Fehlerhafte Zapfsäulen: Weniger Sprit im Tank
13.11.2010, 09:00 Uhr
Jetzt kommt heraus: Wer schon immer das ungute Gefühl hatte, gerade über den Tisch gezogen worden zu sein, lag vielleicht gar nicht so falsch. Nach Recherchen unserer Zeitung ist an etlichen Zapfsäulen im Freistaat die Eichfrist längst abgelaufen.
Harmlos kommt das Corpus Delicti daher: Der Prüf-Aufkleber der Eichbehörden ist kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück und leicht zu übersehen. Doch selbst bei einer Mini-Stichprobe fanden sich ohne Mühe drei Exemplare mit Ablauf-Datum 2009.
Kein Zufall. Die ertappten Pächter wissen oft um den Missstand — doch sie sehen sich selbst in der Opferrolle. Man habe das längst dem Eichamt gemeldet, heißt es unisono. „Die kommen einfach nicht, haben keine Zeit“, so ein Tankstellen-Besitzer. Ein Kollege spricht wütend von einem imageschädigenden „Saftladen“.
„Wir sind denen ausgeliefert“
Günter Friedl, Vorsitzender des Branchenverbands Tankstellengewerbe Bayern, bleibt sachlich. Doch auch er betont: „Wir sind schon aus Eigenschutz dahinterher, dass alles immer pünktlich geeicht ist — wir wollen ja keine Skandale.“ Aber nur die Eichämter dürfen prüfen. „Wir sind denen ausgeliefert.“
Insgesamt sieben Eichämter gibt es im Freistaat. „Es stimmt, wir schaffen es nicht“, gibt Barbara Syha, Leiterin der Behörde in Nürnberg, offen zu. Man sei jetzt noch dabei, den Jahrgang 2009 abzuarbeiten — dabei müsste eigentlich schon der 2010er kurz vor dem Abschluss stehen. „Wir haben einfach zu wenig Personal.“ Nicht besser sieht es in Würzburg, Bamberg oder Regensburg aus, überall die gleiche Klage: zu wenig Leute für zu viel Arbeit — keine Chance.
Tatsächlich reicht es nicht, wenn ein Prüfer mal eben mit dem Messbecher in der Hand zwei Liter Sprit an der Tanke zapft. Beschaffenheitsprüfung, messtechnische Prüfung mit hoher und niedriger Fließgeschwindigkeit: Der Gesetzgeber weiß, wie sensibel das Thema ist und hat daher reichlich Vorschriften erlassen. Macht bei leicht über 30 Schläuchen pro Tankstelle im Schnitt eine Station am Tag, die geeicht werden kann.
21 Mitarbeiter zählt das Eichamt Nürnberg. Die müssen sich aber auch noch um Waagen jeder Art oder Abgasmessgeräte kümmern. Und an eiskalten Wintertagen geht ohnehin nichts, da Minusgrade die Messergebnisse verzerren. Bei 450 Tankstellen zwischen Ansbach und Amberg — so weit reicht das Zuständigkeitsgebiet — braucht man kein Mathe-Diplom, um zu ahnen: Das wird eng.
Die Situation sei natürlich unbefriedigend, so Syha. „Wir verwalten den Mangel.“ Die Pächter erhalten sogar schriftlich, dass sie keine Schuld trifft. „Wir haben das mal ausgerechnet: Vier Leute bräuchten wir mehr, um all unsere Aufgaben zu erfüllen.“ Das Landesamt für Maß und Gewicht sei längst informiert.
Kein Spielraum für neue Stellen
Dessen Leiter Thomas Weberpals aber winkt ab: „Ich muss bei der Regierung schon hart kämpfen, frei werdende Stellen neu zu besetzen.“ Mehr Personal werde es nicht geben — und das sei im Prinzip auch richtig so. Das zuständige Wirtschaftsministerium weiß er dabei hinter sich. „Bei der aktuellen Personalsituation besteht kein Anlass zu der Annahme, dass die Überwachung nicht höchst korrekt laufen würde“, so eine Ministeriumssprecherin.
„Wir werden — wie jede Behörde — sogar weiter schrumpfen müssen. Das verlangt der Staatshaushalt“, glaubt Weberpals. Klar bräuchte man statt der aktuell 250 Mitarbeiter bayernweit 40 mehr, um alles immer pünktlich prüfen zu können. Doch das Problem sei nicht die zu geringe Zahl der Mitarbeiter, sondern die zu große Zahl der Aufgaben, sagt Weberpals.
„Als die Personalentwicklung Anfang der 90er Jahre beschlossen wurde, sollte im Gegenzug das Eichgesetz geändert werden, indem zum Beispiel Bereiche privatisiert werden.“ Dem müssten allerdings alle 16 Bundesländer und der Bund zustimmen. „Daran sind bisher alle Anläufe gescheitert. Am nächsten Versuch arbeiten wir gerade.“ In zwei Jahren könne es so weit sein.
20 oder 30 Prozent sind nicht zu viel
So recht verstehen will der Landesamts-Leiter die Aufregung eh nicht: „Wenn vielleicht 20 bis 30 Prozent der Zapfsäulen nicht geprüft sind, dann ist das doch ein beispielhaft guter Wert“, findet Weberpals. Und an die Leiter seiner Eichämter gerichtet: „Schlaflose Nächte gehören dazu, das muss man durchhalten. Da muss man halt kreative Lösungen finden. Dafür ist man Amtsleiter.“ Bei den Angesprochenen sorgt das freilich für Kopfschütteln. „Wir tun unser Bestes. Aber wir können nicht zaubern“, kontert Günther Jeschke, Chef der Behörde in Bamberg.
Um wie viel Sprit Verbraucher oder umgekehrt der Pächter durch ungeeichte Zapfsäulen bislang gebracht worden sind, lässt sich schwer sagen — es wird ja nicht geprüft. Wenn das Eichamt dann doch anrückt, liegt die Durchfallquote im Schnitt im einstelligen Prozentbereich. „Ich mache mir da keine Sorgen“, gibt sich Weberpals demonstrativ gelassen.
Tankstellen-Lobbyist Friedl beruhigt das nicht: „Ein Bauchgefühl, dass schon alles passt, ist zu wenig. Die sollen halt endlich Leute einstellen.“