Interview: Puma-Chef Gulden über Nachhaltigkeit, Fußball und Corona

14.9.2020, 06:00 Uhr
Es heute etwas besser zu machen als gestern - das ist der Anspruch von Puma-Chef Björn Gulden, auch an sich selbst. Seit sieben Jahren steht der 55-Jährige an der Spitze der Nummer drei der Sportartikelbranche.  

© Christoph Maderer/ PUMA Es heute etwas besser zu machen als gestern - das ist der Anspruch von Puma-Chef Björn Gulden, auch an sich selbst. Seit sieben Jahren steht der 55-Jährige an der Spitze der Nummer drei der Sportartikelbranche.  

Herr Gulden, wie nachhaltig sieht es eigentlich im Kleiderschrank des Puma-Chefs aus?

Björn Gulden: In meinem Kleiderschrank sind fast nur Puma-Produkte und ich glaube, zwei Anzüge – einer für Beerdigungen und einer für Hochzeiten. Wie nachhaltig die sind, weiß ich nicht. Insgesamt habe ich aber viel zu viel Kleidung und Schuhe – so gesehen ist das nicht nachhaltig. Allerdings trage ich nur Puma-Produkte. Das wiederum ist nachhaltig.

Aus Bio-Baumwolle?
Gulden: Nachhaltigkeit ist bei uns ein Grundwert. Alle Produkte, die wir machen, sollen so gut gemacht werden wie möglich – nach sozialen, Sicherheits- und Gesundheitsaspekten sowie Umweltfaktoren. Und da haben wir mit der Marke, glaube ich, einen guten Job gemacht. Bei den Produkten selbst ist es so, dass mittlerweile über 80 Prozent der Baumwolle aus der Better-Cotton-Initiative BCI stammen und wir 90 Prozent zertifiziertes Polyester verwenden. Und wir haben angefangen, Schuhe ohne Kleber herzustellen. Diese nachhaltigeren Materialien sind für uns leichter zu beschaffen, je mehr von diesen Produkten nachgefragt werden. Wir haben aber bisher nicht so viel über Nachhaltigkeit in unseren Produkten geredet, weil es selbstverständlich sein sollte.

Aber es war ja ein Problem, dass Puma nicht genügend darüber geredet hat.
Gulden: Puma hat sehr früh sehr viel darüber geredet – noch vor meiner Zeit. Aber die Produkte, die wir damals gemacht haben, waren nicht schön oder cool. Und die Nachfrage bei den Konsumenten war nicht vorhanden. Als die Nachfrage aber jetzt kam, weil sich gerade die jungen Konsumenten mehr mit Nachhaltigkeit beschäftigten, haben wir wahrscheinlich zu wenig darüber gesprochen. Das stimmt. Aber ich liefere lieber zuerst und rede später darüber, als umgekehrt.

Wie schafft man in einer schnelllebigen Zeit noch nachhaltige Kauferlebnisse?
Gulden: Der wachsende Kanal in den vergangenen vier Monaten war E-Commerce. Das Schöne dabei ist: Wenn der Kunde Zeit mitbringt, kann man ihm im Netz unfassbar viele Informationen geben. Mein Gefühl ist, dass die Menschen mehr Zeit am Computer verbracht haben als vor der Corona-Krise. Wenn du eine gute Story hast, wie etwa Nachhaltigkeit, hast du online auch die Möglichkeit, die Leute dazu zu bringen, sich mehr damit zu beschäftigen.


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Sie scheinen ja nicht nur in der Corona-Krise viel richtig gemacht zu haben, sondern schon seit Ihrem Amtsantritt 2013. Was waren denn die nachhaltigsten Entscheidungen, damit Puma die Corona-Krise nicht um die Ohren geflogen ist?
Gulden: Puma war und ist eine Firma mit einer Supergeschichte. Dass der Konzern 2013 in Schieflage geraten ist, war die Summe vieler Dinge. Ich glaube aber, wenn jemand anderes als ich gekommen wäre, hätte er nicht viel anders gemacht. Der Schlüssel war, dass man von den Eigentümern die Erlaubnis hatte, etwas zu tun, das mittel- bis langfristig angelegt ist. Du musst in diese Branche investieren – dafür braucht man Geld und Ressourcen. Wenn du aber sehr schnell Gewinne einfahren willst, geht man ein großes Risiko ein. Wir haben Schritt für Schritt gemacht, was notwendig war. Ich habe gar nicht so viel gemacht, wie die Leute denken. Mehr in den Markt zu investieren, bessere Produkte zu machen und mittels flacherer Hierarchien schneller zu entscheiden, ist ja kein Hokuspokus.

Gibt es einen USP – einen Unique Selling Point – der Sie ausmacht?
Gulden: Wenn du so ein Glück hast, dass du in dieser Branche dein ganzes Leben – erst als Profi-Sportler und dann als Manager – verbringen kannst, ist das kein Job, sondern dein Leben. Ich glaube auch nicht, dass man hervorragend sein kann, wenn man sich mit 20 Jahren das Ziel setzt, CEO von Puma oder Nike zu werden. Aber wenn du diese Branche lebst, kommt das ganz natürlich. Ich weiß nicht, wie ich das anders erklären soll.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit beim Führen?
Gulden: Deine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Leute eine Umgebung haben, in der sie zufrieden sind. Langfristig hervorragend zu sein, funktioniert nur mit zufriedenen Leuten. Aber wenn man versucht, alle zufrieden zu stellen, wird man wahnsinnig. Vielleicht weil ich Norweger und so viel in der Welt herumgekommen bin, verstehe ich, dass ein Chinese anders tickt als ein Amerikaner und der anders als ein Deutscher. Das versuche ich immer zu erklären. Und ich glaube, mit einer gewissen Erfahrung bekommt man auch nicht gleich Panik, wenn etwas nicht Ordnung ist. Nachhaltig ist, dass ich weiß, dass ich nur eine gewisse Zeit hier bin. Meine Aufgabe ist es also, eine Grundlage zu schaffen, auf der die nächste Generation die Firma weiterentwickeln kann.


Ist das das Geheimnis? Dass man als Skandinavier per se entspannter ist?
Gulden: Das ist eher eine gewisse Lebenserfahrung und eben nicht der Anspruch, alles perfekt machen zu wollen. Es geht darum, es heute besser zu machen als gestern. Und wenn es um den Umgang mit Menschen geht, habe ich im Sport mehr gelernt als in der Schule. Wenn du in einer Fußball-Mannschaft spielst, spielst du in einem Team und musst gewinnen. Innerhalb des Teams sind nicht alle Freunde, glaube mir. Manche sind besser, manche schlechter, manche mag man, manche nicht – aber man ist abhängig von allen, um Erfolg zu haben. Und das spiegelt ein bisschen wider, wie es in einer Firma zugeht.

Wie viel Instinkt ist beim Führen dabei?
Gulden: 100 Prozent. Ich habe das Glück, dass ich Management und Finance studiert habe. Wenn man die Zahlen versteht, kann Dir keiner was vormachen. Die Zahlen sind aber nur das Ergebnis dessen, was du tust. Wenn ich will, dass du etwas kaufst, kann ich das analysieren und ein Designer kann nach Fakten designen, aber die meisten schönen Produkte kommen aus Erfahrung und Instinkt. Der Umgang mit Menschen basiert auf Instinkt. Ich glaube auch nicht an Künstliche Intelligenz, die dir sagt, was du tun sollst. Das ist dann die Generation nach mir.

Wie gelingt es denn gleichzeitig, Investoren nachhaltig zufrieden zustellen?
Gulden: Investoren stecken Geld in etwas, von dem sie verhältnismäßig wenig wissen. Da geht in es der Hauptsache um Vertrauen. Ich habe immer versucht – egal, wo ich war – die Wahrheit zu erzählen und dann ein bisschen mehr abzuliefern als das, was ich vorher versprochen hatte. Immer. Aber es ist auch wichtig, frühzeitig zu kommunizieren, wenn etwas schlecht läuft. Ich finde, Gespräche mit Investoren immer interessant und ich mag es, wenn sie mir viele Fragen stellen. Dann weiß ich, dieses Wissen ist für sie relevant.

Wie erholt man sich denn als Manager nachhaltig, gerade in der Corona-Zeit?
Gulden: Ich kann mit physischem Stress gut umgehen. Normalerweise reise ich die Hälfte meiner Zeit und da gibt es sehr viel Zeitverschwendung – am Flughafen, im Flieger. So viel Zeit wie jetzt hatte ich also noch nie. Ich habe jeden Morgen meinen Sport gemacht, Langlauf auf Rollskiern. Und kein Auto war unterwegs. Es war also nicht stressig.


Apropos: Puma sponsert auch Motorsport. Das ist jetzt nicht so nachhaltig...
Gulden: Viele nachhaltige Innovationen der Branche kommen aus dem Motorsport. Die Formel I ist ja der Sport, wo man versucht, mit möglichst geringem Verbrauch die größte Leistung zu erzielen – eine Entwicklung, die auch auf die normalen Straßenfahrzeuge übertragen wird. Das gleiche gilt für DTM-Motoren. Wenn E-Motoren die Zukunft sind, wird die Formel-I irgendwann nur mit E-Motoren fahren. Für unseren Fuhrpark hier in Herzogenaurach haben wir jetzt das erste Wasserstoff-Auto gekauft – ein Hyundai für rund 70.000 Euro.

Nachdem die Etats lange nur in große Fußball-Teams gesteckt wurden, ist Puma auch wieder zurückgekehrt zu kleineren Vereinen wie dem Zweitligisten Greuther Fürth, mit Lok Leipzig sogar in die Regionalliga. Ein nachhaltiger Trend?
Gulden: Wir haben immer auch lokale und kleine Mannschaften unterstützt, nur darüber spricht man nicht so viel. Natürlich brauchen wir globale, international bekannte Partner. Man braucht aber auch etwas, das vor Ort relevant ist. Es geht darum, zwischen beidem die Balance zu finden.

Aber es lohnt sich auch, wieder in die kleineren Vereine zu investieren?
Gulden: Das ist eine Pyramide. Zum einen investiert man viel Geld in Top-Vereine – und damit in die Glaubwürdigkeit der Marke. Und unten an der Pyramide geht man in die breite Sichtbarkeit. Jedes Investment, das man macht, soll sich ja lohnen. Aber man kann auch nicht alles berechnen. Da geht es wieder um Instinkt. Je mehr Leute in Puma-Produkten Sport machen, um so mehr Sichtbarkeit haben wir. Über längere Zeit zahlt sich das aus. Mir wäre am liebsten, alle machen Sport in Puma-Produkten. Aber davon sind wir noch ein Stück weit weg.


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Was war der Grund, bei Greuther Fürth einzusteigen?
Gulden: Eigentlich sollten Fürth und Nürnberg in lokalen Marken spielen. Dass es nicht so ist, dafür gibt es Gründe. Jetzt hat es gut gepasst. Fürth kam auf den Markt und wir haben zugegriffen.

Welche nachhaltigen Trends sehen Sie noch auf die Branche zukommen?
Gulden: Es wird viel mehr nachhaltige Materialien geben. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass aus Pflanzen und Rohstoffen, die wir heute noch gar nicht kennen, nachhaltige Materialien kommen werden. Es wird auch die Zukunft sein, dass ein Produkt wieder verschwindet, ohne Schaden zu hinterlassen. Da wird viel passieren.

Kompostierbare Sportschuhe?
Gulden: Die Technologien dafür gibt es schon, aber noch nicht für den Massenmarkt. Wenn die Nachfrage da ist, steuert der Mensch die Ressourcen dahin.

Wie nachhaltig wird Ihr Engagement bei Puma sein?
Gulden: Ich werde mich nicht in den Kreislauf einfügen, wenn das die Frage ist.

Die zielte eher auf eine Verlängerung Ihres Vertrages.
Gulden: Darüber habe ich noch nicht eine Sekunde nachgedacht. In so einer Krise, in der wir jetzt sind, ist es für mich oberste Priorität, da gut durchzukommen. Andere Pläne habe ich im Moment nicht. Und wenn der Aufsichtsrat mich länger haben will, wird er verlängern.

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