Streit um 50 Euro
Lücke im Verbraucherrecht? Warum ein Franke Klarna anzeigte
10.8.2021, 10:48 UhrHätte Peter Stübner gewusst, dass sich der Kauf des Pullovers zu einer wahren Odyssee entwickeln würde, in dem am Ende ein Inkassounternehmen und sogar die Polizei involviert wäre, hätte er sich wohl dagegen entschieden. "Aber hier geht es ja nicht nur um 50 Euro, sondern die Frage, an wen man sich als Verbraucher eigentlich wenden kann", beginnt er seine Erzählung.
Angefangen hat das Ganze bereits Ende März. Bei Galeria bestellt er einen Pullover, wenige Tage später wird geliefert, inklusive Rechnung. Das Geld soll er nicht an Galeria, sondern den schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna überweisen.
Plötzlich flattert die "letzte Mahnung" ins Haus
2005 gegründet, hat Klarna laut Webseite inzwischen 3.500 Mitarbeiter in 17 Ländern und arbeitet mit mehr als 250.000 Händlern zusammen, darunter auch H&M, adidas oder eben Galeria. Für die Händler bietet die bezahlte Kooperation auch Vorteile: Bestellt ein Kunde ein Produkt und will über Rechnung oder in Raten bezahlen, so erstattet Klarna dem Verkäufer den Betrag direkt und übernimmt anschließend die Abwicklung mit dem Kunden. "Der Händler tritt seine Forderung also an Klarna ab und hat dann mit der Zahlung praktisch nichts mehr zu tun", erklärt Simone Bueb, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bayern.
Stübner (Name geändert) gibt also bei einer Mitarbeiterin der Targobank telefonisch eine Überweisung an Klarna auf - für ihn ist die Sache damit erledigt. "Aber ein paar Wochen später bekam ich plötzlich ein Schreiben, in dem es hieß, dies sei die letzte Mahnung". Klarna teilt ihm zudem mit, dass eine Zahlung zu seiner Bestellung nicht eingegangen sei, man deswegen bereits zwei Mahnungen per Mail versandt und nun ein Inkassounternehmen eingeschaltet habe. "Ich habe aber nie Mahnungen bekommen. Und jetzt sollte ich aber dafür und für das Inkassoverfahren über 60 Euro Gebühren bezahlen. Dabei hatte ich das Geld längst überwiesen", empört sich Stübner.
Der Oberfranke beginnt nachzuforschen und findet heraus: Im Verwendungszweck der Überweisung an Klarna gab es einen Zahlendreher. Als er sich damit an die schwedische Bank wendet, heißt es lediglich: Das überwiesene Geld habe man nicht zuordnen können und deswegen zurückgesendet. Stübner kontrolliert daraufhin seine Zahlungseingänge. "Aber nichts. Die 50 Euro hatte ich nicht zurückbekommen."
Das geht aus Klarnas Antwort, die der Redaktion vorliegt, auch hervor: Die IBAN, an die der Zahlungsdienstleister das Geld überwiesen hat und deren letzte Ziffern in der Mail genannt werden, stimmt nicht mit der von Stübner überein. Für Klarna selbst ist die Sache trotzdem erledigt, für Stübner dagegen nicht: Er beginnt, sich an zahlreiche Stellen zu wenden, um dort Unterstützung zu erhalten - ohne Erfolg. Galeria rät ihm, sich an Klarna zu wenden. Die Bundesanstalt für Finanzen verweist darauf, dass für eine Bank mit Hauptsitz in Schweden die dortige Finanzaufsicht zuständig sei. Von der erhält Stübner aber keine Antwort. Ebenso nicht vom Bundesjustizministerium oder vom stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden und Europaabgeordneten Manfred Weber. "Ich dachte, er kann mir in der EU eine Stelle nennen, an die ich mich bei einer länderübergreifenden Sache wenden kann", erklärt Stübner. Am Ende stellt er gegen Klarna Strafanzeige wegen Unterschlagung.
Expertin: Rechtslage ist eindeutig
Doch wie sieht hier die Rechtslage aus? Natürlich müsse der schwedische Anbieter das Geld zurück überweisen, wenn er die Zahlung nicht zuordnen könne, betont Verbraucherschützerin Simone Bueb. "Wenn Klarna in Deutschland operiert, muss sich das Unternehmen an die hiesigen Gesetze halten." Und auch für die Erhebung von Mahngebühren gibt es Regelungen: "Grundsätzlich ist es erlaubt, Mahnungen per Mail zu schicken. Allerdings ist das nicht unbedingt gut für Klarna, denn sie müssten im Zweifelsfall nachweisen, dass der Kunde die Schreiben auch bekommen hat."
Tatsächlich nimmt Klarna auf die Anzeige hin alle Gebühren zurück. Doch was ist mit den 50 Euro, die fälschlicherweise an jemanden anderen überwiesen wurden? Das sei ein ärgerlicher Fehler gewesen, teilt Klarna auf Nachfrage mit. Die bis dahin noch offene Zahlung von Stübner sei damit nichtig. Zufrieden wirkt Stübner allerdings nicht. "Dass sich die Zahlung erledigt hat, hat man mir bislang nicht mitgeteilt", betont er und fügt hinzu: "Zudem hat sich auch keine der anderen angeschriebenen Stellen um Hilfe bemüht, weil sich keiner für eine Bank mit Sitz im Ausland zuständig fühlt. Das ist für mich eine klare Lücke im Verbraucherrecht."
Verbraucherexpertin Bueb nennt den Vorfall bislang aber einen Einzelfall: "Wir haben zwar immer wieder Beschwerden wegen Klarna, aber da geht es um andere Dinge." Die Verbraucherzentralen könnten in so einem Fall aber bei der Klärung unterstützen. Auf Anfrage unserer Zeitung melden sich zudem auch die anderen Stellen zurück: So verweist das Bundesjustizministerium auf das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland, das kostenlos bei Problemen mit Händlern aus dem EU-Ausland helfen könne. Zudem könne bei der Internetplattform der EU-Kommission zur Online-Beilegung von Streitigkeiten das Anliegen eingereicht werden. Doch warum erhielt Stübner diese Rückmeldung nicht? Eine Antwort auf dessen Nachricht sei nicht erfolgt, "da sie als Anregung für die verbraucherpolitische Tätigkeit des BMJV verstanden wurde und nicht mit einer konkreten Frage oder Bitte um Hilfestellung verbunden war", so die Erklärung des Ministeriums.
Ähnlich fällt die Antwort auch vom Büro des Europaabgeordneten Manfred Weber aus, das ebenfalls auf die Europäische Verbraucherbehörde verweist. Man könne den Ärger zwar nachvollziehen, weil aber weder eine inhaltliche noch örtliche Verantwortlichkeit vorliege, habe man den Fall an die Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler weitergeleitet, die für Mittelfranken zuständig sei.
Stübner ist von der nicht erhaltenen Unterstützung enttäuscht. "Bei grenzüberschreitenden Fällen fühlt sich plötzlich keiner zuständig. Das ist der Eindruck, der bei mir bleibt."
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