Ein Bierchen am Abend: Wie die Web Week entstanden ist
8.5.2017, 07:55 UhrHerr Di Bella, fast jede größere Veranstaltung hat einen Gründungsmythos. Welche Geschichte erzählen Sie vom Finden der Web Week?
Ingo Di Bella: Es war bei einem Bierchen am Abend. Mit ein paar Leuten saßen mein Geschäftspartner Florian Bailley und ich zusammen und haben die Idee entwickelt. In der gleichen Nacht haben wir eine Webseite gebastelt. Eher amateurhaft – Flo und ich sind keine Programmierer. Am nächsten Tag war die Seite online und wir haben mit acht Wochen Vorlauf eingeladen — damals hieß das Event schon Nürnberg Web Week.
Ganz aus dem Nichts ist es aber nicht entstanden.
Di Bella: Schon vor zwölf Jahren haben Flo und ich den Vorläufer, den Web Montag, nach Nürnberg gebracht. Dieses Veranstaltungsformat gibt es in allen großen Metropolen auf der ganzen Welt und dient zum Austausch der Web Szene.
Kennt man sich da nicht?
Di Bella: Wir hatten damals keine Ahnung, was in der Region passiert. Es hieß immer, hier gebe es nichts, doch unser Bauchgefühl sagte anderes.
Was ergab der Realitäts-Check?
Di Bella: Wir kannten manche Leute und die haben wir eingeladen. Am ersten Termin kamen vielleicht 15 Leute — das war unser persönliches Netzwerk. Alle fanden das Format gut. Inzwischen besuchen die größten Web Montage außerhalb der Web Week 150 bis 200 Leute. Es ist eine Wanderveranstaltung, irgendein lokales Unternehmen lädt ein. Es gibt wohl kein digitales Unternehmen in der Region, bei dem wir nicht waren.
Vorstellung in drei Wörtern
Was macht man bei den Treffen?
Di Bella: Jeder stellt sich mit Namen vor – und dazu drei Wörter, die einen beschreiben. Bei mir: Ingo Di Bella, Web Week, Agentur und Fotografie. So kann man 200 Leute recht schnell durchreichen. Es gibt immer einen längeren Vortrag, kurze Impulsvorträge und Zeit fürs Netzwerken. Alles in maximal eineinhalb Stunden, in denen man viele neue Ideen und Impulse mitbekommt. Das hat sich zu einem festen Anker entwickelt, alle sechs bis acht Wochen.
Wie kam es dann zur Web Week?
Di Bella: Das hat schon noch gedauert... Erst gab es kleine Ableger, etwa für SEO, also Suchmaschinenoptimierung. Wer Websites programmiert, interessiert sich stärker dafür als jemand, der digitale Fotografie macht. Inzwischen gibt es 30 Gruppen. Manche sind recht klein – doch wir wollten, dass auch diese Aufmerksamkeit bekommen. So ist die Idee der Web Week entstanden. Es soll ein Leuchtturm-Event sein, das mehr Aufmerksamkeit zieht als alle kleineren Veranstaltungen zusammen. Gemeinsam und ohne Mehraufwand wollten wir eine Woche organisieren.
Ohne Mehraufwand? Die Web Week ist inzwischen ziemlich gewachsen...
Di Bella: Damals hatten wir keine Möglichkeit, vorab Werbung zu machen – und haben nur über bestehende Kontakte eingeladen. Trotzdem kamen schon 500 Leute auf zehn Veranstaltungen. Das war das Signal: Die Idee funktioniert. Beim zweiten Mal waren es schon 16 Events, die Hälfte der Leute war zum ersten Mal dabei. Das war für uns das Zeichen, dass wir es geschafft hatten, aus unserer Blase auszubrechen. Wir haben immer neue Zielgruppen einbinden können.
Ist das Ihr Ziel?
Di Bella: Wir haben uns jedes Jahr immer etwas neu erfunden. Inzwischen wollen wir nicht mehr nur die Veranstaltungen bekanntmachen, sondern auch Menschen und die Region als Ganze ins Rampenlicht stellen. Also an dem Image, das wir Franken uns einreden, kratzen. Es ist falsch, dass in Nürnberg nichts geht. Jetzt schauen Leute aus Frankfurt, Stuttgart oder Hamburg zu uns und sind ganz überrascht, dass es hier eine Web Week mit 90 Veranstaltungen gibt.
Existiert Vergleichbares in anderen Ländern?
Di Bella: Es gibt Formate, die sich ähnlich nennen, aber anders funktionieren. Das Besondere bei uns: Fast alle Veranstaltungen sind kostenlos, organisiert von der Community. Nürnberg kann auf eine Sache stolz sein: Ganz verschiedene — teils konkurrierende – Firmen ziehen hier an einem Strang und bringen gemeinsam etwas vorwärts. Das ist in wenigen Städten möglich. Die Nürnberger müssen eben zusammenhalten.
Der Plan zum Web Montag ist aufgegangen.
Di Bella: Die Community ist zusammengeschweißt. Und wir haben völlig neue Firmen einbinden können, die nicht nur die Web Week sponsern wollen, sondern auch mitwirken.
Also treffen sich nicht nur Nerds?
Di Bella: Es gibt keinen Branchenkontext, wenn wir über digitale Technologien nachdenken. Die digitale Transformation treibt gerade jeden um – egal, ob Metzger oder Bank.
Doch da geht es primär um den Internetauftritt – den kann auch eine Agentur liefern.
Di Bella: Es geht viel weiter. Nicht nur um Werbung oder Kommunikation, sondern auch um die Frage, wie man mit digitalen Technologien auch das Kerngeschäft vorantreiben kann. Um Geschäftsprozesse. Um Produkte. Wie digitalisiert man den Metzger? Was muss er tun, wenn er künftig es nicht mehr schafft, am Standort sein Geschäft zu machen? Oder der Tankstellenunternehmer?
Der wird sich sagen, die Leute kommen schon zu mir. Denn irgendwo müssen sie ja tanken.
Di Bella: Nein. In zehn Jahren vielleicht nicht mehr. Dafür braucht man einen Plan. Natürlich kann man sich das ganze Jahr Gedanken über die Zukunft machen, aber man kann es zur Web Week eben sehr intensiv und mit geballten Informationsmöglichkeiten tun. Damit es einem nicht geht wie der Quelle, die beste Voraussetzungen gehabt hätte, im Netz das Geschäft auszubauen. Warum hat die Quelle Amazon das Feld überlassen? Sie hätte es eigentlich schaffen können.
Wir reden viel über Firmen . . .
Di Bella: Wir kommen aus der Fachecke. Doch inzwischen haben sich viele Organisationen angeschlossen, wie das Bildungszentrum oder das Parabol Medienzentrum. Wir bieten auch was für Kinder und Jugendliche an: Das YouTube Barcamp war total gut besucht.
Gucken die nicht schon genug YouTube?
Di Bella: Auf der Web Week geht es darum, etwas über die Produktion zu lernen und eigene Videos zu schaffen. Ganz einfache handwerkliche Sachen, die große YouTuber begleitet haben. Es sind großartige Ergebnisse herausgekommen. Ebenso beim CoderDojo: Kinder zwischen fünf und 17 Jahren lernen da zu programmieren - auf sehr spielerische Art. Mit Klötzen wird ein Code zusammengebaut. Die Programmiersprache schaut aus wie Legosteine, die man aneinanderbaut und dann reagiert der Roboter. Mit Mentoren können die Kinder experimentieren.
Muss das schon mit sechs Jahren sein?
Di Bella: Es ist total spannend zu sehen, wie kreativ die Kinder sind, wenn sie die Möglichkeit bekommen. Mein Großer hat sich mit sechs Jahren einen 25-sekündigen Film aus 100 Einzelbildern ausgedacht, ihn entworfen und umgesetzt: Es geht um einen Igel, der einen Zauberstein rettet. Diese Kreativität ist unglaublich. Das Verständnis für "Wie funktioniert etwas" braucht man standardmäßig im Leben der Zukunft. Und je früher man diesen Zugang bekommt, desto besser.
"Fake News Night" und Hate Speech
Findet auch der 50–Jährige, der nicht unbedingt netz-affin ist, etwas auf der Web Week?
Di Bella: Es ist kein Schwerpunkt, aber die gesellschaftlichen Themen werden uns immer wichtiger. Wir haben etwa die "Fake News Night". Auch Hate Speech und der Umgang damit ist ein großes Thema. Oder die Frage, wie Eltern mit Internet-Mobbing umgehen.
Also gibt es durchaus einen gesellschaftlichen Anspruch.
Di Bella: Wir nennen uns ja das Festival der digitalen Gesellschaft. Und Digitalisierung betrifft uns alle – vom Bildungsbereich, über Verwaltung, Politik, Mediennutzung bis zum Beruf. Auch jedes Alter. Als Opa wird man spätestens mit WhatsApp konfrontiert, wenn die Enkel nur noch damit kommunizieren.
Es gibt schon heute kaum noch einen Lebensbereich, der nicht digitalisiert wird . . .
Di Bella: Man darf davor keine Angst haben. Man sollte sich nicht nur steuern lassen, sondern in der Lage sein, die Technologie zu nutzen. Wie beim Telefon, das uns inzwischen vertraut ist. Vielleicht können wir mit der Web Week Digitalkompetenz in die Gesellschaft bringen. Auch daher wollen wir eine Web Week Foundation gründen, einen unabhängigen Förderverein, der auch Veranstaltungen der Web Week finanziert und verstetigt – Events, die uns wichtig sind und von denen wir glauben, dass sie die Gesellschaft weiterbringen.
Viele ehrenamtliche Helfer
Kurz zu Daten und Fakten: Wie groß wird die Web Week?
Di Bella: Überraschenderweise werden es immer mehr Veranstaltungen: Letztes Mal gabe noch es 48, jetzt sind es 90. Das hätten wir nicht für möglich gehalten. Daher werden sicherlich mehr Leute kommen, 2016 waren 6500 Menschen da – manche flogen gar aus New York ein. Es wäre schön, wenn wir dieses Mal in die Nähe der 10.000 kämen. Möglich ist das nur, weil so viele Menschen ehrenamtlich mithelfen: Allein im Orga-Team sind es über 40 Leute, doch während der Web Week helfen Hunderte mit.
Träumen Sie mal ein wenig: Wo steht die Web Week in fünf Jahren?
Di Bella: Ich würde mir wünschen, dass die Web Week immer mehr für die Metropolregion als Anker dient, um sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Dass es der Termin ist, an dem man neue Impulse bekommt – und zwar breit durch die Gesellschaft. Wenn wir es schaffen, dass es in fünf Jahren in den Schulen eine digitale Woche während der Web Week gibt, wäre das ein schönes Ergebnis. Den nächsten Schritt, um das zu erreichen, planen wir schon.
Welcher ist das?
Di Bella: Was wir einmal im Jahr gut können — Menschen zusammen zu bringen —, das wollen wir das ganze Jahr über verstetigen. Mehr verrate ich noch nicht, Details gibt es auf der Web Week.
Die Nürnberg Web Week bietet eine Woche lang Veranstaltungen unter anderem zu den Themen Online Marketing, Webentwicklung, Social Media, eCommerce, SEO und Programmierung. Sie soll nach Angaben der Veranstalter alle, die ihre berufliche Heimat im Internet gefunden haben, im Rahmen einer großen Dachveranstaltung zusammenbringen. Gleichzeitig richtet sie sich auch an alle, die Interesse an digitalen Themen haben. Die Teilnahme an der Web Week ist kostenlos. Sie findet vom 15. bis 22. Mai statt. Die meisten Veranstaltungen sind in verschiedenen Räumlichkeiten in Nürnberg, aber auch in Neumarkt, Ansbach oder Erlangen, Fürth und Bamberg. Weitere Informationen unter www.nueww.de
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