Diese Unternehmen kontrollieren unser Essen
12.1.2017, 16:55 UhrVom Acker bis zur Ladenkasse konzentriert sich die Macht, bestimmt nur noch eine Handvoll an Akteuren, was wir essen und wer daran was und zu welchen Bedingungen verdienen darf.
Das zumindest ist das Ergebnis des "Konzernatlas 2017", einer Studie von Oxfam, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Germanwatch, Le Monde diplomatique und der Heinrich-Böll- sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Anheuser-Busch und InBev fusionierten zur größten Brauerei der Welt, Heinz und Kraft machen jetzt gemeinsam Ketchup, Bayer übernimmt gerade den Saatgut-Hersteller Monsanto - die Beispiele liefern die Herausgeber - alle dem globalisierungskritischen Lager zuzuordnen - gleich mit. "Heute bestimmen einige wenige globale Konzerne die großen Trends in der Landwirtschaft und beim Nahrungsmittelkonsum", schreiben die Autoren.
Enorme Marktmacht weniger Unternehmen
Eine Entwicklung, die sich seit 2010 noch beschleunige. Inzwischen kontrollierten vier Unternehmen rund 70 Prozent des Welthandels mit Agrarrohstoffen, 50 Firmengruppen dominierten die Hälfte des weltweiten Umsatzes mit der Herstellung von Lebensmitteln und in Deutschland deckten vier Supermarktketten 85 Prozent des Handels ab.
Werte, die Achim Drewes, Sprecher des größten Lebensmittelherstellers Nestlé, durchaus bestätigt. Umstritten sind die Konsequenzen. Für die Studienautoren ist der Fall klar: "Übergewicht, Diabetes und chronische Krankheiten gehören zu den Folgen dieser Entwicklung" in den westlichen Ländern, aufgrund der oft hochgradig verarbeiteten und dadurch ungesunden Produkte. Ebenso Umweltzerstörung und ausgebeutete Arbeiter in den Entwicklungsländern, in denen viele Rohstoffe angebaut würden.
Nestlé-Sprecher Drewes dagegen will das so nicht stehenlassen. Natürlich gebe es Missstände. "Aber ich würde das nicht an der Größe der handelnden Akteure festmachen."
Und wenn, dann sei es doch eher so, dass es für große Konzerne mit ihren Einflussmöglichkeiten sogar leichter sei als für kleinere Unternehmen, den hohen Anforderungen der Kunden etwa bei Umweltfragen gerecht zu werden. Ja, die Industrie habe da dazulernen müssen, aber "es gibt eine positive Entwicklung. Für Nestlé kann ich sagen, dass wir da viel tun."
Für Oxfam, BUND & Co. ist die Macht der Konzerne dagegen mittlerweile zu groß. Der Kampf um Marktanteile gehe häufig zulasten der schwächsten Glieder in der Lieferkette: der Bauern sowie der Arbeiter.
"Der Preisdruck der Supermarktketten und Lebensmittelkonzerne ist aber nicht nur eine der Hauptursachen für schlechte Arbeitsbedingungen und Armut, sondern auch für den Vormarsch der industriellen Landwirtschaft, verbunden mit gravierenden Klima- und Umweltproblemen weltweit."
Auch Behörden in der Kritik
Und das weitgehend ungestört, denn aufgrund ihrer Marktmacht übten die international agierenden Konzerne viel Druck auf die jeweiligen nationalen Politiker aus. "Auch in Deutschland wirkt der Einfluss der Industrie in die Büros der Bundesbehörden", heißt es in der Studie.
Als Negativ-Beispiel nennen die Autoren das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), in dessen Expertengremium für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel die Mehrheit der Wissenschaftler auch für die Industrie arbeite. Ein eindeutiger Interessenkonflikt.
"Ich rege mich über solche Pamphlete nicht mehr auf", reagiert BfR-Sprecher Jürgen Kundke zunächst auf die Vorwürfe. Dann platzt ihm doch der Kragen, es fallen Worte wie "Lüge" und "übelste Unterstellungen". Das BfR arbeite völlig unabhängig. "Natürlich sitzen in einer Expertenkommission auch Vertreter der Industrie. Na logisch, wenn die nun mal das Know-how haben." Die Entscheidungen würden aber nicht dort gefällt, sondern von den eigenen Beamten. "Und es ist einfach nicht richtig, dass wir nur Studien der Industrie berücksichtigen würden."
Politik soll sich wehren
Laut der Autoren des "Konzernatlas" sind die Indizien indes eindeutig, dass sich die Politik die verlorene Kontrolle zurückholen müsse. Statt weiter den Interessen der Großkonzerne zu dienen, sei die Zeit reif für das "Konzept der Agrarökologie".
Diese setze auf bäuerliche Landwirtschaft, die an lokale Ökosysteme angepasst ist. Dazu gehöre zum Beispiel, dass die Bauern die Kontrolle über das Saatgut behielten, ebenso die Förderung regionaler Lieferketten. Dafür brauche es der Begleitung durch politische Regulierungen.
3 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen