Tiertransporte

Umstrittene Tiertransporte: So sehr leiden Kälber auf ihrer Reise

Kerstin Freiberger

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30.5.2021, 05:50 Uhr
Auf den Weg nach Spanien bleibt vielen Kälbern oft nicht mehr, als ein kleiner Luftschlitz.

© Ulrich Perrey, NN Auf den Weg nach Spanien bleibt vielen Kälbern oft nicht mehr, als ein kleiner Luftschlitz.

Verängstigt blicken die Kälber durch die Gitter des Tiertransporters. Die jungen Rinder wurden kurz nach der Geburt von den Müttern getrennt und sind nun auf dem Weg in einen Mastbetrieb nach Spanien. Kein Einzelfall: Laut dem Deutschen Tierschutzbund werden jährlich etwa 680.000 Kälber ab einem Alter von 14 Tagen ins Ausland verkauft und transportiert. Allein 20.000 bis 25.000 Kälber kommen so jährlich von Deutschland nach Spanien. Rind- und Kalbfleisch kommt meist per Import nach Deutschland zurück: Im Jahr 2020 lag nach Daten des Statistischen Bundesamtes die gesamte Einfuhr von Rind- und Kalbfleisch bei rund 460.000 Tonnen, davon stammen 404.200 Tonnen aus EU-Ländern. "Neben der Tierquälerei werden die Kälber mit Antibiotika behandelt, sonst würden sie die Transporte nicht überstehen und das Fleisch essen wir dann", gibt Tierschützerin Christine Rauch zu Bedenken.

Nicht nur die Tierschützer sehen die Langstrecken-Transporte der Kälber kritisch. Auch Amtstierärzte und Institute wie die Bundestierärztekammer und das Friedrich-Loeffler-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, fordern Änderungen. "Ich habe keine Handhabe", sagt ein Amtstierarzt aus Baden-Württemberg, der bei Landwirten Gesundheitszeugnisse für Kälber ausstellt, die dann oft lange Transporte vor sich haben. Er kennt den Leidensweg, der auf einen Teil der Tiere zukommt. Bis zu 19 Stunden würden einige transportiert, oft ohne Milch und Wasser. Das Problem: "In der EU gibt es keine geeigneten Fahrzeuge für diese Transporte", erklärt der Veterinär. Die Transporter seien für Rinder zugelassen, für Kälber nicht verboten, aber ungeeignet, da diese nicht selbstständig trinken würden. Vom Landratsamt Augsburg wurde jedoch ein spezieller Transporter genehmigt.


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"Die Kälber können während der Ruhepause mit Milchaustauscher getränkt werden", teilt die Behörde mit. In den meisten Transportfahrzeugen steht den Kälbern Branchenexperten zufolge aber - wenn überhaupt - nur Wasser zur Verfügung, die Tiere müssten also während der Pause ausgeladen werden, um sie ausreichend zu versorgen. Laut Gesetz muss nach neun Stunden Fahrzeit eine Stunde Pause gemacht werden. "200 Tiere auf- und abladen und füttern in einer Stunden, das funktioniert nicht", sagt Iris Baumgärtner, Projektleitung Tiertransporte bei der Animal Welfare Foundation (AWF). Filmaufnahmen würden zeigen, dass die Kälber teilweise während der kompletten Fahrt, also bis zu 19 Stunden, keine flüssige Nahrung bekommen. Eigentlich wäre dies mehrfach am Tag erforderlich: "Von Muttertieren geführte Kälber saugen rund sechs bis zwölf mal täglich, um ihren Bedarf an Nährstoffen, Energie und insbesondere Proteinen zu decken", schreibt die Bundestierärztekammer. Sie fordert in einem Positionspapier, dass "die Transportdauer nicht abgesetzter/nicht entwöhnter Kälber ab Beginn der fünften Lebenswoche acht Stunden nicht übersteigen darf."

Männliche Kälber oft wertlos

Damit eine Kuh Milch gibt, muss diese jährlich ein Kalb zur Welt bringen. Vier Millionen Milchkühe gibt es in Deutschland. "Wir haben daher jährlich rund vier Millionen Kälber", sagt Baumgärtner. Weil die Rinder oft nur auf Milchleistung gezüchtet werden, seien die männlichen Kälber teilweise wertlos und zur Mast kaum geeignet. "In manchen Fällen bekommen die Bauern nur ein paar Euro oder müssen noch etwas zahlen, dass ihnen die Tiere abgenommen werden", weiß die Tierschützerin. Jährlich würden tausende Kälber zur Mast in spezielle Betriebe nach Spanien oder Holland transportiert. Von dort werden sie teilweise laut Baumgärtner weiter an Drittländer verkauft, wo Tierschutz kaum eine Rolle spielt und die Bullen ohne Betäubung geschlachtet werden.

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