Kommentar: Die Bauern richten ihren Zorn gegen die Falschen

Manuel Kugler

Leitung Newsdesk

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19.12.2019, 10:35 Uhr
Rund 160 Landwirte aus Bayern hatten sich im November vom unterfränkischen Geldersheim aus mit ihren Traktoren auf den Weg nach Berlin gemacht - zum Protestieren.

© NEWS5 / Höfig Rund 160 Landwirte aus Bayern hatten sich im November vom unterfränkischen Geldersheim aus mit ihren Traktoren auf den Weg nach Berlin gemacht - zum Protestieren.

Stellen Sie sich vor, Sie stecken in einer existenzbedrohenden Lage – und dann kommt da jemand, der ihnen eine zusätzliche Last aufbürden will. Da dürfte die Wahrscheinlichkeit groß sein, dass Sie demjenigen mindestens mit Unmut, wenn nicht sogar mit Wut begegnen werden. Genau das ist im Verhältnis zwischen Landwirten und Naturschützern passiert: Die einen stehen eh schon mit dem Rücken zur Wand, da kommen die anderen mit Forderungen.

So menschlich verständlich der Zorn der Bauern auf Grüne und Naturschützer also ist, so notwendig wäre aber die Erkenntnis, dass sie der falsche Adressat für diesen Zorn sind. Die Wurzel der Nöte liegt vielmehr in Brüssel. Wobei das schon unzulässig verkürzt ist, denn Brüssel gibt es nicht. Brüssel, das ist der zuständige EU-Agrarkommissar, das sind vor allem aber die nationalen Agrarminister aus den Mitgliedstaaten. Sie bestimmen über die Agrarpolitik und glauben noch immer, dieses System reparieren zu können – wo es doch längst kaputt ist.

Der Wahn dieses Systems nach immer riesigeren Agrarfabriken wird damit weiter auf dem Rücken von Tier und Umwelt ausgetragen werden. Und auf dem von Bauern, die diesen Größenwahn nicht mitgehen wollen. Und die irgendwann erkennen werden: Der Feind ist nicht grün.

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9 Kommentare

Sonocyber

Mit meinem bescheidenen Verstand lese ich hier so manche Kommentare, die mich letztendlich dazu bringen, einmal darüber nachzudenken, was für eine Staatsform wir haben.
In meiner wohl ziemlich kindlichen Vorstellung bin ich davon ausgegangen, wir hätten eine Demokratie, in der die verantwortlichen Politiker durch das Volk gewählt werden und diejenigen, die dann letztlich die meisten Stimmen erhielten, werden die Geschicke eines Landes in den nächsten 4 oder 5 Jahren maßgeblich bestimmen und beeinflussen.
Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass bei uns in Deutschland zumindest seit 2005 der konservative bis rechte Teil der Bevölkerung der bestimmende Teil ist und habe bisher ähnliches vermutet in der EU.
Ich habe mich anscheinend geirrt. Denn, was auch immer passiert oder schief läuft, es waren immer "die Grünen" oder "die Linken", die daran Schuld sind. Ausgerechnet mit den Grünen verbinden sich die Lobbyisten der Agrarindustrie? Leute, ist das wirklich so glaubhaft? Wenn eine CDU-Ministerin (Klöckner) das Glyphosatverbot hintertreibt? Wenn ein Schmidt aus der CSU in Brüssel so agiert, dass die Agrarlobby jubiliert? Egal, wahrscheinlich hatten die Grünen da einen riesigen Einfluss. Mehr als ihnen eigentlich zugestanden wurde bei der Wahl zum EU-Parlament. Das waren nämlich gar nicht soooo viele, wie hier vermutet wird.
Nein, nicht der Kleinbauer ist die Ursache allen Übels sondern die riesigen Agrarbetriebe mit ihren gut bezahlten und gut vernetzten Lobbyisten. Diese Großbetriebe müßte man begrenzen zum Wohle der Lebensqualität der Tiere und der Umwelt. Doch dies geschieht nicht Dank der gut vernetzten konservativen Elite.

Karoline

@magermixer
"Die Bauern jedenfalls, mit denen ich mich unterhalte, die sagen, daß es in Brüssel eine unheilige Allianz zwischen Grünen und Agrarlobbyisten gibt"

Diese Behauptung kann sogar zu 100% richtig sein, wie auch die Wahrnehmung der Bauern.
Allerdings begründet dies auch den Irrtum dieser und anderer Leute in der Sache.

Und ja, die Interessen der Lobbyisten ist nicht eine funktionierende Gemeinschaft, sondern der Beweis einer Ellenbogengesellschaft mit bloßen finanziellen Wertevorstellungen.

Stoapfaelzer

Scheinbar haben sie noch immer nicht verstanden
Der Bauernverband hat sein Vertrauen verspielt. Zu groß ist das Interesse der Führungsriege an politischen Ämtern und Aufsichtsratsposten


magermixer

"Der Feind ist nicht Grün". Netter Schlußsatz.

Leider wohl die falsch Schlußfolgerung.

Alleine schon deshalb, weil "Brüssel" nicht ein außerirdisches Raumschiff ist sondern von Politikern betrieben wird - darunter natürlich auch viele Grüne. Und das Ganze flankiert von einer nachgewiesenermaßen grünen-affinen Presse.

Die Bauern jedenfalls, mit denen ich mich unterhalte, die sagen, daß es in Brüssel eine unheilige Allianz zwischen Grünen und Agrarlobbyisten gibt. Die Lobbyisten vertreten die Interessen der Industrie(betriebe) und setzen ihre Agenda durch, in dem sie dann Themen einbetten, welche die Grünen nur zu gerne mitnehmen. Man nehme nur den ganzen Dokumentationswahn, den man als Großbetrieb mit großem Büro locker wegstecken kann, der einen kleinen Bauern aber schlicht erstickt (da er den Papierkram selbst machen muß). Was aber groß unter der Überschrift Tierwohl, Naturschutz etc. durchgezogen wurde und wird.

Oder man nehme das Thema Nitratbelastung im Wasser. Das hat nichts mit Brüssel zu tun, sondern damit, daß die hiesigen Umweltministerien beliebig Einzelmesswerte auswählen und diese sehr reduzierte Auswahl nach Brüssel schicken. Die gemeldete Belastung ist so speziell unter grünen Ministerien über Jahre angestiegen (z.B. Niedersachsen, wenn ich nicht irre).

Natürlich hat das was mit den Grünen zu tun. Mit wem denn sonst.

RedHat

"Und auf dem von Bauern, die diesen Größenwahn nicht mitgehen wollen."

Genau, und diese Bauern treffen die "grünen" Maßnahmen stärker als die großen.

Die Proteste sind durchaus gerechtfertigt.