Corona und Reisen: Verbrauchern drohen hohe Stornokosten
25.3.2020, 18:06 UhrDas Auswärtige Amt warnt derzeit auf seiner Homepage "vor nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland bis mindestens Ende April 2020". Das ist auch die Richtschnur für Reiseveranstalter, - vermittler und Touristikbüros: Sie müssen Buchungen für Reisen, die bis Ende April stattfinden sollen, kostenlos rückgängig machen. Für Reisen, die ab Mai starten sollen, werden jedoch in aller Regel Stornogebühren verlangt. Zum Teil in nicht unbeträchtlichem Umfang, abhängig von den Gesamtkosten und davon, ob man sich eine Flugreise, eine Kreuzfahrt oder eine Bustour ausgesucht hat.
Coronavirus: Immer mehr Urlaubsziele machen dicht
Ein Umstand, der immer wieder für Verwirrung sorgt, wie die Nürnberger Reisevermittlerin Waltraud Benaburger gerade erlebt. Die von ihr selbst organisierte Gruppenreise nach Andalusien im kommenden Monat hat Benaburger nach der Reiserwarnung des Außenministeriums von sich aus abgesagt, alle Teilnehmer informiert. Die geleisteten Zahlungen wurden rückerstattet.
Im Mai nach Zypern?
Die Gruppenreisen nach Kreta und Zypern im Mai jedoch, die sie für einen Auftraggeber zusammengestellt hat, will sie — so die jetzige Lage — durchführen. Ihrer Kundin Hildegard M. (Name geändert) ist der Zypern-Trip aber viel zu heikel. Da sei die Pandemie doch keineswegs besiegt, argumentiert M. Zu Wochenbeginn zog sie daher zurück — und war höchst entsetzt, als sie gut 600 Euro an Stornogebühren hinblättern sollte. Die Summe berechnet sich nach der Höhe des Reisepreises (in ihrem Fall rund 1400 Euro für eine Woche) und dem Zeitpunkt der Stornierung. Je näher die Absage an den Starttermin rückt, umso höher liegen die Stornokosten. Im schlimmsten Fall werden bis zu 90 Prozent des Reisepreises berechnet.
Hildegard M. weigerte sich zu zahlen und berief sich auf die Verbraucherzentrale Bayern, die derzeit auf ihrer Homepage in großen Lettern verkündet: "Pauschalreisen kostenlos stornierbar." Doch Hildegard M. hatte offenbar das Kleingedruckte darunter nicht gelesen. Dort heißt es vorsichtig: "Mit der weltweiten Reisewarnung wegen des Coronavirus können Sie kurz bevorstehende Pauschalreisen ins Ausland kostenlos stornieren."
"Kurz bevorstehend" meint aktuell: bis Ende April. Gisela Linke, die Leiterin der Nürnberger Beratungsstelle der Verbraucherzentrale, bedauert, dass momentan keine persönlichen Beratungsgespräche durchgeführt werden können. Sie weist aber darauf hin, dass jeder Fall anders gelagert sein könne. Vorerst sei ein Rücktritt von einer Reise nur in diesem und im nächsten Monat finanziell gefahrlos.
Mann mit Mitte 50 in Franken an Corona verstorben
Auch der Würzburger Rechtsanwalt und Unidozent für Reise- und Luftverkehrsrecht, Kay Rodegra, betont, dass "aus heutiger Sicht" Pauschalreisen ins Ausland, die bis Ende April starten sollen, kostenfrei storniert werden können. Dies sei möglich, da "ein Fall eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstandes vorliegt". Für Reisen, die im Mai oder später losgehen, könne das heute noch nicht gesagt werden. Rodegra: "Wer voreilig storniert, riskiert daher Stornokosten".
Verbraucherzentrale fordert Fonds
David Schulte, zuständig für Gruppenreisen im TUI Reisecenter in Nürnberg, hat derzeit ebenfalls viele verunsicherte Kunden am Telefon, denen ihr gebuchter Urlaub im Mai, Juni oder Juli nun zu riskant erscheint. "Die Angst ist da, auf den Kosten sitzen zu bleiben", weiß Schulte. Doch da die Reisewarnung nicht für diese Monate gelte, "dürfen wir die Reisen auch gar nicht absagen", unterstreicht der Berater. Ergo: Die verängstigten Kunden müssen die Stornos bezahlen. Schulte empfiehlt "Geduld": Werde die Reisewarnung möglicherweise auf weitere Monate ausgedehnt, sei die Sachlage eine neue.
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale fordert nun von der Bundesregierung die Auflage eines Absicherungsfonds, der einerseits sicherstellt, dass Kunden von Pauschalreisen ihre Vorauszahlungen zurückerstattet bekommen, andererseits aber die Reiseunternehmen liquide erhält. Die Reisebranche dürfe nicht auf Kosten der Verbraucher gerettet werden, betont Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale.