Mobilität

Ein halbes Jahr Deutschlandticket: Fast 200.000 Menschen nutzen es im Großraum Nürnberg

Stefanie Banner

Politik und Wirtschaft

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4.11.2023, 19:00 Uhr
Wie geht es künftig mit dem Deutschlandticket weiter?

© Sebastian Gollnow/dpa Wie geht es künftig mit dem Deutschlandticket weiter?

Ob Tarifzonen, Tarifwaben oder Tarifbereiche - die unübersichtliche Struktur im öffentlichen Personennahverkehr kann Millionen Fahrgästen seit einem halben Jahr egal sein: Mit dem Deutschlandticket haben sie seit Anfang Mai die Möglichkeit, für einen Pauschalpreis in den Bus oder Regionalzug zu steigen und so weit zu fahren, wie sie wollen. Ganz ohne Sorge, ob ihre Fahrkarte die richtige ist. 49 Euro kostet das Abo im Monat - noch. Obwohl sich alle freuen, dass das Ticket den ÖPNV stark vereinfacht hat, ist seine Zukunft ungewiss.

Nachfrage hat Plateau erreicht

"Das Deutschland-Ticket ist ein Erfolg", sagt Alexander Möller, ÖPNV-Geschäftsführer beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). "Die Kunden bekommen eine ÖPNV-Flatrate so günstig wie noch nie. Wir haben Kundenzahlen wie vor Corona, binden Kunden wie nie." Rund zehn Millionen 49-Euro-Abos gibt es dem Verband zufolge inzwischen. "Die Zahl ist recht stabil, auch wenn auf niedrigem Niveau weitere hinzukommen."

Rund die Hälfte der Inhaberinnen und Inhaber kommt demnach aus bestehenden Abos, sind also keine neuen ÖPNV-Dauerkunden. Die andere Hälfte war bislang mit Einzelfahrscheinen oder Zeitkarten unterwegs. Der Verband wertet das als Erfolg. "Wir binden Kunden stärker an den ÖPNV durch diese Flatrate", betont Möller.

Im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) sind - Stand September - 194.174 Deutschlandtickets verkauft worden, davon entfallen 37.863 auf Jobtickets. Das teilt Pressesprecher Manfred Rupp auf Nachfrage mit. Der VGN sammelt dazu die Daten der VAG Nürnberg, Infra Fürth, der Erlanger Stadtwerke und der Deutschen Bahn. Zu den ermäßigten Schüler-, Azubi- und Studententickets liegen laut Rupp erst in einigen Wochen Zahlen vor.

Eine Debatte darüber, wie das Ticket weiterentwickelt werden soll, fehle, kritisiert der VDV. Er fordert etwa, dass auch die Mitnahme von Familienmitgliedern, Freunden oder Haustieren ermöglicht wird.

Deutschlandticket vor dem Aus? Der Streit übers Geld

Statt über solche Vorschläge zu diskutieren, streitet die Politik erneut übers Geld. Der Konflikt ist festgefahren. Im Kern geht es um die Frage, wer mögliche Mehrkosten des Deutschlandtickets trägt. Für 2023 ist geregelt, dass Bund und Länder Mehrkosten zur Hälfte teilen - von 2024 an ist das offen. Die Länder wollen, dass sich der Bund auch in Zukunft zur Hälfte an ihnen beteiligt.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat das abgelehnt. Er hatte zuletzt im Bundestag deutlich gemacht, dass es vorerst keine genauen Berechnungen der Mehrkosten gebe. Der VDV wiederum geht davon aus, dass die Verluste für die Branche in diesem Jahr wegen des Ticketstarts erst im Mai bei 2,3 Milliarden Euro liegen und für das ganze Jahr 2024 bei 4,1 Milliarden Euro. Bei insgesamt sechs Milliarden Euro öffentlichen Zuschüssen für 2023 und 2024 ergebe sich demnach unter dem Strich eine Finanzierungslücke von 400 Millionen Euro.

Im Münchner Verkehrsverbund fehlen durch das Ticket nach eigenen Angaben Einnahmen "im mittleren dreistelligen Millionenbereich", denen Mehreinnahmen durch zusätzliche Verkäufe "im unteren einstelligen Millionenbereich" gegenüberstehen - unter dem Strich also wohl mehrere Hundert Millionen Euro weniger. Der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg spricht von Mindereinnahmen von gut 18 Millionen Euro zwischen Mai und August. Wie hoch die Finanzierungslücke in Nürnberg und München ausfällt, ist nicht bekannt, da es zu den öffentlichen Zuschüssen keine Angaben gibt.

Eine Lösung wird nun bei Beratungen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Regierungschefs der Länder am 6. November angestrebt. Wie diese aussehen kann, ist unklar. Möglich wäre eine Erhöhung des Preises auf monatlich 59 Euro - das aber wäre eine unpopuläre Entscheidung. Ein Aus des Deutschlandtickets gilt als unwahrscheinlich. Zu groß wäre der Imageschaden für Bund und Länder.

Was das Ticket gebracht hat

Immerhin fast ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger hatte inzwischen mindestens für einen Monat das Deutschlandticket. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des YouGov-Instituts im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Diese macht deutlich: Die meisten Nutzerinnen und Nutzer verändern auch ihr Mobilitätsverhalten. So sind rund ein Drittel (33 Prozent) der befragten Abonnenten und Abonnentinnen insgesamt mehr unterwegs als zuvor. Fast ebenso viele (31 Prozent) lassen öfter das Auto stehen, seit sie das Deutschland-Abo besitzen.

Immer wieder betonen Fachleute, dass der Preis nicht die einzige Stellschraube sein kann, um die Menschen vom Umstieg auf den ÖPNV zu überzeugen. Es braucht vor allem mehr und eine bessere Infrastruktur, um die steigende Nachfrage überhaupt bedienen zu können.

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