Technologischen Wandel verpasst? IG Metall sorgt sich um Region
16.6.2019, 06:00 Uhr"Das hat uns überrascht", sagt Andreas Weidemann, 1. Bevollmächtigter der Gewerkschaft. Normal seien sonst immer sieben bis acht Jahre gewesen. Wochenlang hatten er und seine Kollegen für den Atlas die hiesigen Betriebsräte abgeklappert und nach dem Befinden gefragt. 55 Unternehmen, die für 39.000 Beschäftigte der Branchen Metall und Elektro, Kfz, Schreib- und Zeichengeräte stehen, machten mit.
"Die Auswertung zeigt, wie verunsichert die Stimmung derzeit ist", erklärt Weidemann – und das wiederum beunruhigt ihn. Es gebe zwar Gründe für diese Stimmung. Die unklare Entwicklung der Automärkte, die Digitalisierung von Produktion und Produkt, dazu die Erschütterungen im Welthandel durch Brexit und Handelskonflikte. Gewerkschaftssekretärin Sandra Siebenhüter spricht von einem "toxischen Mix".
Dennoch hat Weidemann bei all dem ein unangenehmes Déjà-vu. Von Motorrädern bis zu Schreibmaschinen: Gerade Nürnberg habe in seiner Wirtschaftsgeschichte schon reichlich Erfahrungen mit grundlegenden technologischen Wandeln in Branchen gesammelt. Gut hinbekommen hätten das die hiesigen Unternehmen bekanntlich allerdings selten – und verschwanden vom Markt. "Wir wollen, dass das, was sich in der Vergangenheit abgespielt hat, nicht wiederholt."
"Wir alle, Arbeitgeber und auch wir Arbeitnehmer, müssen uns jetzt schon fragen, ob sich das Produkt, mit dem wir heute erfolgreich sind, auch in zehn Jahren noch verkauft", appelliert Weidemann. Sprich: Nach den erwarteten technologischen Umbrüchen. "Sonst werden wir dieses Produkt nur noch zu Ende produzieren. Und dann schließen."
Beunruhigende Befunde
Dass ein großer Teil der Betriebsräte urteilt, am eigenen Standort gebe es aktuell eigentlich keine richtige Strategie für die Bewältigung der Transformation. Und wenn doch, dass dieser Wandel in den Unternehmen rein technologisch gedacht werde, ohne dabei die Ideen der am Ende in der Fertigung oder Verwaltung davon Betroffenen überhaupt einzubeziehen: Es sind zwei weitere Befunde aus dem Transformationsatlas, die die Gewerkschafter umtreiben. Bei allem Trost, dass die Beschäftigungssituation nach Einschätzung der Betriebsräte mittelfristig dennoch wenigstens stabil bleibe.
Speziell in Nürnberg gebe es nicht so viele Konzernzentralen, erläutert Weidemann, die obersten Chefs der hiesigen Standorte säßen daher oft weit weg. "Wir fordern aber, dass nicht nur in den Zentralen entschieden wird, sondern auch das mittlere Management und die Beschäftigten in jedem Betrieb mitgenommen werden", erklärt der Gewerkschafter. Zugleich gelte es, den Wandel so zu gestalten, dass jeder eine Perspektive für sich sehe – beispielsweise durch eine verbindliche Personalplanung, Standortgarantien oder Weiterbildungsangeboten.
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