"Situation könnte sich noch verschärfen"
Sparkassen-Studie: Haushalte mit 3.600 Euro Einkommen leben jetzt an der Armutsgrenze
19.9.2022, 09:27 UhrEs ist eine drastische Warnung, die Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, kürzlich auf einer Pressekonferenz bekannt gab: Nach Berechnungen der Sparkassen bleibt Haushalten mit einem Nettoeinkommen von weniger als 3.600 Euro derzeit am Monatsende kein Geld mehr übrig. 60 Prozent der Durchschnitts-Haushalte (Querschnitt von Single bis Großfamilien) in Deutschland verbrauchen demnach für die laufenden Ausgaben ihre gesamten monatlichen Einkünfte. Ein Durchschnittshaushalt besteht laut Statistischem Bundesamt (2021) in Deutschland aus 2,02 Personen.
Finanzielle Differenzen müssten bereits durch Ersparnisse ausgeglichen werden. "Da sich in den letzten Wochen zum Teil noch stärkere Preiserhöhungen ergeben haben, befürchten wir, dass sich die Situation auch noch verschärfen könnte", teilt Alexander Hartberg, Pressesprecher beim DSGV, auf Nachfrage unserer Redaktion mit.
Die betroffenen Haushalte müssen zur Deckung der entstehenden Lücken auf Reserven und Ersparnisse, aber auch auf staatliche Transfers zurückgreifen. Das betrifft auch Einkommensgruppen von 2.500 bis 3.600 Euro, die bisher in aller Regel keine staatlichen Transferleistungen erhalten haben und sich aus eigener Kraft finanzieren konnten.
Das Statistische Amt der Europäischen Union, kurz Eurostat, gibt einmal pro Jahr eine Statistik zur Armut in der EU hinaus. Das sind die Werte für das vergangene Jahr, aktuellere Daten gibt es noch nicht:
Armutsgrenze verschiebt sich: Appell an die Bundesregierung
Bei den geplanten Entlastungspaketen sollte die Bundesregierung Schleweis zufolge genau diese Einkommensgruppe in den Fokus rücken. Die zunehmend leeren Konten würden sich auch auf das Konsumverhalten und die Kaufkraft in Deutschland auswirken. Deshalb erwarten Expertinnen und Experten einen finanziellen Rückgang in der Gastronomie, dem Einzelhandel und bei Dienstleistungsunternehmen.
Laut Schleweis müsse der Staat die Energiepreise in Deutschland begrenzen, um die Folgen für Unternehmen und private Haushalte abzufedern. Nur so lasse sich eine Insolvenzwelle im Mittelstand verhindern. Zudem müssten Haushalte und Unternehmen mindestens 20 Prozent Energie einsparen und in erneuerbare Energien investieren. Doch woher das Geld für Investitionen nehmen? Dafür gibt es aktuell noch keine Lösung seitens der Politik.