Bahn-Fahrten seien etwa demnächst im Tunnelbereich für Stuttgart 21 geplant, um die Kapazität zu erhöhen. Ein Fahrer bleibt allerdings auch dort an Bord, überwacht und regelt etwa die Steuerung der Türen.

Ein Sprecher der Deutschen Bahn stellt entsprechend klar: „Lokführer und Lokführerinnen werden aktuell und in absehbarer Zukunft weiterhin gebraucht.“ Die Digitalisierung werde den Beruf aber verändern. „Klar ist aber auch, dass es weiterhin Lokführer und Lokführerinnen auf den Zügen geben wird.“ Ziel der Automatisierung sei vor allem, eine höhere Kapazität im Schienennetz zu erreichen.

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