Die Spieleerfinder: Coole Collegetypen mit viel Fantasie

18.8.2017, 19:39 Uhr
Die Spieleerfinder: Coole Collegetypen mit viel Fantasie

© Foto: Marie Zahout

Das Standbild auf dem 70-Zoll-Bildschirm im Büro zeigt eine Szene wie aus einem Bilderbuch: Putzige Bären in einer Flusslandschaft. Ein Zimmer weiter findet sich ein Packen Zeichnungen – obenauf die Bären. Auf einem kleinen Monitor daneben haben die Bilder bereits Laufen gelernt. "Es ist einfach toll, mit 3D-Brille in den eigenen Zeichnungen herumzuspazieren", berichtet Patrick Ruckdeschel.

Der Computerspieleentwickler arbeitet gerade an seinem neuesten Videospiel "Riverside" – eine Entdeckungsreise durch eine handgezeichnete Spielwelt, in der die naiven Bären auf dem Weg von der Mündung eines Flusses zu seiner Quelle wieder und wieder in die Klemme geraten. Um beim Spielen voranzukommen, ist nicht Hektik gefragt, sondern Kreativität, Fantasie und Vorstellungskraft. Wenn der Spieler die Zeichnung der Sonne gegen die des Mondes austauscht, dann kann er zwar ahnen, dass damit der Tag zur Nacht wird. Aber er wird vermutlich nicht mit der ebenfalls eintretenden Ebbe rechnen, bei der das zurückweichende Wasser neue Gebiete freigibt.

Mit der Zeit lernt der Spieler, wie er die Texturen, die Oberflächeneigenschaften zielsicher einsetzen kann und welche Effekte sie erzielen sowie unerwünschte Wirkungen zu beherrschen. Dank Erfahrung gewinnt er zunehmend Kontrolle über die Spielwelt und Freude an strategischem Vorgehen. Damit das Spiel attraktiv bleibt, gibt es viele unterschiedliche Konstellationen und Rätsel, in denen die Texturen auf möglichst unterschiedliche Weise kombiniert werden müssen, erläutert Ruckdeschel.

Der promovierte Medienwissenschaftler mit Studium an der Akademie der Bildenden Künste kann auf eine 30-jährige Erfahrung zurückgreifen. Als er acht Jahre alt ist, schenkt ihm seine Großtante die erste Nintendo-Konsole. Der typische "nerd", der stundenlang allein vor seinem Rechner sitzt und die Welt nicht mehr wahrnimmt, war er nie. Er spielte stets mit anderen.

Mittlerweile gebe es viel mehr und komplexere Spiele, die sich jedoch kaum voneinander unterschieden. "Heute zählt Gaming zum Big Business; dementsprechend kommen immer öfter die gleichen massentauglichen Spielkonzepte zum Tragen: Langweilig und keine Überraschung."

Jenseits des Mainstreams entwickle sich jedoch eine lebhafte Indie-Szene, unabhängige Entwickler, die losgelöst von strengen Geldgebern oder ungeduldigen Aktionären neue Pfade einschlügen und auf kurzem Weg so manches Spiele-Juwel erschafften. Der Marktanteil der kleinen Entwicklungsstudios baue sich so weit auf, dass es sich die großen, wie Nintendo, nicht mehr leisten könnten, sie auszusperren.

Die Anforderungen an die Entwickler sind aus Ruckdeschels Sicht heute niedriger als früher. Die Technik sei so günstig zu haben, dass sie sich auch Privatpersonen leisten könnten. Um ein Computerspiel zu entwickeln, brauche es eigene Ideen und technische Fähigkeiten, um zum Beispiel eine 3D-Modulation zu erstellen. In Ruckdeschels "Zockrates Laboratories" im Stadtteil Johannis wirken ein Programmierer und ein Videospielkomponist (Ludwig Hanisch) mit.

Die Konzeptidee ist außergewöhnlich. Es wird nicht auf Wettkampf gesetzt, sondern auf ein liebliches, harmonisches, spannendes und entspannendes Spiel, das eine Geschichte erzählt, die Emotionen weckt und deren Bühne die Natur ist. Zirka eineinhalb Jahre dauert es bis zur Marktreife eines Spiels. "Riverside" könnte, wenn es fertig ist, beispielsweise im Online Store "Steam" für 20 Euro digital hochgeladen werden.

Nur noch zweitklassig

Einst kamen erfolgreiche Computerspiele aus Deutschland. Inzwischen aber ist die hiesige Gamer-Industrie – Umsatz rund 2,13 Mrd. Ã – international zweitklassig. Für den Abstieg macht der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) vor allem die systematische Subvention von Computerspielen in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Kanada verantwortlich. Deutschland konzentriere sich dagegen bei der Förderung ausschließlich auf Start-ups.

Nichtsdestotrotz sind für Ruckdeschel Videospiele "eines der faszinierendsten Medien unserer Zeit." Reich würden die Entwickler eher selten, aber sie könnten ihr Auskommen haben, sagt er.

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