Die wirklichen Dramen spielen sich in den Familiengerichten ab
25.01.2018, 08:00 Uhr
Herr Weispfenning, warum streiten sich Eltern nach einer Scheidung so oft um ihre Kinder?
Martin Weispfenning: Dafür gibt es viele Gründe, die oft nichts mit den Interessen der Kinder zu tun haben – obwohl das Kindeswohl im Familienrecht ja im Mittelpunkt steht. Manchmal spielen persönliche Verletzungen während der gerade zerbrochenen Partnerschaft eine Rolle, oder Überlegungen wie: Wenn das Kind bei mir bleibt, bekomme ich Unterhalt und Kindergeld – und außerdem wird das Kind bei mir besser gefördert. Oft versucht jeder Elternteil, den Nachwuchs mit Geschenken und Versprechungen auf seine Seite zu ziehen, und manche Kinder sind sehr gewitzt darin, von beiden Eltern das Beste für sich herauszuholen.
Was können Eltern tun, um Schlammschlachten am Familiengericht zu vermeiden?
Weispfenning: Sie sollten versuchen, Streit und Aggressivität herauszunehmen. Es ist nicht hilfreich, wenn wütende SMS oder E-Mails hin- und hergehen. Besser ist es, eine Nacht darüber zu schlafen, bevor man auf eine Provokation reagiert. Die Jugendämter und kirchliche Vereine wie Caritas oder Diakonie bieten Beratungen für getrennte Eltern an. Und es kann helfen, Freunde oder Verwandte ins Vertrauen zu ziehen und ganz offen zu fragen: Bin ich der Geisterfahrer oder der andere? Die Eltern sollten versuchen, miteinander zu reden und die Interessen der Kinder in den Vordergrund zu stellen. Aber wenn ich in solchen Verfahren Schriftsätze lese, die voller Beleidigungen und Falschbehauptungen sind, verstehe ich, dass es manchmal schwerfällt, ruhig zu bleiben.
Getrennt lebende Elternteile, meistens Väter, berichten manchmal, dass sie am Wochenende ihr Kind abholen wollen – und dann heißt es plötzlich, es sei krank und könne leider nicht mitkommen.
Weispfenning: Ja, das erlebe ich oft – merkwürdigerweise, denn eine Krankheit muss gar kein Grund sein, das Umgangsrecht nicht auszuüben. Schließlich muss auch der getrennt lebende Elternteil lernen, mit Krankheiten des Kindes umzugehen. Man könnte allerdings in die Umgangsvereinbarung schreiben, dass das gemeinsame Wochenende nachgeholt wird, falls der Sohn oder die Tochter wirklich einmal zu krank ist, um die Wohnung zu verlassen.
Was kann man tun, wenn man das Kind wie vereinbart abholen will, aber vor verschlossener Tür steht?
Weispfenning: Das ist schwierig. Wenn Sie ein Auto kaufen und es wird nicht wie bestellt geliefert, können Sie klagen und vor Gericht einen bestimmten Geldbetrag erstreiten. Beim eigenen Kind ist das natürlich anders. Dem Kindeswohl ist nicht gedient, wenn man seine Unterhaltszahlungen einstellt oder versucht, das Umgangsrecht mit der Polizei durchzusetzen. Aber man sollte in solchen Fällen am Ball bleiben und vielleicht das Jugendamt einschalten.
Stichwort Unterhalt: Wie viel der getrennt lebende Elternteil zahlen muss, ist in der sogenannten Düsseldorfer Tabelle geregelt. Dabei wird das Einkommen berücksichtigt, aber nicht, wie sehr man sich um das Kind kümmert. Es gilt immer noch das Prinzip "Einer betreut, einer zahlt". Wenn ich von meinem Kind getrennt lebe, aber viel Zeit mit ihm verbringe, muss ich genauso viel Unterhalt zahlen wie jemand, der sich nie um den Kontakt mit seinem Kind bemüht. Ist das nicht ungerecht?
Weispfenning: Natürlich kann das sehr ungerecht sein. Es kommt ja noch dazu, dass der getrennt lebende Elternteil, der sein Umgangsrecht ausüben will, das Kind auf eigene Kosten abholen und zurückbringen muss. Wenn beide Eltern im Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen wohnen, ist das vielleicht kein großes Problem. Aber wenn ich weit reisen muss, vielleicht sogar ins Ausland, um mein Kind zu sehen, kostet das sehr viel Zeit und Geld. Aber ich glaube, der Gesetzgeber nimmt diese Ungerechtigkeit bewusst in Kauf, damit kein "Wettlauf" um den Umgang mit dem Kind entsteht. Wie sollen Jugendämter oder Gerichte überprüfen, wer wie viel Zeit mit Sohn oder Tochter verbracht hat, und festlegen, wie sich das auf die Höhe des Unterhalts auswirkt? Außerdem würden Eltern dann dazu verleitet, den Nachwuchs nur aus finanziellen Gründen möglichst oft bei sich haben zu wollen. Wie gesagt: Gerecht ist das Unterhaltsrecht in diesem Punkt nicht, aber anders wäre es kaum handhabbar. Es gibt ja auch das "Wechselmodell", bei dem das Kind abwechselnd bei beiden Eltern wohnt. Da sieht es dann auch mit dem Unterhalt anders aus. Aber das geht nur im allseitigen Einvernehmen.
In Verhandlungen am Familiengericht werden ja auch oft die Kinder selbst angehört. Kann es traumatisierend für ein Kind sein, wenn es einem fremden Erwachsenen – in diesem Fall einem Richter oder einer Richterin – Auskünfte zu seinen familiären Verhältnissen geben muss?
Weispfenning: Das kann vielleicht im Einzelfall vorkommen, aber ich habe es bisher nicht erlebt. Ich finde, schlimmer wäre es, die Kinder nicht anzuhören, denn um ihre Interessen geht es schließlich. In der Rechtsprechung spielt ihr Wille eine immer größere Rolle. Sie werden in Abwesenheit der Eltern und deren Anwälte angehört.
Nach dem Gesetz muss das Familiengericht das Kind anhören, wenn dieses das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ist es jünger, muss es nur angehört werden, wenn seine Neigungen, Bindungen oder sein Wille für die Entscheidung von Bedeutung sind oder eine Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Regelmäßig nicht geboten ist eine Anhörung bei Kindern im Alter bis zu zwei Jahren.
Zu guter Letzt: Was sollten unverheiratete Paare beachten, die ein Kind haben und sich trennen?
Weispfenning: Bei unverheirateten Eltern hatte bis vor kurzem die Mutter automatisch das alleinige Sorgerecht. Aber wenn der Vater das geteilte Sorgerecht gerichtlich beantragt, kann es ihm nur verwehrt werden, wenn die Mutter nachweist, dass ein geteiltes Sorgerecht gegen das Kindeswohl wäre. Das ist selten der Fall.
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