Haushaltssperre unausweichlich

Schock in Erlangen und Forchheim: Warum den Kommunen plötzlich mehr als 160 Millionen Euro fehlen

Erik Thieme

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15.9.2024, 05:00 Uhr
Unerwartet hohe Steuerrückzahlungen stellen Erlangen und Forchheim vor eine große Herausforderung.

© IMAGO / imagebroker / Wolfilser Unerwartet hohe Steuerrückzahlungen stellen Erlangen und Forchheim vor eine große Herausforderung.

Das richtige Einsetzen von Steuergeldern für den Haushalt ist nicht nur auf Bundesebene ein kompliziertes Unterfangen. Auch auf kommunaler Ebene gilt es, die finanziellen Mittel fair zu verteilen und möglichst sinnvoll einzusetzen. Für zwei fränkische Städte wird das jetzt zu einer noch größeren Herausforderung.

Nach eigenen Angaben wird die Stadt Erlangen im kommenden Jahr weniger als halb so viel Geld durch die Gewerbesteuer einnehmen als bisher, berichtet der "BR". Statt 220 Millionen Euro wird die Kommune über die Steuer nur 80 bis 90 Millionen Euro generieren.

Große Steuerrückzahlung zwingt Erlangen zu Sparpaketen

Verantwortlich für die massiv geschrumpften Einnahmen ist wohl eine Steuerrückzahlung an einen großen Gewerbetreibenden, die deutlich höher ausfällt als bisher gedacht. Die Stadt Erlangen rechnete bislang mit einem Minus von 50 Millionen Euro, stattdessen sind es 130 bis 140 Millionen Euro weniger. Um welches Unternehmen es geht, ist aufgrund des Steuergeheimnisses nicht bekannt.

Jetzt muss die Stadt jetzt nachbessern und sieht sich gezwungen, den Haushalt an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Ein Sparpaket scheint unausweichlich, auch die Präsentation der Haushaltszahlen gegenüber dem Stadtrat muss von September mindestens auf den Oktober verschoben werden.

Wo ab jetzt gespart werden muss, steht noch nicht fest. Laufende Projekte wie die Stadt-Umland-Bahn sollen laut dem Stadtrat aber trotzdem fertiggestellt werden.

Drastische Haushaltssperre in Forchheim

Die Stadt Forchheim hat ein ähnliches Problem, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß. Statt wie bisher angenommen muss Forchheim nicht 19,5 Millionen Euro Gewerbesteuer zurückzahlen, sondern ganze 55,8 Millionen Euro. Der Haushalt wird so extrem belastet. "Uns steht das Wasser finanziell nicht nur bis zum Hals", kommentiert Finanzbürgermeister Udo Schönfelder (CSU) die Situation.

Bereits im Juli wurde der Stadt Forchheim eine höhere Steuerrückzahlung bekannt, seitdem gibt es eine haushaltswirtschaftliche Sperre. Ausgaben der Stadtverwaltung werden nur noch genehmigt, wenn sie rechtlich verpflichtend, zwingend erforderlich oder unaufschiebbar sind. Die Haushaltssperre soll mindestens bis zur Genehmigung eines Nachtragshaushaltes bestehen bleiben.

Gewerbesteuerrückzahlungen hängen von vielen Faktoren ab

Ein Finanzexperte, der gegenüber dem "BR" anonym bleiben wollte, sieht mehrere Ursachen für derart hohe Rückzahlungen. Manche Unternehmen machen im Zuge einer Umstrukturierung Abschreibungen und Verluste geltend, die die Steuerlast senken.

In Zeiten mit niedrigen Zinsen halten einige Firmen ihre Gewinnprognose bewusst hoch und zahlen dementsprechend auch hohe Steuern. Weil Kommunen Rückzahlungen nach eineinhalb Jahren verzinsen müssen, können die Unternehmer bei diesem Vorgehen mit ebenso hohen Rückzahlungen planen. Dem Finanzfachmann zufolge waren so zuletzt Verzinsungen von bis zu sechs Prozent möglich.

Grundsätzlich wird die Gewerbesteuer im Voraus bezahlt. Als Grundlage für die Höhe der Steuer kann dementsprechend nicht der tatsächlich fällige Betrag herangezogen werden. Stattdessen wird die Steuerlast anhand der Gewinnprognose der vergangenen Jahre berechnet. Bleibt der tatsächliche Gewinn hinter der Prognose zurück, kommt es ebenfalls zu Steuerrückzahlungen. Abhängig von der Prognose werden hier bei einem stark reduzierten Gewinn umso höhere Steuerrückzahlungen fällig.

Bundesweit sind die Einnahmen durch die Gewerbesteuer in den vergangenen Jahren fast kontinuierlich gestiegen, lediglich während der Corona-Pandemie in 2020 gab es einen Rückgang. 2021 vermeldete Deutschland mit 61,1 Milliarden Euro die höchsten Gewerbesteuereinnahmen seit Beginn der Zeitreihe in 1991. Ein Jahr später wurde der Rekord erneut gebrochen. Auch für die nächsten Jahre prognostiziert das Statistische Bundesamt einen weiteren Anstieg.

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