Nachhaltige Produktion in der Region
Interview: Worauf sollte man bei Kinderschuhen achten?
7.9.2021, 05:55 UhrFrau Carney, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kinderschuhe herzustellen?
Ich bin von Haus aus Schuhdesignerin. Ende der 1980er habe ich in Berlin erst Modedesign studiert, danach in London eine Schuhdesign-Schule besucht. In London habe ich meinen Mann kennengelernt, er ist auch Schuhdesigner. Anschließend war ich in Berlin freischaffend für verschiedene bekannte Marken wie Clarks oder Bama tätig. 1996 sind wir wieder nach London gezogen, wo 1998 unser erster Sohn zur Welt kam. Ab da war ich erstmal außer Gefecht gesetzt. Aber dann wollte ich nebenher wieder arbeiten und da kam ich auf die Idee, Kinderschuhe zu machen.
Warum Kinderschuhe und keine Erwachsenenschuhe?
Dazu haben mich meine Kinder gebracht. Mein zweiter Sohn wurde 2000 geboren, da wohnten wir schon in Oberreichenbach, weil mein Mann eine Anstellung bei Adidas bekommen hatte. Mir war schrecklich langweilig auf dem Land, und da erinnerte ich mich an die kleinen Lederschläppchen aus England, die zwar schön waren, deren Qualität mir aber nicht so gefiel. Ich wollte damals schon nachhaltig und ökologisch arbeiten und habe beschlossen, diese Hausschühchen selbst zu machen. Mit einer Freundin habe ich 2003 die Firma "Pololo" gegründet, in meinem Keller ging die erste Produktion los.
Sie verkaufen jetzt unter der Marke "Orangenkinder", was wurde aus "Pololo"?
Seit Anfang dieses Jahres gehen wir nach 18 Jahren getrennte Wege. Es war irgendwie an der Zeit. Ich hatte immer die Produktion der Schuhe unter mir, eigentlich ist mehr oder weniger alles gleich geblieben. Der Unterschied ist, dass ich einfach noch mehr den Fokus auf das Nachhaltige und die Produktion in Deutschland lege.
Wie kann man sich als kleine Firma, die zudem noch in Deutschland produziert, auf dem großen Schuhmarkt behaupten?
Indem man eine Nische besetzt. Es war klar, dass wir als Firma mit den Großen nicht konkurrieren können. Deren Preise gehen nur über die Menge und über das Produktionsland. Viele stellen im Ausland her, zum Beispiel in Portugal, Bulgarien oder China. Und das wollte ich nie. Ich wollte - soweit es geht - immer in Deutschland produzieren. Witzigerweise verlegen jetzt viele Firmen ihre Produktion zurück, das ist wieder "in".
Welche Nische besetzen Sie denn?
Ich habe immer ökologisch gearbeitet. Wir haben von Anfang an Ecopell-Leder benutzt, das wir von einem Gerber aus Süddeutschland beziehen, der seine Rohware in Deutschland einkauft und nach höchsten ökologischen Gesichtspunkten gerbt und färbt. Ich wage zu behaupten, dass kein Leder ökologischer ist als dieses. Es wird pflanzlich gegerbt, ständig getestet und ist zudem allergikerfreundlich. Und das hat auch seinen Preis. Da geht es eben nicht über die Menge, sondern über die Qualität, das wissen unsere Kunden zu schätzen. Zudem sind unsere Näherinnen sehr pingelig bei der Kontrolle der Schuhe.
Welche Schuhe stellen Sie her und wo werden sie verkauft?
Wir nähen weiche Lederschühchen, welche die kleinen Füße nicht einengen und - da sie keine Gummisohle haben - nicht unnötig zum Schwitzen bringen. Sie sind für Innenräume, zum Beispiel auch für die Kinderkrippe, geeignet. Dann haben wir unsere "Amigos", sie haben eine Gummi-Kork-Sohle, die nicht geklebt, sondern genäht ist. Und zusätzlich haben wir Straßenschuhe im Sortiment, die im Moment in Portugal produziert werden. Deren Herstellung möchte ich aber langfristig in Oberreichenbach aufbauen. Wir verkaufen primär über den Fachhandel, also über kleine Naturtextiler, Bioläden, aber auch über große Versender wie Hans Natur, Baby Walz und in unserem Online-Shop.
Worauf sollten Eltern beim Kinderschuh-Kauf generell achten?
Die Kinder sollten nicht zu früh feste Schuhe tragen, sondern erst einmal barfuß laufen. Dann sollten die Füße regelmäßig gemessen werden, damit die Schuhe gut passen. Sie sollten auch keine gewölbte Einlegesohle enthalten, weil sonst die Fußmuskulatur nicht richtig gestärkt wird. Wichtig ist, dass keine Materialien aus billigem, chromgegerbten Leder verarbeitet werden. Kinder schwitzen vermehrt an den Füßen, und der Schweiß löst die krebserregenden Schadstoffe aus diesem Leder. Bei Winterschuhen sollte das Innenfutter wegen des Schwitzens aus Wollfleece oder Lammfell bestehen und nicht aus Polyester. Dieses lässt die Füße noch mehr schwitzen und dann kalt werden. Da sind Gummistiefel mit dicken Wollsocken die bessere Alternative. Außerdem brauchen Kinder nicht so dickes Futter in den Schuhen, weil sie ständig in Bewegung sind. Generell sollte bei Kinderschuhe nicht gespart werden.
Doch nicht jeder kann sich hochwertige Schuhe leisten. Und manche Eltern kaufen bewusst billigere Schuhe, weil sie wissen, dass die nächste Bobbycar-Fahrt zu unschönen Schrammen führt...
Ich verstehe sehr gut, dass manche aufs Geld achten müssen. Man kann die billigen Schuhe auch mit einer hochwertigen Sohle aus pflanzlich gegerbtem Leder aufwerten oder Schuhe aus zweiter Hand kaufen und eine neue Sohle kaufen. Gerade Kinderschuhe werden nicht oft getragen und können gut weiterverkauft werden. Zudem braucht ein Kind nicht so viele Paar Schuhe, zwei gut Passende reichen völlig. Und eine Bobbycar-Tour hält kein Schuh aus, da braucht man Schuhschützer.
Welche Schuhe haben Sie Ihren Kindern angezogen?
Ich hatte in England erst diese Lederschläppchen, deren Leder ich nicht so optimal fand. Später habe ich sie selbst genäht. Bei Straßenschuhen gab es damals noch gar keine ökologischen Modelle. Ich habe genommen, was man kriegen konnte.
Auf dem Markt hat sich einiges getan.
Ja, heute gibt es viel mehr Hersteller von ökologischen Kinderschuhen und viel mehr Eltern, die bewusster einkaufen. Unser Kunden legen viel Wert auf nachhaltige Produkte, sind aber auch modebewusst. Dann gibt es auch Eltern, die zwar aufs Geld achten müssen, aber trotzdem in gute Schuhe investieren.
Warum sind Kinderschuhe fast genauso teuer wie Schuhe für Erwachsene?
Beim Produktionsprozess interessiert es nicht, ob die Schuhe lang oder kurz getragen werden, ob sie viel oder wenig Material benötigen. Das Teure ist die Arbeitszeit und die ist bei der Herstellung von Kinder- und Erwachsenenschuhen gleich. Hier steckt noch viel Handarbeit drin.
Was sagen Sie zum Trend, vegan zu leben - im Bezug auf Schuhe?
Schwierig. Ich glaube nicht, dass Menschen von heute auf morgen gänzlich auf Fleisch verzichten. Bei der Fleischproduktion fällt nun mal das Leder an und sollte dann auch als nachwachsender Rohstoff genutzt werden. Leder ist wie eine Haut und atmungsaktiv. Aber was ist denn eigentlich veganes Leder? Es ist Plastik, erdölbasiertes Plastik. Ist das jetzt so toll? Ich dachte, wir wollen Plastik vermeiden, Veganer machen genau das Gegenteil.
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