Experte erklärt: So verhandeln Sie Ihr Gehalt richtig
12.8.2020, 06:00 UhrHerr Hofmann, ich brauch’ mehr Geld. Wie erkläre ich das dem Chef?
Indem ich mich schon vorher mit ihm auseinandergesetzt habe. Nur hingehen und sagen: "Ich brauche mehr Geld", das ist zu kurz gegriffen. Klar, zuhören wird er. Ob er es versteht, ist aber was anderes.
Auseinandersetzen?
So ist es. Sowohl inhaltlich: Was will ich eigentlich erreichen und was ist meine Alternative? Als auch psychologisch: Wen treffe ich da? Jeder Chef, jede Chefin hat ja eine eigene Persönlichkeit.
Wie könnte das aussehen?
Die Aussage "Ich will mehr Geld" ist zu unkonkret. Ich muss schon formulieren, wie viel genau. Und meine Forderung muss in einer gewissen Beziehung zur Realität stehen. Wenn Sie sagen, sie würden ihr Gehalt gerne an das Niveau des Vorstandsvorsitzenden von VW anpassen, dann wird das wahrscheinlich ein sehr kurzes Gespräch.
Welche Größenordnung ist ambitioniert, aber noch nicht unverschämt?
Das ist branchenabhängig. Normal sind in der Regel fünf bis zehn Prozent mehr Lohn. Und man sollte nicht nur alle zehn Jahre nachfragen. So einen Zwei-Jahres-Rhythmus würde ich schon empfehlen.
Mit welchen Argumenten wird meine Forderung unwiderstehlich?
Ein guter Zeitpunkt sind die Jahresgespräche. Denn um diese Zeit herum werden oft auch die Ziele für das Unternehmen festgelegt. Wenn ich mehr Geld haben möchte, sollte ich meine Argumentation so aufbauen, dass sie dem Ziel, das ihr Chef wiederum für das neue Jahr vorgegeben bekommen hat, dient. Wenn ich nur darüber spreche, was ich in der Vergangenheit alles Tolles gemacht habe, wird er denken: "Okay, dafür bist du schon bezahlt worden."
Damit der Chef sofort erkennt: Wenn ich dem mehr bezahle, nützt das auch mir?
Richtig. Ich arbeite mit seinen Interessen. Diese Interessen des Chefs, der Chefin zu verstehen, das ist das Wichtige.
Was ist, wenn ich eigentlich schon okay bezahlt werden – das eigene Haus aber abbezahlt sein will und auch die Kinder kosten?
Ich würde das Private außen vor lassen. Ich würde es daran festmachen, dass ich meinen Leistungs- und Verantwortungsbereich erweitern möchte. Wenn ich meinem Chef verdeutliche, dass ich bereit bin, aus meiner Komfortzone herauszugehen, Projekte und Verantwortung zu übernehmen, die wiederum auf seine Ziele einzahlen: Dann sind meine Karten viel besser, dass er mir auch zuhört und auf mich eingeht.
Sie sagten, wichtig sei auch die psychologische Ebene?
Eine Verhandlung wird nicht auf der reinen Sachebene entschieden. Sie wird zwischen Menschen entschieden. Und jeder hat sein eigenes Persönlichkeitsprofil, das Sie berücksichtigen sollten.
Vor so einem Gespräch erstelle ich also erst einmal ein ausführliches Psychogramm meines Chefs?
Nein, so schlimm ist es nicht. Ich schaue mir meinen Chef an: Ist er jemand, der Erbsen zählt und Haare spaltet? Der Zahlen, Daten, Fakten braucht, sehr detailorientiert ist? Oder, noch schlimmer, jemand, der immer alles kontrollieren muss, der zu jeder Ihrer Arbeiten noch was zu sagen hat? Das wäre eine gewissenhafte beziehungsweise wachsame Persönlichkeit. Oder ist er jemand, der vorne an der Rampe steht, große Reden hält, auch gerne über sich selbst erzählt? Das wäre dann eine selbstbezogene Persönlichkeit.
Inwiefern hilft mir das?
Dem selbstbezogenen Chef sollten Sie ebenfalls mit großen Visionen kommen. Den dürfen Sie auch mal loben für das, was er erreicht hat. Machen Sie das dagegen bei einer gewissenhaften Persönlichkeit, wird es kritisch. Dann passiert genau das Gegenteil: Er wird sich wundern, was Sie von ihm wollen. Den selbstbezogenen Chef würden Details nerven, der Gewissenhafte aber braucht gerade diese, um etwas zu entscheiden. Dann wäre es zum Beispiel gut, wenn Sie für ein neues Projekt, das den Gehaltswunsch rechtfertigen soll, schon eine kleine detaillierte Präsentation dabei hätten.
Was ist, wenn ich zu den Menschen gehöre, die schon beim Gedanken an eine Verhandlung Stress bekommen?
Das gibt es natürlich. Zum Beispiel bei Menschen, die ein sehr großes Harmoniebedürfnis haben. Eine Verhandlung aber ist nichts anderes als ein Konflikt. Ein solche Person neigt dann dazu, sehr schnell alle Forderungen aufzugeben. Deswegen ist es immer auch nützlich, das eigene Persönlichkeitsprofil zu kennen, um nicht Opfer der eigenen Schwächen zu werden. Es gibt da ein schönes chinesisches Zitat: Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.
Von Sunzi, die Kunst des Krieges?
Ja, genau. Das trifft auch auf Verhandlungen ganz gut zu.
Muss ich die wirtschaftliche Lage berücksichtigen, in der sich mein Unternehmen gerade befindet? Sagen wir: eine Pandemie?
Es ist sinnvoll, sich vorher zu überlegen: Was bedeuten diese Rahmenbedingungen für meine Position. Aber: Sie können nichts für die jeweilige Weltkonjunktur und Sie sind auch nicht verantwortlich für eine Pandemie – und das würde ich im Gespräch dann auch betonen.
Schon, aber unter den Folgen etwa des Coronavirus leidet mein Unternehmen doch vielleicht tatsächlich.
Es kann sein, dass es darunter leidet. Das würde ich erst einmal überprüfen, ob sich das tatsächlich so in den Zahlen widerspiegelt. Falls das Geschäft wirklich leidet, könnten Sie versuchen, einen Vertrag auf die Zukunft auszuhandeln. Damit zeigen Sie Verständnis für die aktuelle Lage, sichern sich aber trotzdem schon für nächstes und vielleicht auch übernächstes Jahr zwei Gehaltserhöhungen. Das dann aber bitte auch schriftlich, versteht sich.
Oder ich warte einfach noch ein, zwei Quartale, bis alle klarer sehen, was Corona verändert hat.
Auch das geht natürlich. Denn ja, die Pandemie erschwert leider Ihre Verhandlungsposition. Weil derzeit überall viel Unsicherheit herrscht, womöglich auch bei Ihrem Chef. Und in solchen Phasen neigen Menschen dazu, ungern bis gar keine Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie können, kann es sich daher lohnen, im Moment noch geduldig zu sein.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen