Spiel mit dem Ernst: Schüler regieren ein fiktives Land
15.03.2007, 00:00 Uhr
Das Bild auf den Straßen im Szenario ist erschreckend: Nur schwach dringt die Sonne durch die rußige Luft, die gesamte Stadt scheint unter einer Smog-Glocke zu liegen. Die Menschen tragen Taschentücher vor dem Mund, als Filter gegen den Feinstaub.
Es gilt, das Land zu retten. Und dafür haben sich 24 junge Menschen getroffen. Doch den bedrohten Staat, den die Schüler lenken sollen, findet selbst ein geographisch geschultes Auge auf keiner Landkarte. Die Welt vor den Toren der Siemens-Niederlassung in der Von-der-Tann-Straße heißt auch nicht Ökoland, sondern immer noch Nürnberg.
Drinnen aber bauen sie sich ihre Welt auf. Was die Schüler des Eibacher Sigmund-Schuckert-Gymnasiums und des Friedrich-Koenig-Gymnasiums aus Würzburg gemeinsam haben: den Leistungskurs in den Fächern Wirtschaft und Recht. Und: engagierte Lehrer, die mit ihnen drei Tage lang das Planspiel mit dem Namen OEKOWI in der Siemens-Niederlassung durchleben. Im Vordergrund steht umweltbewusstes Handeln im Spannungsfeld von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft.
Eifrige Teilnehmer
Im Parlament verläuft zwar alles auf abstrakter Ebene, und die Vertreter der Staatsorgane, Unternehmen, Presse und Verbraucher sind nur Rollen, in die die Zwölftklässler geschlüpft sind. Doch der Eifer der Teilnehmer lässt einen hohen Grad an Identifikation mit den gespielten Vorgängern erkennen: so auch bei Martina Reindl (18) aus Nürnberg und Daniel Tuma (18) aus Würzburg.
Das Duo betreibt in Ökoland ein Unternehmen für Fußbekleidung mit dem Namen «Oeko-Shoes». Ihre Konkurrenz heißt «Shoe Star». Für die nächste Parlamentssitzung überlegt das Unternehmerpaar neue Strategien, um seine Interessen zu vertreten.
«Wir konzentrieren uns auf die Umwelt», betont Reindl. Ihr Ziel: die Lieferungen von der Straße auf die Schiene zu verlagern. «Die Investitionen sind anfangs hoch, aber langfristig rechnen wir damit, dass sie günstiger werden», sagt die 18-Jährige.
Doch merken die Schüler bald, dass die Absatzmärkte nicht so wollen, wie sie als Unternehmer es sich vorstellen: Die Konsumenten honorieren die umweltfreundlichere Herstellung nicht, schauen auf den eigenen Geldbeutel und kaufen bei der Konkurrenz. Um wieder aus den roten Zahlen zu kommen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die kostspieligen Öko-Standards wieder zu reduzieren.
Der Kern des Spiels sind die Sitzungen: Hier kommen alle Beteiligte zusammen und treffen in die Zukunft weisende Entscheidungen. «Wir haben in den Gruppen die Schüler aus Nürnberg und die aus Würzburg gemischt», sagt Franz Fricke, Wirtschaftslehrer vom Sigmund-Schuckert-Gymnasium. Mit seinem unterfränkischen Kollegen Stefan Weierich hat er die Parlamentspräsidentschaft übernommen.
Ausland reagiert «gereizt»
Beide leiten die Sitzungen und erläutern gebenenfalls die Folgen von Entscheidungen, die das Gremium anpeilt. Beispiel Zölle: Um die Staatskasse zu sanieren, plädiert eine Fraktion, die Schutzzölle für den Import zu erhöhen. Weierich empfiehlt aber das Gegenteil, da das Ausland «sehr gereizt» reagieren könnte.
Bezahlt wird in Schweizer Franken. Alle Entscheidungen über staatliche Finanzierungen werden mit einem bestimmten Faktor verrechnet, erklärt Franz Fricke. So zählt bei den Konsumenten (Haushalten) der Faktor 30 000, weil im Spiel so viele in Ökoland wohnen. Die Unternehmen haben den Faktor 100.
Die Entscheidungen werden gesammelt und in ein Computerprogramm eingegeben, das schließlich das Ergebnis serviert. «Ich war überrascht, wie linear die Schüler denken», sagt Fricke. Als es in der Bilanzanalyse darum ging, wie der Staat am Ende dasteht, hat es große Verwunderung gegeben: «Wenn unterschiedliche Interessen einfließen, kommt aber immer etwas anderes heraus.»
Am Ende des Spiels hat es der Staat beim Umweltschutz wohl zu gut gemeint. Fricke: «Die Regierung schüttete einen Öko-Bonus von zehn Millionen Franken aus, hatte aber nicht den Faktor 100 bedacht.» Der Staat war pleite und damit handlungsunfähig.