Konzept mit Streitpotenzial

Nach Insel-Vorbild - Arbeiten nach Laune: Sind Null-Bock-Tage auch in Bayern denkbar?

Georgios Tsakiridis

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14.10.2024, 14:40 Uhr
Mitarbeiter können sich bei "Reset-Days" spontan freinehmen, wenn sie sich unmotiviert oder gestresst fühlen.

© Christin Klose/dpa-tmn Mitarbeiter können sich bei "Reset-Days" spontan freinehmen, wenn sie sich unmotiviert oder gestresst fühlen.

Flexible Arbeitszeitmodelle nehmen im Zuge neuer Herausforderungen und einer sich wandelnden Arbeitswelt vor allem vor dem Hintergrund der sogenannten Work-Life-Balance eine immer wichtigere Rolle für Arbeitnehmer ein. Die Möglichkeit zur Teilzeitanstellung, Arbeiten von zu Hause oder gar mehrmonatige Unterbrechungen in Form von Sabbatical-Auszeiten werden vermehrt in Anspruch genommen. Doch ein Trend aus Großbritannien sorgt jetzt für Aufsehen: Angestellte können bei einigen Unternehmen "Reset-Days" - zu Deutsch etwas überspitzt mit "Null-Bock-Tage" übersetzt – nehmen, wenn sie sich schlapp, ausgelaugt oder gestresst fühlen. Das Konzept: Man ist weder krankgeschrieben noch im Urlaub und verdient trotz Abwesenheit Geld. Doch ist solch ein Konzept auch hierzulande vorstellbar?

Aus der Politik sind in den letzten Wochen und Monaten vermehrt Forderungen nach mehr Lust aus Arbeit und Überstunden zu vernehmen gewesen - allen voran von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Gleichzeitig zeigt ein Bericht der Krankenkasse AOK: Die Krankmeldungen in Deutschland haben einen neuen Rekord erreicht. Laut AOK-Bundesverband gab es von Januar bis August 2024 etwa 225 Krankheitsfälle pro 100 Versicherte. Atemwegserkrankungen stünden dabei im Fokus und seien die häufigste Ursache für Krankmeldungen. Ein mögliches Signal für Überarbeitung oder gar Verdrossenheit oder purer Zufall?

Genau hier setzt das genannte Konzept an: Wer in Großbritannien zu viele private Dinge im Kopf hat oder sich nicht bereit für die Arbeit fühlt, nimmt den "Reset-Day". Auch in Deutschland gibt es diese Möglichkeit laut übereinstimmenden Berichten seit Jahren bei der Berliner Firma Einhorn, die vegane Kondome und Periodenprodukte herstellt. Dort werde das Angebot genutzt, aber nicht ausgenutzt – die Produktivität leide nicht, lässt das Unternehmen gegenüber der Plattform "BR24" offenbar ausrichten. Auch bei IT-Firmen wie Microsoft, Google und LinkedIn oder Sportartikel-Gigant Nike können Angestellte laut der britischen Unternehmensberatung MTD Training "Null-Bock-Tage" nehmen.

Wirtschaftsverband und Gewerkschaft mit unterschiedlichen Ansichten

Wenn es nach der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) geht, soll das in Deutschland kein Trend werden. Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt bezeichnete gegenüber "BR24" Null-Bock-Tage als allerdings "nicht nachvollziehbar und in bayerischen Unternehmen auch nicht üblich." Es bestünden bereits ausreichend Möglichkeiten, sich von der Arbeit abzumelden. "Wer sich nicht arbeitsfähig fühlt, kann sich krankmelden", so Brossardt. Im Übrigen könne Urlaub oder Zeitausgleich genommen werden.

Komplett konträr sieht das die Dienstleistungs-Gewerkschaft ver.di in Bayern. Ein Sprecher soll dem Medium mitgeteilt haben, man begrüße den Vorschlag zur Einführung zusätzlicher freier Tage, an denen sich Beschäftigte um private Angelegenheiten kümmern können, ohne zu arbeiten oder sich krankmelden zu müssen. Das Konzept sei "eine Chance, die Work-Life-Balance der Beschäftigten zu verbessern und gleichzeitig die Arbeitszufriedenheit zu steigern". Im Vergleich zu einer klassischen Krankmeldung wäre der psychische Druck auf die Betroffenen zudem geringer.

Fraglich ist allerdings, ob das Konzept bei Industriebetrieben oder im Dienstleistungssektor anwendbar ist. Handwerker, Erzieherinnen und Co. haben Jobs, die durch deutlich weniger Flexibilität gekennzeichnet sind und permanente Anwesenheit erfordern. Entsprechend deutlich fällt das Fazit von vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt aus: "Wer öfter einen ‚Null-Bock-Tag‘ braucht, sollte überprüfen, ob er die richtige Beschäftigung gewählt hat."

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