Porträt

Michael Sen soll Chef von Fresenius werden

22.8.2022, 14:23 Uhr
Michael Sen soll Chef von Fresenius werden

© Daniel Karmann/dpa

Er wird der neue starke Mann an der Spitze von Fresenius: Michael Sen (53) soll den Gesundheitskonzern und größten privaten Krankenhausbetreiber Deutschlands aus der Dauerkrise führen. Nach Gewinnwarnungen in Serie, einem dramatischen Verfall der Aktien von Fresenius und der Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) sowie langen Debatten über die Konzernstrategie steht der Sohn indischer Einwanderer vor enormen Aufgaben.

Dabei kommt Sens Berufung nicht überraschend, eher der Zeitpunkt: Bereits sein Antritt als Vorstand der Flüssigmedizinsparte Fresenius Kabi im April 2021 sorgte für rege Spekulationen. Schon damals wurde Sen als Nachfolger des glücklosen Vorstandschefs Stephan Sturm gehandelt, der seinen Posten Ende September trotz eines noch mehrjährigen Vertrags verlässt. Zum 1. Oktober soll Sen ans Ruder.

Sen ist ein ausgewiesener Finanz- und Kapitalmarktexperte mit Blick für das strategische Ganze, der als sehr ehrgeizig gilt. Bei Siemens und dem Versorger Eon war er der Mann für die großen Deals. So war er als Finanzvorstand von Eon 2016 mitverantwortlich für die Abspaltung der Kraftwerkssparte Uniper, bei Siemens verantwortete er 2018 den Börsengang der Medizintechniktochter Healthineers. Dabei wurden ihm immer wieder Ambitionen für Größeres nachgesagt.

Fresenius mit mehr als 300.000 Beschäftigten weltweit und über 37 Milliarden Euro Umsatz aus der Krise zu führen und Vertrauen an der Börse wiederzugewinnen - für Sen wird es seine bisher größte Aufgabe.

Den Ehrgeiz dazu bringt er mit: Bei Siemens stieg Sen nach einer Lehre zum Industriekaufmann und späterem BWL-Studium bis in den Vorstand auf. Mit dem erfolgreichen Börsengang des Medizintechnikgeschäfts Healthineers kamen Spekulationen auf, er könnte ein Kandidat für die Nachfolge des damaligen Siemens-Chefs Joe Kaeser sein. Doch kurz vor dem späteren geplanten Börsengang des Energiegeschäfts Siemens Energy, dessen Chef er werden sollte, kam es offenbar zum Zerwürfnis, Sen warf überraschend hin. Fresenius kommt nun seine Erfahrung mit Transformationsprozessen sehr gelegen.

Sen genießt an der Börse einen guten Ruf

Schon Fresenius-Chef Sturm hat eine unglücklich verlaufene Debatte über eine fokussiertere Aufstellung von Fresenius angestoßen. So hatte Sturm die Vorteile eines breiten Konzerns betont, doch zugleich die Suche nach Investoren für eine Minderheitsbeteiligung an der Kliniktochter Helios eingeläutet und auch einen Börsengang von Helios nicht ausgeschlossen. In den Fokus könnte mit dem Führungswechsel zu Sen auch die Fresenius-Beteiligung an FMC von rund einem Drittel rücken, deren Verkauf Sturm nicht gänzlich ausgeschlossen hatte.

Sen, der eloquent, aber zurückhaltend auftritt, genießt an der Börse einen guten Ruf. "Er weiß, wie der Kapitalmarkt tickt und ist in der Kommunikation sicher sehr gut", sagt Ingo Speich, Leiter des Bereichs Unternehmensführung und Nachhaltigkeit bei der Sparkassen-Fondstochter Deka. Neu für ihn sei aber die Rolle als Vorstandschef. "Sen muss zeigen, dass er ein Unternehmen prägen kann." Er müsse eine Strategie gestalten und umsetzen können und dabei die Prognosen von Fresenius verlässlich machen, meint Speich. Eine Bürde sei die hohe Konzernverschuldung, während der Aktienkurs mit zuletzt einem Zehn-Jahres-Tief eine dankbare Ausgangsbasis sei.

Zeitgleich mit Sen soll Anfang Oktober bei Fresenius auch die neue Chefin von Fresenius Medical Care, Carla Kriwet, starten. Mit Sara Hennicken gibt zudem ab September eine neue Finanzchefin im Mutterkonzern. Im Herbst heißt es dann alles auf neu bei Fresenius.