Mehr Verspätungen, kaum Wirkung?

„Teuer und ineffizient“: Wirtschaftsforscher kritisieren 9-Euro-Ticket in gemeinsamer Studie mit FAU

Georgios Tsakiridis

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3.9.2024, 09:36 Uhr
Das 9-Euro-Ticket war von Juni bis August 2022 gültig.

© Bernd Wüstneck/dpa Das 9-Euro-Ticket war von Juni bis August 2022 gültig.

Im Sommer 2022 startete die Ampel-Regierung ein Experiment, das sich seitdem zum Teil auch verselbstständigt hat. Der Ansatz: Bahnfahren in Deutschland vor allem für Pendler attraktiver machen durch ein extrem günstiges Angebot. Damit war das 9-Euro-Ticket geboren. Wirtschaftlich war das Konzept allerdings massiv defizitär, im August wurde die Testphase beendet. Doch Bahnreisende bundesweit - ebenso wie das Umweltbundesamt - forderten einen Ersatz für das Auslaufmodell. Entstanden ist daraus bekanntlich am Ende das Deutschlandticket, um das aktuell eine ähnliche Finanzierungsdebatte entbrennt wie vor gut zwei Jahren über seinen Vorgänger.

Doch ist die Kosten-Nutzen-Rechnung aufgegangen? Hat das 9-Euro-Ticket wirklich mehr Pendler von der Straße auf die Schiene gebracht - und zu welchem Preis? Dieser Frage haben sich Wirtschaftsforscher des ifo-Instituts gemeinsam mit den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Salzburg in einer Studie angenommen. Sie bewerten sowohl das 9-Euro-Ticket als auch das Deutschlandticket skeptisch und stellen dem Vorhaben trotz partieller Erfolge ein insgesamt vernichtendes Zeugnis aus.

Das 9-Euro-Ticket, das von Juni bis August 2022 befristet galt, habe den Autoverkehr tatsächlich um vier bis fünf Prozent verringert, heißt es darin. Durch das 9-Euro-Ticket seien täglich fast 430.000 Menschen mehr mit dem Zug gefahren als zuvor - eine Steigerung von rund 30 Prozent. "Weil die Züge stärker ausgelastet waren, verspäteten sich Züge aber um 30 Prozent häufiger", so die Erkenntnis. Das habe vor allem den Regionalverkehr getroffen, indirekt jedoch auch Fernzüge.

Vor allem an Wochenenden sei die Bahn mehr genutzt worden. "Hingegen war bei den klassischen Pendelzeiten unter der Woche der Rückgang der Autofahrten gering", sagt der Nürnberger Professor Mario Liebensteiner. Kollegin Sarah Necker meint: "Das 9-Euro-Ticket kostete den Bund 2,5 Milliarden Euro und reduzierte den Autoverkehr nur wenig. Damit war es eine teure und ineffiziente Klimaschutzmaßnahme."

Die Verfasser der Studie gehen sogar einen Schritt weiter und prognostizieren, dass das seit März 2023 gültige Deutschlandticket, das aktuell monatlich 49 Euro kostet, ähnliche Effekte haben wird, wie das 9-Euro-Ticket. "Demnach sollten politische Entscheidungsträger vorsichtig sein, wenn sie stark vergünstigte ÖPNV-Tickets für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors in Erwägung ziehen", heißt es zusammenfassend.

Die Finanzierungsdebatte um das Nachfolge-Modell läuft aktuell erneut auf Hochtouren. Bayern plant noch keine Abstriche bei Regionalzügen, sicher ist derzeit nur eines: Für Reisende mit dem Deutschlandticket wird Bahnfahren im kommenden Jahr teurer.

Der Freistaat plane vorerst keine Kürzungen bei Regionalzügen, sieht aber durch das Deutschlandticket immer weniger Spielraum, berichtet die "dpa". Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) kritisiert die Ampelregierung: "Es war ein Fehler, mit aller Macht einen günstigen Ticketpreis zu forcieren und gleichzeitig die Mittel fürs Angebot und die Infrastruktur zu vernachlässigen." Die Kosten für Energie und Personal seien massiv gestiegen, die Deutsche Bahn plane eine inakzeptable Erhöhung der Trassenpreise.

Von den Verkehrsunternehmen erwartet Bernreiter bei Ausschreibungen massiv teurere Angebote. "Noch stehen in Bayern keine Angebotsstreichungen im Schienenpersonennahverkehr auf der Tagesordnung, aber wir müssen dazu enorme finanzielle Klimmzüge und Umschichtungen machen", sagt der Minister. "Kein Land kann langfristig einfach immer mehr Geld drauflegen, nicht mal Bayern." Wenn der Bund nicht dauerhaft deutlich mehr zahle, seien Abstriche früher oder später notwendig.