Über 50 Unternehmen dabei

Vier-Tage-Woche: In Deutschland startet bisher größtes Experiment - Teilnehmer gesucht

mng

Online-Redaktion

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1.9.2023, 20:06 Uhr
Mitarbeitende in einem Büro: Bislang ist die 40-Stunden-Woche der Standard in deutschen Unternehmen. Eine Studie möchte nun ein anderes Arbeitszeitmodell unter die Lupe nehmen und die Vor- und Nachteile abwägen.

© IMAGO/imageBROKER/Oleksandr Latkun Mitarbeitende in einem Büro: Bislang ist die 40-Stunden-Woche der Standard in deutschen Unternehmen. Eine Studie möchte nun ein anderes Arbeitszeitmodell unter die Lupe nehmen und die Vor- und Nachteile abwägen.

Das alteingesessene Modell der 40-Stunden-Woche wird immer wieder und zunehmend lauter hinterfragt. Besonders junge Menschen befürworten Arbeitsmodelle, welche die Arbeitswelt aus dem Fokus nehmen und stattdessen die Freizeit mehr in den Mittelpunkt des Lebens rücken. Eine beliebte Lösung dafür ist die Vier-Tage-Woche. Diese wird bald im großen Stil in Deutschland getestet.

In einem Exklusivgespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) kündigt die Beratungsagentur Intraprenör an, dass in Deutschland demnächst ein umfassendes Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche startet. Die Agentur ist dabei für die Koordination des Projekts zuständig. Zuvor fanden in anderen Ländern wie beispielsweise den USA, Australien, Island und Großbritannien ebenfalls Modellversuche statt.

Der deutsche Versuch wird im nächsten Jahr von Februar bis August sechs Monate lang unternommen. Dabei können Unternehmen aus ganz Deutschland das Arbeitsmodell testen und ihre Arbeitszeit von fünf auf vier Tage reduzieren - und das bei gleichem Gehalt, berichtet "RND". Eine staatliche Förderung ist bislang nicht vorgesehen. Das Projekt wird demnach von den Unternehmen selber finanziert.

Bewerbungen ab dem 1. September

Die Verantwortlichen suchen mehr als 50 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und mit verschiedenen Größen, die an der Studie teilnehmen möchten. Ab September können diese sich für einen Platz bewerben. Das Projekt wird begleitet von der Universität Münster und der Initiative "4 Day Week Global". Die Beratungsagentur hilft den Teilnehmenden, ein passendes Arbeitszeitmodell für ihre Firmen auszusuchen - ein einheitliches ist für das Projekt nicht vorgesehen.

Für das Vorhaben wird das sogenannte 100-80-100 Prinzip gefahren: also 100 Prozent Gehalt, 80 Prozent Arbeitszeit und 100-Prozent Leistung. Dass Arbeitszeit und Leistung nicht zwingend voneinander abhängig sind, ist bereits seit geraumer Zeit bekannt. Microsoft hat beispielsweise 2019 in Japan die Einführung einer kürzeren Arbeitswoche getestet. Das Ergebnis: Mitarbeitende konnten auch mit einem Abzug von 20 Prozent ihrer Arbeitszeit gleichwertige Ergebnisse wie zuvor erzielen, das berichtet das Branchenblatt "Forbes".

"Eine Vier-Tage-Woche entspricht dem Wunsch vieler Beschäftigten"

In Deutschland haben viele Unternehmen bereits den Vier-Tages-Ansatz für sich selber umgesetzt. Eine umfangreiche und branchenübergreifende Studie blieb jedoch bislang aus: "Wir erhoffen uns von der Pilotstudie eine Weiterentwicklung der Diskussion über die Vier-Tage-Woche. Dafür schaffen wir eine Grundlage", sagte Jan Bühren von der Beratungsfirma Intraprenör im Gespräch mit "RND". Für die Umsetzung des Projektes wurde ein Beirat gegründet. Diesem gehören unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaft IG Metall, des Arbeitgeberverbands BDA und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks an.

"Eine Viertagewoche entspricht dem Wunsch vieler Beschäftigten", erklärte Jänicke von der IG Metall, welche Teil des Beirates ist, im Gespräch mit dem Magazin. "In vielen Betrieben hat sich die Viertagewoche zur Sicherung von Arbeitsplätzen bewährt, sie erhöht die Work-Life-Balance von Beschäftigten und kann damit auch die Attraktivität von Unternehmen steigern".

Einige äußern jedoch Bedenken: Branchenspezifische Probleme wie zum Beispiel der Fachkräftemangel könnten sich bei dem Arbeitsmodell als Problem herausstellen. So müsste man bei einer ohnehin geringen Personaldecke, dann noch auf einzelne Beschäftigte für einzelne Tage verzichten, teilt eine Sprecherin des Zentralverbandes Deutschen Handwerks im Gespräch mit "RND" mit. Eine Vertreterin vom Arbeitgeberverband BDA argumentiert derweil, dass das Absenken der Arbeitszeit ohne Produktivitätssteigerung langfristig für viele Unternehmen kaum tragbar ist.

Auch Wirtschaftswissenschaftler Holger Schäfer argumentiert im Gespräch mit "SWR", dass das Arbeitsmodell in Deutschland wohl nicht zukunftsfähig ist: "Wenn man jetzt danach fragt, inwieweit diese Befunde übertragbar sind auf Deutschland, ob sie uns in der Situation, in der wir sind, helfen würden, dann muss man, glaube ich, klar verneinen", erklärt er in Bezug auf die durchgeführte Studie in Großbritannien. "Denn wir laufen ja in eine Situation rein, wo demografisch bedingt die Arbeitskräfte deutlich weniger werden. Und da kann ja die Lösung nicht sein, das dürfte eigentlich jedem unmittelbar einleuchten, weniger zu arbeiten. Sondern im Gegenteil: Wir müssten eigentlich mehr arbeiten."