Bahn zieht vor Gericht
Nach Bauernprotest: Droht Franken am Mittwoch nun das Bahn-Chaos?
8.1.2024, 13:04 UhrAm Sonntagabend hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) einen dreitägigen Bahnstreik angekündigt. Von Mittwochmorgen, 2 Uhr, bis Freitagabend um 18 Uhr wollen die GDL-Mitglieder die Arbeit niederlegen. Die Deutsche Bahn befürchtet "massive Auswirkungen (...) auf den Bahnbetrieb" - und will nun vor Gericht ziehen: Wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung schreibt, werde die DB beim Arbeitsgericht in Frankfurt am Main einen Eilantrag auf einstweilige Verfügung einreichen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt will noch am Montag über den bevorstehenden Lokführer-Streik beraten. Neben dem Arbeitgeberverband der Deutschen Bahn, AGV Move, hat auch das Eisenbahnunternehmen Transdev eine einstweilige Verfügung gegen den für Mittwoch geplanten Ausstand beantragt. Laut Gericht soll voraussichtlich um 16.00 Uhr zunächst über den Transdev-Antrag und ab 18.00 Uhr über die Deutsche Bahn verhandelt werden. Nach Ansicht des Bahn-Unternehmens hat der geplante Streik keine rechtliche Grundlage. Gegen eine vorläufige Entscheidung des Arbeitsgerichtes ist noch Berufung in der zweiten Instanz beim Hessischen Landesarbeitsgericht ebenfalls in Frankfurt möglich.
Unmittelbar vor der ersten Arbeitsgerichtsverhandlung zu dem ab Mittwoch geplanten Lokführer-Streik hat sich GDL-Chef Claus Weselsky optimistisch gezeigt. «Wir setzen darauf, dass das Recht auf unserer Seite ist. Wir haben rechtmäßig Forderungen erhoben, wir haben rechtmäßig alle Tarifverträge gekündigt und sind der festen Überzeugung, dass wir auch dieses Mal vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen», sagte er am Montag in Frankfurt. «Die Durchführung eines dreitägigen Streiks ist bestimmt nicht unverhältnismäßig.»
DB bezeichnet sich als kompromissbereit und fordert Verhandlungen
Hintergrund des Streikes sind die verhärteten Fronten zwischen der GDL und der Deutschen Bahn im Streit um einen neuen Tarifvertrag. DB-Personalvorstand Martin Seiler bezeichnet den geplanten Streik in der Mitteilung als "absolut überflüssig". Die GDL solle den Streik absagen und stattdessen am 10. Januar an den Verhandlungstisch zurückkehren.
"Die DB ist bereit zu Kompromissen. Es ist jetzt an der Zeit, wieder zu verhandeln. Die GDL-Spitze hat überzogen, sie muss sich endlich besinnen", so Seiler. Der Personalvorstand verweist an dieser Stelle auf ein erweitertes Angebot der Deutschen Bahn an die GDL. Dieses Angebot beinhaltet bei einer Laufzeit von 32 Monaten eine Lohnerhöhung von etwa 11 Prozent und eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.850 Euro.
GDL kritisiert Angebot scharf - erfolgreiche Verhandlungen mit Bahn-Konkurrenz
Die GDL ist mit dem Angebot nicht zufrieden. Sie bezeichnet es in ihrer Pressemitteilung zum Streik-Aufruf als "substanzlos und vergiftet", die Bahn täusche mit dem Verweis auf das letzte "Angebot" - das die GDL als solches nicht anerkennen will - "bewusst Medien und Öffentlichkeit." Die GDL verweist auf die erfolgreichen Verhandlungen mit den Deutsche Bahn-Konkurrenten NETINERA und Go-Ahead. Mit beiden Unternehmen habe man eine Einigung über eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, eine fest bezifferte Lohnerhöhung und eine Inflationsausgleichszahlung über 3000 Euro verhandelt und damit "Arbeitskämpfe überflüssig gemacht."
Das Angebot der Deutschen Bahn hingegen beinhalte keine konkrete Summe zur Tariferhöhung. Das von der Deutschen Bahn erarbeitete Modell zur Arbeitszeitverringerung bezeichnete die GDL als "selbstfinanzierte Teilzeit". Außerdem kritisiert die Gewerkschaft, dass sich die Inhalte des aktuellen Angebots nur an die Arbeitnehmer richtet, die bereits von der GDL tarifiert werden.
Ein weiterer Kritikpunkt der GDL: Die Bahn missachte "mit unerträglicher Arroganz" die eigenen Mitarbeiter, die sich mit einer Urabstimmung am 19. Dezember mit einer Mehrheit von 97 Prozent dazu entschieden hätten, den Arbeitskampf auszuweiten. "Für die GDL ist es unerträglich, wie weit sich die durch Steuergelder finanzierten Manager der DB AG von den Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer eigenen Mitarbeiter entfernt haben und jetzt bewusst irreführend vorgeben, mit einem 'neuen Angebot' generös auf die GDL zuzugehen", schreibt die Gewerkschaft.
Ärger um "Fair Train"-Genossenschaft
Die Bahn hält den GDL-Streik nicht nur für "überflüssig", sie zweifelt auch an der rechtlichen Zulässigkeit der Arbeitsniederlegung. Hintergrund ist die Gründung der Leiharbeiter-Genossenschaft "Fair Train" durch Mitglieder der GDL. Laut Seiler habe die Gewerkschaft dadurch ihre Tariffähigkeit verloren. Wie "ntv" berichtet, handelt es sich bei "Fair Train" um eine Genossenschaft, die funktioniert wie eine Leiharbeitsfirma: Lokführer können sich anstatt bei der Deutschen Bahn bei "Fair Train" anstellen lassen, um von dort an die Deutsche Bahn "ausgeliehen" zu werden - zu besseren Arbeitnehmerkonditionen als bei der Deutschen Bahn selbst, denn die "Fair Train" und die GDL haben einen Tarifvertrag abgeschlossen. Für die Deutsche Bahn entstehen dadurch Mehrkosten.
Die Bahn bezeichnet "Fair Train" als "Unternehmung, die dazu gegründet wurde, der Deutschen Bahn Schaden zuzufügen" und kritisiert das Vorgehen scharf: Die GDL trete nun als Arbeitgeber und Gewerkschaft gleichzeitig auf und habe "quasi mit sich selbst einen Tarifvertrag verhandelt und geschlossen." Die Deutsche Bahn vermutet "ein unzulässiges In-sich-Geschäft mit erheblichen Interessenkonflikten" - auch aufgrund der personellen Verflechtungen zwischen GDL und "Fair Train": Laut einem "ntv"-Bericht sind die drei stellvertretenden Bundesvorsitzenden der GDL allesamt Aufsichtsratsmitglieder bei "Fair Train".
Bahn mit Feststellungsklage: GDL tarifunfähig?
Darüber hinaus würden Teile der Forderungen der GDL aus der aktuellen Tarifverhandlungsrunde mit der Deutschen Bahn gezielt Mitglieder von "Fair Train" begünstigen, etwa die auf vier Tage verkürzte Wochenarbeitszeit, durch die das Angebot an Lokführern noch knapper werde, und die arbeitnehmerseitig verkürzte Kündigungsfrist, durch die Lokführer schneller zu "Fair Train" wechseln könnten. Laut einer Mitteilung vom 2. Januar lässt die Deutsche Bahn deshalb die mögliche Tarifunfähigkeit der GDL prüfen. Beim Hessischen Landesarbeitsgericht habe man deshalb eine Feststellungsklage eingereicht.
Auf die aktuelle Tarifrunde habe diese Klage laut dem "ntv"-Bericht aber kaum Auswirkungen - wie ein Arbeitsrechtsexperte dem Nachrichtenmagazin gegenüber erklärt, sei die GDL "noch (...) eine Gewerkschaft und der Streik ist nicht offensichtlich rechtswidrig." Die GDL selbst lässt die Entscheidung der Deutschen Bahn, die Tariffähigkeit der Gewerkschaft gerichtlich prüfen zu lassen, nicht unkommentiert: Bei der Feststellungsklage handele es sich um eine "Nebelkerze", die "erneut die Verzweiflung eines sozialfremden Arbeitgebers" zeige, "der kein noch so abwegiges Mittel scheut, um die starke GDL zu eliminieren."