Piasten und das mysteriöse 40-Millionen-Euro-Rätsel

25.12.2017, 13:37 Uhr
Piasten und das mysteriöse 40-Millionen-Euro-Rätsel

© Matthias Niese

"Nein", sagt Piasten-Geschäftsführer Bertram Strothmann und lacht. "Das Bernstein-Zimmer haben wir nicht bei uns im Keller gefunden." Und doch könnte man auf den Gedanken kommen, ob der so legendäre wie verschollene Prachtraum nicht vielleicht doch sensationell im Oberfränkischen... - zumindest, wenn man durch den Geschäftsbericht 2015 des Branchenschwergewichts Katjes International blättert. Jener Gesellschaft, in der die Katjes-Gruppe mehrere Beteiligungen in Westeuropa gebündelt hat.

Darunter Piasten. Am 30. September 2014 hatte Katjes den Forchheimer Schokolinsenhersteller gekauft - für laut Insidern um die neun Mio. Euro. In besagtem Geschäftsbericht ein Jahr später ist dann aber interessanterweise die Rede von 40,1 Millionen Euro die für Katjes International als "sonstiger betrieblicher Ertrag" im Rahmen der Piasten-Übernahme angefallen seien.

Im Klartext: Katjes hat bei einem Unternehmen, das man für rund neun Millionen geschluckt hat, im Jahr darauf stille Reserven von 40,1 Millionen Euro gefunden. Ein bemerkenswerter Vorgang, findet man auch bei der Investmentgesellschaft Charlie Investors mit Sitz in Luxemburg, dem dritten Hauptakteur in diesem kleinen Wirtschaftskrimi.

Charlie Investors ist Besitzer von Katjes-Anleihen - und würde nach eigenen Angaben nun gerne verstehen, was da genau vor sich gegangen ist, um beurteilen zu können, ob das eigene Geld bei Katjes weiter gut angelegt ist. "So weit wir wissen, gibt es da unten in der Gegend (gemeint ist Forchheim, d. Red.) keine Ölvorkommen oder Diamantenminen", sagt süffisant ein Sprecher der Luxemburger. Also, wo kommt das Vermögen her?

Piasten hat vor allem einen Ruf als Hersteller von Schokolinsen - in Deutschland sind die Oberfranken hier die Nummer eins.

Piasten hat vor allem einen Ruf als Hersteller von Schokolinsen - in Deutschland sind die Oberfranken hier die Nummer eins. © Matthias Niese

Katjes will die Aufregung nicht verstehen. Eine Sprecherin stellt das Ganze als banalen bilanzrechtlichen Vorgang dar. Den internationalen Standards folgend, habe man bei der erstmaligen Einbeziehung von Piasten in ein Geschäftsjahr den Zeitwert der Vermögensgegenstände - also insbesondere Grundstücke, Gebäude, Maschinen und Markenwerte - ermittelt und davon die Verbindlichkeiten abgezogen. Da das Resultat den gezahlten Kaufpreis überstiegen habe, habe man den Unterschiedsbetrag als Ertrag verbucht.

Nur noch nebulöser

Diese Erklärung allerdings wirft eher noch mehr Fragen auf. Denn das hieße ja, dass Katjes Piasten für einen Bruchteil des Wertes gekauft hat, den die Forchheimer allein schon an Vermögen besaßen. "So würde ich das verstehen", erklärt ein Bilanzrecht-Experte unserer Zeitung. Wer verkauft denn zu so einem Preis? Und warum?

Einer, der es wissen muss, ist Geschäftsführer Strothmann. Denn er, Co-Geschäftsführer Rolf Schröppel und der im Sommer 2016 ausgeschiedene Ex-Geschäftsführer Michael Seidl waren es, die Piasten 2015 an Katjes verkauft hatten. Doch Strothmann ist vorsichtig: "Ich sage nur, dass wir den Preis bekommen haben, den wir damals verlangt haben."

Im Prinzip gibt es drei denkbare Gründe für das krasse Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Vermögenswerten. Erstens: Die Verkäufer mussten verkaufen, aus welcher Art von Notlage heraus auch immer. Experten nennen das eine "lucky buy"-Situation, weil es den Käufer in spe in eine ausgesprochen angenehme Verhandlungsposition versetzt.

Badwill oder Bernstein?

Zweitens: Es ist absehbar, dass in naher Zukunft in Zusammenhang mit der Neuerwerbung größere Ausgaben anstehen; im Fachsprech ein "Badwill"-Szenario. Die Generalsanierung eines Gebäudes, ein neuer Maschinenpark, interne Umstrukturierungen, so etwas. Kosten, die zum Kaufzeitpunkt noch nicht zwingend in einer Bilanz auftauchen, die aber trotzdem den real erzielbaren Kaufpreis drücken.

Oder, drittens, doch das Bernstein-Zimmer. Also irgendein überraschend aufgetauchter Schatz, der zuvor nicht einmal den Alt-Besitzern bewusst war. Eigentlich ein Witz, hat es selbst so etwas schon gegeben. Etwa bei der Katastrophenbank HRE, deren Bad Bank 2011 einräumen musste, in der Bilanz seien auf einmal 55,5 Milliarden Euro auf der Habenseite entdeckt worden. Zuvor war einfach ein Rechenfehler unterlaufen. In Medien war von der "dümmsten Bank Deutschlands" die Rede.

Eine zarte Tendenz, was nun bei Piasten die Hintergründe waren, deutet immerhin Mitverkäufer Michael Seidl an, der die Forchheimer inzwischen ja verlassen hat. Er verweist auf die jetzt nicht überragenden Gewinne von Piasten in den Jahren vor dem Verkauf, "auch, wenn wir auf einem guten Weg waren". Oder die Maschinen: Die seien zwar was wert, aber doch nur, wenn darauf produziert werde - und sonst nur Schrott. Seidls Aussagen würden für das "Badwill"-Szenario sprechen.

Es ist übrigens kein Zufall, dass ausgerechnet Charlie Investors als Erstes auf die spannende Stelle im Geschäftsbericht von Katjes International gestoßen ist. Man kennt sich gut, liefert sich aktuell eine üble Schlacht um Macht und Einfluss beim Schokohersteller Halloren in Halle. Die Causa Piasten ist da für Charlie Investors ein willkommener Nebenkriegsschauplatz, Katjes zu piesacken.

Weshalb die Chancen auch gar nicht schlecht stehen, dass eines Tages noch endgültige Gewissheit herrschen wird, woher die stillen Reserven von 40,1 Millionen Euro bei Piasten nun definitiv kommen. Findet man ja schließlich nicht jeden Tag, so ein Sümmchen.

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