Herzensangelegenheiten als Geschäftsmodell
26.07.2013, 00:00 Uhr
Manchmal kann schon der morgendliche Blick ins E-Mail-Postfach glücklich machen. „Mann in einem Elektronik-Markt konnte das Leben gerettet werden!“, heißt es diesmal in dem Schreiben eines Geschäftspartners. Zwar steht auf dem Defibrillator, der das Herz des Leblosen durch elektrische Impulse wieder zum Schlagen gebracht hat, ein anderer Firmenname. Doch Jennifer Sautter, Vertriebsleiterin des Erlanger Unternehmens Corscience, weiß: Die Technik in dem Gerät stammt von ihrem Arbeitgeber.

Dass in den über drei Stockwerke verteilten Büros an lebensrettenden Technologien getrüffelt wird, erahnen Besucher zunächst nicht. Hier betrachtet ein junger Informatiker Algorithmen auf dem Computer, da lötet ein Ingenieur an einer Platine. Nur der Blick auf die Büronamen führt auf die Spur dessen, woran die mittlerweile 55 Angestellten des 2001 gegründeten Unternehmens arbeiten. Es gibt einen Raum Sinusknoten, ein Büro Vorhof — oder trifft man sich auf einen Kaffee im Zimmer Ventrikel?
„Wir haben uns, wie der Firmenname nahelegt, auf Herzensangelegenheiten spezialisiert“, sagt die gelernte Elektrotechnikerin Sautter. Ihren Chef, Armin Bolz, kennt sie noch aus Studienzeiten an der Universität Karlsruhe, wo der Medizintechnik-Experte einer ihrer Dozenten war. Irgendwann habe diesem die Lehre allein nicht mehr genügt, er wollte selbst Produkte entwickeln.
Hilfe in Horrorsituation
Seinen Anfang nahm dieser Plan mit vier Leuten, die Technologie von EKG-Geräten war von Beginn an der Schwerpunkt des Unternehmens. Heute ist Corscience in rund 15 Ländern aktiv, zu ihren Kunden gehören Firmen wie Zeiss, Drägerwerk oder Siemens. Teils verkauft Corscience auch unter eigenem Namen. Zum Portfolio gehören Profigeräte, mit denen der Notarzt anrückt, ebenso wie einfachere Defibrillatoren, die auch der Laie im Supermarkt oder Bahnhof benutzen kann.
Eines der Prestigeprojekte der Firma ist nur so groß wie ein Zwei-Euro-Stück. Doch es kann Ersthelfern wichtige Dienste erweisen. Für die meisten ist es eine Horrorvorstellung, an einen Unfallort zu kommen und dort einen Menschen vorzufinden, der leblos am Boden liegt. Was tun? Ist er nur bewusstlos oder muss er per Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung wiederbelebt werden? Lasse ich nicht lieber die Finger von ihm und warte auf den Notarzt? Nein, so die Meinung der Corscience-Crew. Denn das Schlimmste, was man tun könne, sei nichts zu tun. Um Ersthelfern Hilfestellung zu leisten, hat sie den sogenannten „CPR-Check“ entwickelt.
Das kleine Gerät wird mit einem Klebestreifen an den Hals angelegt und erfasst via Sensortechnik Puls und Atmung des Kollabierten. Leuchtet daraufhin ein grünes Lämpchen auf, kann der Ersthelfer durchatmen. Nur wenn ein rotes Licht erscheint, muss er tätig werden. Irgendwann, so wünscht sich Armin Bolz, soll das Gerät zur Standardausrüstung von Erste-Hilfe-Kästen im Auto gehören. Doch bislang liegt der Preis aufgrund der geringen Stückzahl bei rund 250€ pro Stück. Deshalb beschränkt sich der derzeitige Kundenkreis überwiegend auf Sanitäter, THW- oder Feuerwehrler. Denn auch die, so Sautter, bräuchten mitunter Unterstützung in solchen Extremsituationen.
Im vergangenen Jahr hat Corscience einen Umsatz von 6,3 Mio. € gemacht, heuer strebt die Firma gut sieben Mio. € an. Produzieren lässt das Unternehmen vorwiegend in Deutschland. China lohne sich aufgrund der geringen Stückzahlen nicht — außerdem, so Sautter, sei „Made in Germany“ noch immer ein wichtiges Verkaufsargument. Besonders bei Produkten, die Leben retten können.
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