Frisch verpackt: Der Plastikwahn im Gemüseregal hält an
24.10.2017, 15:18 UhrEin ganz normaler Nachmittag in einem Supermarkt. Frauen und Männer schlendern durch die Abteilung mit Obst und Gemüse. Manche Kunden sind ausgesprochen wählerisch: Jede einzelne Tomate, Aubergine, Gurke wird begutachtet und gedrückt, bevor sie im Einkaufskorb landet – oder in die Kiste zurückgelegt wird. Die Grapscherei hinterlässt Dellen in der Ware, sie verdirbt schneller. Das Deutsche Verpackungsinstitut wirft die Frage auf, was schlimmer sei: der Schaden durch verdorbene, weggeworfene Nahrung oder durch die schützende Verpackung.
"Eine der wichtigsten Aufgaben von Verpackungen ist es, Haltbarkeit sicherzustellen. Damit wird die Lebensmittelverschwendung in unserer Gesellschaft erheblich reduziert", sagt Geschäftsführer Winfried Batzke. Und das deutsche Verpackungsgesetz hebt ebenfalls ab auf den Schutz beim Transport der Artikel. Auch Hygiene ist ein Thema. Denn durch das Anfassen kommen Keime auf die Lebensmittel.
Nur Ebl nimmt es lose
Peter Höfler kennt und versteht diese Argumente. Einerseits. Auf der anderen Seite sieht der Bio-Bauer aus dem Knoblauchsland, dass seinem Familienbetrieb Mehrarbeit aufgebürdet wird. "Wir verpacken unsere Tomaten und Gurken notgedrungen", sagt er. Edeka, Rewe und Norma verlangten die Ware verpackt, "anders wäre es uns lieber, wir würden viel Geld und Zeit sparen. Mit dem Verpacken tun wir die Arbeit der Supermärkte." Damit meint er das Wiegen und Verpacken in Kartonschalen und Plastik — kostensparend ausgelagert aus dem Lebensmitteleinzelhandel. Doch es gibt Ausnahmen, die Bio-Märkte von Ebl gehören dazu.
Was Höfler wiederum versteht, ist, dass es mit der Unterscheidung seiner Bio-Tomaten von konventionell erzeugten schwierig würde. Genauso ist es, findet Florian Wolz, Geschäftsführer der Genossenschaft Franken-Gemüse in Nürnberg. "Der Verbraucher schätzt Regionalität oder bio – wenn er es zielsicher erkennen kann. Er will sich sicher sein, dass er bio kauft. Und das geht meist nur mit Verpackung." Dann die Kennzeichnung: Inhalt, Gewicht, Herkunft, Preis, Verpackungsdatum, Bio-Siegel – all diese Informationen passen eben nicht auf eine Tomate.
"Es gibt beides"
Uwe Werner vom Handelsverband HDE Mittelfranken kann die Zahlen des Naturschutzbundes Nabu nicht bestätigen, wonach der Kunststoffbedarf für vorverpacktes Obst zwischen 2000 und 2014 um 78 Prozent zugenommen habe, der für Gemüse sogar um 164 Prozent, den größten Anteil machten Tomaten aus.
Denkbar sei auch die Erklärung, dass die Verpackungseinheiten kleiner geworden sind, seitdem es mehr Single- und Zwei-Personenhaushalte gibt. Letztlich aber entscheide der Verbraucher selbst, ob er lose oder verpackte Frischware kauft. Werner: "Es gibt beides." Er verstehe jedoch auch die Kunden, die nicht die Tomate wollen, "auf der jemand anderes herumgeknietscht hat, und auf der man noch dessen Fingernagelabdruck sieht".
Der Unterschied muss erkennbar bleiben
Die Handelskette Norma mit Sitz in Fürth erklärt auf Anfrage, das Unternehmen sei bestrebt, bei Obst und Gemüse die losen Sortimente kontinuierlich auszubauen. Dies gehe damit einher, dass der Einsatz von Verpackungsmaterialien wie Kunststoffen so weit wie möglich reduziert werde. Aber immer funktioniere das nicht.
Denn neben konventionell erzeugten Lebensmitteln liege die Bio-Ware. So weist Norma darauf hin, dass der Unterschied zwischen konventionellem Obst und Gemüse einerseits und Bio-Ware andererseits stets erkennbar sein muss. Dazu verpflichte der Gesetzgeber alle Händler. "In unseren Logistikzentren und im Verkauf muss beides klar unterscheidbar sein, damit eine Verwechslung ausgeschlossen bleibt."
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