Defizit in der Arbeitslosenversicherung
Steuerzahler muss Bundesagentur für Arbeit schon wieder helfen: Steigen bald die Beiträge?
13.11.2021, 05:55 Uhr
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) kommt vorerst nicht aus den roten Zahlen: Nach einem Defizit von knapp 27 Milliarden Euro im vergangenen und 23 Milliarden Euro in diesem Jahr rechnet die Bundesbehörde auch für 2022 mit einem - wenn auch deutlich kleineren - Minus von 0,9 Milliarden in der Arbeitslosenversicherung. Aufbringen soll den Fehlbetrag der Steuerzahler.
"Die Bundesagentur braucht Schuldenfreiheit"
Schon 2020 und 2021 schoss die Bundesregierung der Arbeitslosenversicherung, die sich eigentlich ausschließlich über die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert, insgesamt 24 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zu. Zwar wechselt nun die Koalition, doch weil der alte Finanzminister aller Voraussicht nach der nächste Kanzler ist, sind die Verantwortlichen überzeugt, dass der Bund ein weiteres Mal zur Hilfe eilt. "Die Bundesagentur braucht absehbar Schuldenfreiheit", sagt Anja Piel, Vorsitzende des BA-Verwaltungsrats, bei der Verabschiedung des Haushalts in Nürnberg.
Der Verwaltungsrat ist zu je einem Drittel mit Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und des Staates besetzt. Es sind vier Frauen, die das letzte Wort über den Haushalt haben, seit sich ein personeller Umbruch vollzogen hat: 2019 trat Arbeitgebervertreter Peter Clever (66) aus dem Verwaltungsrat zurück, in dem er zuvor die umstrittene Entlassung von BA-Vorstandsmitglied Valerie Holsboer betrieben hatte. Im Zuge dieses Machtkampfs waren erschreckende Details über Clevers Führungsstil an die Öffentlichkeit gelangt. Gewerkschaftsvertreterin Annelie Buntenbach (66), die trotz massiver Kritik mit für die Ablösung Holsboers gestimmt hatte, ging Anfang 2020 in den Ruhestand.
Vier Frauen haben das letzte Wort über den Etat
Seither führt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel, eine frühere Grünen-Politikerin, das Gremium im Wechsel mit Christina Ramb aus der Hauptgeschäftsführung des Arbeitgeberverbands BDA. Für die Vertreter des Staates spricht Vanessa Ahuja aus dem Bundesarbeitsministerium, während innerhalb des Vorstands der Bundesagentur, der die täglichen Geschäfte führt, Christiane Schönefeld für die Finanzen verantwortlich ist.
"Der neue Etat markiert den Übergang von einem Haushalt im Krisenmodus zu einem ganz normalen Haushalt", sagt Schönefeld und verspricht arbeitslosen Menschen gleichzeitig: "Keine sinnvolle Qualifikation wird am Budget scheitern." Das gilt allerdings nur für Bezieher von Arbeitslosengeld I. Für das im Vergleich deutlich schlechter ausgestattete Hartz-IV-System (Arbeitslosengeld II) ist finanziell allein der Bund zuständig, nicht die Arbeitslosenversicherung.
Explodierende Zahl der Kurzarbeiter
Grund für das enorme Defizit der vergangenen Jahre ist vor allem die explodierende Zahl der Kurzarbeiter. Sechs Millionen Menschen waren in der Spitze betroffen, ein historisch einmaliger Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Zuletzt sank die Zahl der Kurzarbeiter unter die Marke von einer Million, 2022 sollen es im Schnitt nur noch 260.000 sein. Ob sich diese Prognose halten lässt, ist angesichts der sich wieder verschärfenden Pandemie aber fraglich. Anders formuliert: Am Ende könnte das Defizit der BA doch größer ausfallen.
Bevor Corona den Arbeitsmarkt mit voller Wucht traf, hatte die BA einen enormen Rücklagen-Berg von 26 Milliarden Euro angespart. "Wir mussten das damals heftigst verteidigen", erinnert Schönfeld. Vor allem die Arbeitgeber hatten auf eine Beitragssenkung gepocht; man sei, so sagte es der damalige Verwaltungsratsvorsitzende Clever, schließlich "keine Sparkasse aus Zwangsbeiträgen". Zudem wuchs in Zeiten der Niedrigzinsen mit den Milliarden-Rücklagen auch die Herausforderung, das Geld noch irgendwie gewinnbringend anzulegen. Auf einen Teil musste die Bundesagentur, die eine eigene Abteilung für die Anlage des Geldes unterhält, bereits Negativzinsen bezahlen.
Beitrag steigt 2023 leicht
Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung liegt derzeit bei 2,4 Prozent des Bruttogehalts, ihn tragen je zur Hälfte die Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nach derzeitigem Stand soll der Beitrag ab 1. Januar 2023 leicht steigen, auf dann 2,6 Prozent. "Unser Wunsch an die Parteien einer möglichen Koalition ist es, nichts zu machen", sagt Schönefeld mit Blick auf die ohnehin geplante Erhöhung. Arbeitgebervertreterin Ramb mahnt indes, die Beiträge zu allen Sozialversicherungen dürften insgesamt nicht über 40 Prozent steigen. Derzeit liegen sie noch knapp darunter.
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