Geisterspiele treffen viele Branchen in Franken schwer
30.1.2021, 10:51 Uhr
Die Vereine: Ticketverkäufe sind die Haupteinnahmequelle der Klubs in der Deutschen Eishockey Liga. Den Ice Tigers, dem Profiteam aus Nürnberg, fehlen 3,5 Millionen Euro, das ist fast die Hälfte des jährlichen Budgets. Diese Summe nimmt der Verein pro Saison ein, wenn er vor Zuschauern spielt. Eine Kompensation gab es dafür ansatzweise: Der Verein erhielt 800.000 Euro aus dem Profisport-Fördertopf des Staats. Damit die Ice Tigers in dieser verkürzten Spielzeit überhaupt aufs Eis können, haben Spieler auf bis zu 60 Prozent ihres Gehalts verzichtet.
Nicht nur im Eishockey ist die Lage angespannt. Auch bei den beiden Profi-Fußballvereinen der Region gibt es Probleme. „Wir können die wirtschaftlichen Folgen nicht final beziffern, weil es bei dieser Rechnung noch zu viele Unbekannte gibt. Wir reden aber in jeden Fall von einer Summe im siebenstelligen Bereich“, sagt Holger Schwiewagner, einer der beiden Geschäftsführer der SpVgg Greuther Fürth. Dies mit Geisterspielen zu kompensieren, ist nicht möglich. „Wir haben sehr viele großartige Partner und Dauerkartenbesitzer an unserer Seite, die uns in dieser schweren Phase unterstützen. Zumal es ja allen im Moment so geht, kaum eine Branche hat nicht mit Auswirkungen zu kämpfen und so stehen wir gemeinsam vor der großen wirtschaftliche Herausforderung unserer Zeit“, sagt Schwiewagner.Um die angespannte Lage zu überbrücken, verzichten auch bei der SpVgg Spieler auf Geld, ebenso die Kicker beim 1.FC Nürnberg. Auch die Profis aus Nürnberg kämpfen mit deutlichen Einbußen, wie beispielsweise bei den Spielerträgen. Die lagen 2019/2020 bei 8,8 Millionen Euro. Ohne vier Geisterspiele wären es 10,5 Millionen gewesen.
Die Sicherheit: Die Pandemie zwang Marco Rizzoli, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Normalerweise beschäftigt Rizzoli, Geschäftsführer bei B.O.S. Franken Security, 600 Mitarbeiter. Die meisten davon sind 450-Euro-Kräfte. Ohne Veranstaltungen fehlte ihnen von jetzt auf gleich die Arbeitsgrundlage. Jedes Jahr habe er rund 400 Sportveranstaltungen im Kalender stehen, sagt Rizzoli. Mit Konzerten und Festivals komme er auf 2000 Events. „Durch die Corona-Krise sind mir 40 bis 50 Prozent an Umsatz weggebrochen.“ Er lebe momentan von Ersparnissen, von Geld, das für schlechte Zeiten zurückgelegt worden sei. Viele seiner Mitarbeiter konnte er im Laufe der vergangenen Monate allerdings wieder engagieren. Sie kontrollierten in Supermärkten oder Bankfilialen, ob Kunden einen Mund-Nasen-Schutz trugen oder Abstand hielten. „Wir hoffen, dass im Sommer Veranstaltungen stattfinden können. Bis dahin müssen wir die Zeit überbrücken.“
Das Catering: Wenn Tatjana Ferdin derzeit durch die Geschäftsräume läuft, ist es unheimlich still. Auch im Lockdown kommt sie regelmäßig ins Büro, öffnet die Post, kümmert sich um den Papierkram. Viel mehr gibt es allerdings nicht zu tun. Ferdin leitet den gleichnamigen Caterer, der Logen-Gäste und Publikum in der Arena, aber auch Sportler, Schiedsrichter oder die Show-Stars kulinarisch versorgt. 250 Aushilfen und 23 Festangestellte sorgen normalerweise für einen reibungslosen Ablauf. „Die Aushilfe pausieren komplett“, sagt Ferdin. Momentan hält sie die Firma mit Staatshilfen, Kurzarbeit und Erspartem am Leben. „Was die Pandemie mit der Psyche macht, ist gravierend“, sagt die Geschäftsfrau, „das macht einem zu schaffen.“ Vor allem dann, wenn der Job einem unheimlich viel Spaß mache und man ohne eigenes Verschulden so ausgebremst werde.
Corona: Diese Unternehmen fielen den Lockdowns zum Opfer
Die Technik: Der 24.Februar 2020 hat sich ins Gedächtnis von Norbert Billmann eingebrannt. Zwei Lkw, vollgepackt mit modernster Technik, standen auf dem Parkplatz vor einer Halle in Frankfurt. Ein Mitarbeiter rief Billmann an und berichtete ihm von der Absage der Veranstaltung. Es sollte nicht der letzte Anruf dieser Art gewesen sein. Innerhalb von 96 Stunden hatte Billmann keine Aufträge mehr. „Ich habe eine Woche gebraucht, bis ich verstanden habe, was passiert ist.“ Der 50-Jährige führt die Geschäfte von „Billmann-Event“, einem Nürnberger Unternehmen für Veranstaltungs-Technik mit knapp 50 Mitarbeitern. Die Hälfte davon ist in Kurzarbeit. Durch die Geisterspiele im Stadion haben wenigstens ein paar eine Beschäftigung. „Techniker fallen bei Events nicht wirklich auf und sind nun auch in der Krise nicht wirklich sichtbar“, ärgert sich Billmann und beklagt bürokratische Hürden und die Berechnungsgrundlage der Corona-Hilfen: „Es wird nur der Umsatz berechnet. Der stellt nichts dar. Unterm Strich geht es doch um den Ertrag.“ Billmann treibt, wie viele andere auch, die Frage um, wie es weitergehen soll. Durchhalten? „Uns bleibt nichts anderes übrig. Obwohl ich Floskeln zum Durchhalten nicht mehr hören kann.“
Das Stadion: Dass die Fußballprofis trotz Pandemie spielen dürfen, ist für Alfred Diesner ein Glück. Der Geschäftsführer des Max-Morlock-Stadions kann zumindest einen eingeschränkten Umsatz verbuchen. Ansonsten fehlen rund 50 Prozent der Einnahmen aus Vermietungen.
Staatshilfen erhält die Betriebs-GmbH nicht. Schließlich erwirtschaftet sie Umsätze. Sieben Mitarbeiter beschäftigt Diesner, die sind zur Hälfte in Kurzarbeit. Im Spätsommer wurden zwei Heimspiele vor Publikum ausgetragen. „Normalerweise habe ich keine Zeit, mich auf die Tribüne zu setzen“, sagt Diesner, aber im vergangenen Sommer habe er es einmal für ein paar Minuten gemacht. „Es hat sich wie ein Stück Normalität angefühlt“, erinnert er sich. Schnell holten ihn jedoch die Zahlen ein. Denn je länger im Stadion Geisterspiele ausgetragen werden, desto höher wird das Defizit. „Der Club dämpft die Verluste ein wenig“, sagt Diesner, „aber das Stadion wird älter, die Kosten für den Unterhalt steigen.“ Für nötige Renovierungsarbeiten müsste eigentlich jetzt Geld beiseite gelegt werden.
Die Aushilfen: Geld für die Zukunft zurücklegen ist auch für viele Aushilfen, die bei Veranstaltungen jobben, schwer möglich. Frank Kraus bediente bis zum ersten Lockdown im Frühjahr 2020 VIPS. Der Restaurantfachmann kam vor 17 Jahren zum Caterer Ferdin, eher zufällig und nicht wegen des Geldes, wie er erzählt. „Ich mag die Atmosphäre bei Spielen oder Konzerten, man lernt tolle Menschen kennen. Außerdem sind wir ein super Team.“ Dieses Team gibt es seit fast einem Jahr nicht mehr. „Ich vermisse meine Kollegen. Vielen geht es momentan nicht gut. Sie haben Existenzängste“, sagt Kraus. Er arbeitet derzeit in der Lebensmittelindustrie auf 450-Euro-Basis und ist dankbar, dass er dort untergekommen ist. Mit den Kollegen tauscht er über WhatsApp Nachrichten aus. „Wir fragen uns ständig, wann es wieder losgeht.“
Die Arena: Das fragt sich auch Jürgen Fottner. Sein letztes Eishockeyspiel in einer voll besetzten Halle sah er am 8. März 2020. Eine Woche später hätte an gleicher Stelle Schlagerstar Andrea Berg auftreten sollen. Das Konzert war das erste, das wegen Corona abgesagt werden musste. „Anfang März hatte man noch die leise Hoffnung, dass es bald weitergeht“, sagt Fottner, seit 2013 Geschäftsführer der Arena Nürnberger Versicherung. Dass die Halle seit Monaten für Besucher gesperrt ist, hätten er und seine 25 Mitarbeiter sich vor zehn Monaten nicht vorstellen können. Fottner fehlen nicht nur Einnahmen aus Sportveranstaltungen. Ihn treffen die Verschiebungen und Absagen von Konzerten und Shows schwer. Rund 100 Veranstaltungen gibt es jedes Jahr in der Arena, 45 Prozent davon entfallen auf den Sport. „Im Winter ist der Umsatz um 80 Prozent eingebrochen“, sagt Fottner. Staatliche Hilfen bekommt die Arena nicht, weil sie zu einem Konzern gehört, der sein Geld nicht ausschließlich mit Konzerten verdient. „Ich lebe eigentlich auf Pump. Wir schreiben ein sechsstelliges Minus pro Monat.“ In der Verwaltung musste Fottner die Mitarbeiter mit bis zu 80 Prozent in Kurzarbeit schicken. Wann sie wieder voll eingesetzt werden? „Ich weiß es nicht. Unser Lichtblick ist die Impfung. Und dann sind hoffentlich alle Dienstleister wieder mit dabei.“
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