IG-Metaller Horst Klaus: Gewerkschaft und Friedenskampf als große Leidenschaft
11.8.2010, 17:29 UhrSeine frisch angetraute Ehefrau Ilse und die Hochzeitsgäste mussten warten: Der Horst musste zur Streikkundgebung am Hans-Sachs-Platz. Er war eingeteilt, und man konnte sich auf ihn verlassen. Es war der 19. August 1954, die Zeit des großen Metallarbeiterstreiks. Gefeiert wurde später.
Geboren wurde Horst Klaus am 13. Mai 1930 in Bertelsdorf in Schlesien. Seine Eltern waren Textilarbeiter, in der Taschentuchfertigung — und gewerkschaftlich organisiert. Der Junge begann im April 1944 eine Mechanikerlehre, die aber Mitte Februar 1945 mit der Flucht aus Schlesien abrupt endete. 1946 bis 1948 setzte er die Ausbildung zum Maschinenschlosser in einem Schweinauer Betrieb fort.
Dort kam Klaus endgültig zur Gewerkschaft — nach einem Konflikt mit dem Vorgesetzten. „Es ging um Schuhe“, erinnert sich Klaus. Mit selbst gemachten musste er zur Arbeit laufen. Endlich gab es Bezugsscheine. Doch die Läden hatten nur am Samstag geöffnet. Doch der Meister wollte den jungen Lehrling nicht hingehen lassen: Am Samstag wird gearbeitet, war sein Argument.
Nach der Schicht die Jugendarbeit
Beschäftigung fand Klaus dann als Zahnrad- und Gewindefräser im Fahrzeugbau bei den Triumph-Werken. Parallel dazu besuchte er vier Jahre die Abendkurse an der Betriebsfachschule für Maschinenbau und Elektrotechnik, mit dem Abschluss als Betriebstechniker. Klaus erzählt: „Das ging von 18.30 bis 21.30 Uhr, und so kam ich rechtzeitig bis 22 Uhr zur Spätschicht. An anderen Tagen musste ich von 6 Uhr bis 14 Uhr arbeiten — danach konnte ich Jugendarbeit für die Gewerkschaft machen.“
Der Gewerkschaftsjugend galt stets seine besondere Aufmerksamkeit. Bald wurde Klaus in den betrieblichen Jugendausschuss gewählt: „Die Sozis haben gesagt, da musst du rein, damit nicht alle Kommunisten sind.“ Im Sommer 1953 fuhren Mitglieder des Jugendchors und der Triumph-Jugendgruppe dann nach St. Gilgen am Wolfgangsee. Die Mädchen schliefen in der Garage des Wirts, die Jungen in „Ami-Zelten“ im Freien. Dass das Wetter miserabel war, störte wenig.
1949 wurde Klaus erstmals gefragt, ob er nicht Streikposten spielen wolle. „Das war überhaupt keine Frage.“ Die zwei großen Bayern-Streiks im Metallgewerbe hat Klaus schließlich aktiv mitgestaltet.
Zugleich begann sein politischer Einsatz: „Von Jugend an war ich gegen Krieg.“ Klaus wurde in Nürnberg weit über die Gewerkschaft hinaus als Organisator der Ostermärsche bekannt. 1960 fuhr er als einer von sechs jungen Metallern aus Deutschland zum Ostermarsch nach London. Das war für ihn „ein ungeheures Erlebnis“.
Krach um den Krefelder Appell
1961 brach der erste Ostermarsch in Franken auf. Von Weißenburg über Roth nach Nürnberg führte die Tour. Klaus: „Es war den rund 50 Teilnehmern polizeilich verboten, auf Bundes- oder Staatsstraßen zu marschieren.“ Zwischen die Mühlsteine geriet Klaus, bildlich gesprochen, wegen des „Krefelder Appells“ — des Aufrufs der Friedensbewegung an die Bundesregierung, die Zustimmung zur Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa zurückzuziehen. Dem DGB war der Appell suspekt, und auch in der IG Metall war er umstritten. Klaus aber ließ die Unterstützung in Nürnberg zu.
Was war der größte Erfolg während seiner aktiven Zeit? Klaus: „Das war die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche.“ Und was war das Unerfreulichste? „Alles, was mit der Treuhandanstalt in Berlin zusammenhing.“ Dort war er von Ende November 1990 bis Oktober 1992 Gewerkschaftsvertreter im Verwaltungsrat.
Seiten füllt die Aufzählung seiner Funktionen — innerhalb der Gewerkschaft, als Mitglied von Aufsichtsräten und auch in der SPD. 1976 nahm er sogar das Amt des zweiten Vorsitzenden im SPD-Unterbezirksvorstand an. Dabei hatten ihn 1968 Parteimitglieder einmal ausschließen wollen. Gegner hängten Klaus (ohne Erfolg) ein Parteiordnungsverfahren wegen einer Kundgebung des Kuratoriums gegen die Notstandsgesetze anlässlich des Bundesparteitags der SPD in der Nürnberger Meistersingerhalle an.
Im Strukturwandel
Ende der 70er und zu Beginn der 80er Jahre nahm Klaus die Auseinandersetzungen um den Strukturwandel in Nürnberg mit der Kampagne „Stirbt die Nürnberger Metallindustrie“ auf. Im September 1974 wurde er als ehrenamtliches Mitglied in den IG Metall-Vorstand berufen. 1983 wechselte Klaus als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Gewerkschaft ganz von Nürnberg nach Frankfurt. In Gerd Lobodda fand er einen nicht weniger engagierten Nachfolger.
In Frankfurt war Klaus für Betriebsräte, die Mitbestimmung, die Jugend und Vertrauensleute zuständig. Die internationale Arbeit führte ihn bis nach Washington, Moskau und Tokio. Eingestiegen war Klaus in diese Arbeit 1954 bei einem deutsch-französischen Jugend-Kulturaustausch in Annecy.