Sexuelle Revolution in China löst Kondom-Boom aus

5.6.2017, 11:24 Uhr
Die chinesische Kondom-Industrie dürfte zwölf Prozent im Jahr wachsen.

© dpa Die chinesische Kondom-Industrie dürfte zwölf Prozent im Jahr wachsen.

April Zhang ist 21 Jahre alt und Studentin in Shanghai. Sie steht für eine neue Generation von Chinesen, die ohne Scham über Sex spricht - und damit über ein Thema, das im Reich der Mitte lange ein Tabu war. "Mit Sicherheit ändert sich die Einstellung. Wir sind zunehmend offen", sagt Zhang. Eines ist ihr und ihrem Freundeskreis dabei besonders wichtig: der Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Das befeuert in China die Kondom-Industrie, die derzeit so schnell wächst wie kaum in einem anderen Land.

Erst vor einigen Wochen übernahm ein chinesisches Konsortium für 600 Millionen Dollar das weltweit zweitgrößte Kondomgeschäft vom australischen Gesundheitskonzern Ansell mit Top-Marken wie "Jissbon", das auf Mandarin wie "James Bond" klingt. Sexshops breiten sich in vielen chinesischen Städten aus. In den Metropolen liegen Kondom-Packungen inzwischen für jedermann sichtbar in den Regalen. Bekannte westliche Marken wie Durex haben Millionen von Followern auf ihren chinesischen Social-Media-Plattformen. "Das ist ein sehr wichtiges Produkt, wenn es nur einmal schiefgeht, sind die Folgen hart", sagt Zhang.

Zwar ist die Werbung für Kondome insgesamt noch deutlich zurückhaltender als in anderen asiatischen Märkten, aber das Thema Safer Sex nimmt an Fahrt auf. Nach Einschätzung des Marktforschungsinstituts Transparency Market Research wird die chinesische Kondom-Industrie bis 2024 um etwa zwölf Prozent pro Jahr wachsen. Der jährliche Umsatz läge dann bei rund fünf Milliarden Dollar.

Ehefrau des Präsidenten klärt auf

Auch die Regierung trägt zur neuen Offenheit bei: Sie unterstützt Kampagnen zur Aids-Aufklärung - Peng Liyuan, die beliebte Ehefrau von Präsident Xi Jinping schaltet sich sogar persönlich ein. All das wäre vor zwei Jahrzehnten undenkbar gewesen.

Trotz des Kondom-Hypes sind Spirale und die Sterilisation der Frau immer noch die gängigsten Verhütungsmethoden in China. Wang Xiaoshuang, Gründer der Aufklärungsfirma Greenxxoo, sagt, der Wandel brauche Zeit. Immerhin sei vorehelicher Geschlechtsverkehr - vor 20 Jahren ein Tabu - inzwischen weitgehend akzeptiert.

Erst kürzlich verursachte eine Lehrerin "weiblicher Tugenden" einen Sturm in den sozialen Netzwerken, weil sie erklärt hatte, dass Frauen keine kurzen Kleider tragen und sich für ihre Ehemänner aufsparen sollten. Auch Studentin Zhang erinnert sich, dass sich ihre Eltern mit dem Thema Sex schwer taten: "Als ich jünger war, sprachen meine Eltern mit mir über Verhütung und über einige grundlegende Dinge wie sexuell übertragbare Krankheiten. Alles andere musste ich selbst herausfinden." 

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