Spielwarenmessen-Chef: "Bin für jeden Hotelneubau dankbar"
8.1.2020, 05:49 UhrEine unschöne Bescherung gab es im Dezember für den Airport Nürnberg: Ryanair zieht sich ein gutes Stück zurück – ein weiterer Schlag nach dem Aus von Air Berlin und Germania. Wie wichtig ist der Flughafen für die Spielwarenmesse?
Ernst Kick: Der Flughafen und die Verbindungen von und nach Nürnberg sind ein Dauerbrenner-Thema, damit beschäftigten wir uns seit meinen Anfängen bei der Spielwarenmesse. Der Flughafen hat sich von einem Geschäfts- zu einem Touristik-Airport entwickelt. Immer mehr unserer Kunden müssen über die Flughäfen Frankfurt/Main und München zu uns kommen, weil es keine Direktverbindungen nach Nürnberg gibt. Aber was hilft das Wehklagen – eine Fluggesellschaft werden wir sicherlich nicht gründen.
Weil wir gerade bei der Infrastruktur sind: Das Angebot an Hotelzimmern in Nürnberg, wichtiges Kriterium für Messeveranstalter, ist spürbar gestiegen. Herrscht jetzt Ruhe an der Bettenfront?
Kick: Ich bin für jeden neuen Hotelbau dankbar. Denn das bringt Entspannung an der Preisfront auch für unsere Gäste, von denen zuletzt knapp 62 Prozent aus dem Ausland kamen. Bei der Spielwarenmesse 2019 sind in der zweiten Hälfte der Schau – diese Zeit, insbesondere das Wochenende, nutzen traditionell viele Händler aus Deutschland für den Messebesuch – erstmals die Hotelpreise nach unten gegangen. In den ersten Tagen sind die Kapazitäten allerdings immer noch nicht ausreichend und die Zimmer entsprechend teuer. Hinzu kommt: Sie können da kein Hotelzimmer für eine Nacht buchen, sondern nur für mehrere.
Sie haben einmal gesagt, die Spielwarenmesse wolle stets der "Leithammel" der globalen Branche sein. 2018 wurde die Schau von sechs auf fünf Tage verkürzt, die Zahl der Fachbesucher ist dadurch unter die langjährige Marke von gut 70.000 gesunken, zuletzt auf knapp 67.000. Hat die Straffung dem Leithammel-Status geschadet?
Kick: Nein, wir sind weiter die Weltleitschau der Branche. Was uns mit der Verkürzung wirklich gelungen ist: Wir konnten die Qualität bei den Fachbesuchern steigern – und das ist, was zählt. Wir haben nun an den entscheidenden ersten Messetagen mehr Händler, Einkäufer und Entscheider vor Ort und eine höhere Internationalität. Die Zahl der Fachbesucher aus Deutschland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken – was insbesondere dem Konzentrationsprozess innerhalb der Branche geschuldet ist. Wir streben schon wieder die Marke von 70 000 bei den Besuchern an. Dazu haben wir unser Marketing in Europa und in Entwicklungsländern verstärkt.
Vor kurzem haben Sie mit der NürnbergMesse eine Standortgarantie bis mindestens 2028 vereinbart und damit ein klares Statement abgegeben: Die Spielwarenmesse gehört zur Stadt wie Senf zur Bratwurst. Um die Leitschau haben doch bestimmt auch andere Messeplätze immer mal wieder geworben, oder?
Kick: Da bin ich ganz offen und ehrlich: nein. Die Spielwarenmesse gehört emotional wie geschäftlich nach Nürnberg – und das wissen auch die anderen Messeplätze. Wir haben uns übrigens ebenfalls nie um einen anderen Standort bemüht. Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis zur NürnbergMesse und veranstalten auf dem Gelände in Langwasser ja auch die Insight-X, Fachmesse für Papier-, Büro- und Schreibwarenbedarf. Ich bin sehr froh über unseren neuen Vertrag. Er ist eine Win-win-Situation für beide Seiten.
Für Ihr Unternehmen steppt der Bär aber nicht nur in Nürnberg: Die Spielwarenmesse eG ist mit Tochterfirmen und Veranstaltungen auch in Russland, China und Indien aktiv. In Indien bauen Sie das Engagement aus: Die "Kids India" in Mumbai hat ab 2020 noch einen Ableger in Bangalore. Wie wichtig ist das Auslandsgeschäft und welche Märkte locken besonders?
Kick: Beim Auslandsgeschäft ist für uns generell wichtig, welche Synergien sich dadurch ergeben, zum Beispiel bei der Akquise für die Spielwarenmesse in Nürnberg. Über eigene Tochterfirmen können wir unsere Vertriebsaktivitäten besser steuern. Strategisch ist es entscheidend, uns im Ausland zu zeigen – die Kapelle aber spielt in Nürnberg, die Spielwarenmesse hier ist unser wichtigstes Produkt. Mit ihr erwirtschaften wir den Löwenanteil unseres Umsatzes. Indien ist ein wichtiger Markt, allerdings auch ein äußerst schwieriger. Eine Expansion in zusätzliche Länder und Märkte planen wir derzeit nicht.
Großbritannien steht vor dem Brexit, die USA liegen im Dauerhandelsstreit mit China und der EU: Spüren Sie Auswirkungen auf die Spielwarenmesse?
Kick: Momentan nicht. Das Ausstellerkontingent aus den USA ist sehr stabil – was sicherlich auch daran liegt, dass Spielwaren bislang vom dem Zollstreit nicht betroffen sind. Was Großbritannien betrifft: Die Aussteller von dort suchen verstärkt den europäischen Markt – und die wichtigste Spielwarenmesse für die Briten findet in Nürnberg statt.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz – Greta und die Fridays-for-Future-Bewegung lassen grüßen – beschäftigen auch die internationale Spielwarenwelt: Die Themen und entsprechende Produkte zählen zu den großen globalen Trends. Wie schätzen Sie die Haltbarkeit ein?
Kick: Ich glaube, dass Nachhaltigkeit, Ökologie und Umwelt aus der Spielwarenwelt nicht mehr wegzudenken sind. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir diese Themen auf der Messe noch mehr in den Fokus rücken. Jetzt ist erkannt worden, dass sich die Gesellschaft, also wir alle, um Klima- und Umweltschutz kümmern muss. Ich finde es toll, dass die Jugend diese Entwicklung vorantreibt. Die Industrie muss hier noch mehr tun.
"Digital goes physical" lautet ein weiterer Trend: Charaktere aus Computerspielen oder mit Internet-Karriere werden in die klassische Spielwarenwelt übertragen und tummeln sich dort "in echt" als Lizenzfigur. Also ehrlich: Richtig neu klingt das nicht, eher nach cleverem Marketing. Videospiel-Klempner "Super Mario" etwa hat diesen Schritt schon vor Jahren gemacht.
Kick: Super-Mario ist aus meiner Sicht eine Ausnahme. Was neu ist: Digital-Themen werden rund um den Globus in großem Stil lizenziert, dadurch entstehen viele Produkte zum Anfassen. Als Weltleitschau muss die Spielwarenmesse international sein, auch was Trends angeht. Sie muss zeigen, was in anderen Ländern und Märkten angesagt ist – wie zum Beispiel den Elektronikfimmel in Asien. Und: Nicht jeder globale Trend muss auch in Deutschland funktionieren. So ist etwa Spielzeug, das für Inklusion, Toleranz und Diversität sensibilisieren will und Menschen mit speziellen Bedürfnissen fördern soll, in den USA und Skandinavien ein echtes Thema. Auch dieser Trend kommt bei der Spielwarenmesse zum Tragen.
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