Kriselnde Mittelständler im Mittelpunkt

23.06.2009, 00:00 Uhr
Kriselnde Mittelständler im Mittelpunkt

© Mark Johnston

Willi Oberlander ist nicht der Typ, der zum Schönfärben neigt. Und deshalb benennt der Chef des Instituts für Freie Berufe (IFB) Nürnberg auch ohne Umschweife die Kernzielgruppe des Beratungstags «Chance 09«, den sein Haus anbietet: «Es ist ausdrücklich eine Veranstaltung für Unternehmen, die ums Überleben kämpfen.«

Firmen in Schwierigkeiten werden hier konkrete Lösungen auf drängende Fragen aufgezeigt, zum Beispiel die Fördermöglichkeiten durch die öffentliche Hand, wie Akutkredite und Bürgschaften, sowie Coaching-Maßnahmen. Wie kleine Betriebe das Instrument «Kurzarbeitergeld« nutzen können, ist ebenfalls ein Thema des branchenübergreifenden Beratungstages, bei dem Vertreter diverser Einrichtungen Rede und Antwort stehen, darunter die Arbeitsagentur, die Banken KfW und LfA, Creditreform, die Steuerberater- und die Rechtsanwaltskammer.

Im Förderdschungel

Dass die Politik nur «die Großen« sieht, «das ist ein Vorurteil«, sagt Oberlander mit Blick auf die diversen Hilfsangebote. Allerdings sei es für die Selbstständigen nicht leicht, sich im Förderdschungel zurechtzufinden. Der Mann muss es wissen: Angehenden Gründern sowie Selbstständigen hier Wege aufzuzeigen, gehört zum täglichen Brot des IFB-Chefs und seines Teams. Wie zum Beispiel Coachings: Bei diesen Maßnahmen stehen den Firmen ausgewiesene Berater mit Rat und Tat zur Seite.

«Ein gutes Coaching bietet individuelle Lösungen und vor allem Hilfe zur Selbsthilfe«, erklärt Oberlander. Freilich: Nicht alles, was unter diesem Begriff angeboten wird, ist in seinen Augen empfehlenswert. Für hilfesuchende Selbstständige ist es nicht leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen - wohl aber für Institutionen wie das IFB, die die Szene kennen. Das Nürnberger Institut, das die bayerischen Fördermittel für Coachings an Freiberufler ausreicht, versteht sich deshalb auch als «Qualitätssicherungsstelle«.

Derzeit gibt es in Deutschland rund 1,05 Millionen selbstständige Freiberufler, darunter 126000 Humanmediziner, 108000 Rechtsanwälte und knapp 64000 Ingenieure. Der Sektor zählt rund 2,64 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. In Bayern gibt es insgesamt gut 151000 selbstständige Freiberufler, die zusammen für 400000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze stehen.

Die Zahl der Selbstständigen in freien Berufen steigt seit Jahren, die Millionen-Marke wurde 2008 geknackt. Diese Entwicklung ist nicht ausschließlich positiv zu werten. «Tendenziell ist es schon so, dass immer mehr Frauen und Männer unfreiwillig freiberuflich tätig sind«, sagt Oberlander: Wer keine Festanstellung findet, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich selbstständig zu machen.

Gefahr der «Vereinzelung«

Für Mitarbeiter reicht häufig das Geld nicht. Das Einzelkämpfer- Dasein birgt dem IFB-Chef zufolge die Gefahr der «Vereinzelung« wegen mangelnden Austauschs mit Kollegen. IFB-Mitarbeiterin Andrea Drebinger konkretisiert das so: «Den Leuten fehlt oft, einen Spiegel zu haben, ein Feedback auf Ideen und die eigene Arbeit zu bekommen - das erleben wir immer wieder in unseren Beratungsgesprächen.«

Kontakte pflegen, ein Netzwerk aufbauen - das ist nach den Worten der beiden IFBler das A und O, gerade für Einzelkämpfer. Bestehen solche Verbindungen, ließen sich auch größere Aufträge stemmen - über eine gemeinsame Firma auf Zeit. Ideal dazu sei die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die sich einfach und auch auf Zeit gründen lasse.

«Diese Möglichkeit nutzen Freiberufler aber noch zu wenig«, bedauert Oberlander. Dem IFB-Chef schwebt für seine Klientel freilich ein ganz anderes Projekt vor: «Was uns fehlt, ist ein gutes Internet-Portal in der Art einer Partnerschaftsbörse, das diese Leute zusammenbringt.«

Beratungstag «Chance 09« am 29. Juni, 9.30 bis 16 Uhr, in der Stadthalle Fürth, Eintritt sieben € (bei Voranmeldung im Internet 5€).