Wirtschaftsweise feiern "Geburtstag"
14.8.2013, 07:00 UhrBald ist es wieder so weit: Dann werden die fünf Mitglieder des Sachverständigenrates (SVR) als Gäste regelmäßig im zwölften Stock des Statistischen Bundesamtes in Klausur gehen und gemeinsam in die Glaskugel schauen.
Bis Mitte November müssen sie - abgeschirmt von der Öffentlichkeit und mit Interviewverbot belegt - ausdiskutieren, ob der Eurokurs steigt, Zinsen weiter sinken, Löhne und Preise aus dem Ruder laufen und ob der Staat besser die Unternehmen oder die Kaufkraft der Arbeitnehmer stärken sollte. Ergebnis ist dann ein Gutachten, das die Fünf der Bundesregierung übergeben. Beim ersten Mal nahm das Elaborat noch der Pförtner des Bonner Kanzleramts gegen Quittung entgegen, heute erledigt diesen Job immerhin die Kanzlerin selbst.
Auch wenn im Jubiläumsjahr schon viel darüber geschrieben wurde, dass das Gremium an Einfluss verloren hat – noch immer enthalten die jährlichen Ausarbeitungen von der Stärke eines Großstadt-Telefonbuchs viel politischen Zündstoff. So viel, dass man sogar bewusst die Jubiläumsfeier in den Februar vorverlegt hat, um jetzt im August nicht zum Spielball der Wahlkämpfer zu werden.
Und politisch heiße Eisen haben die Wirtschaftsweisen regelmäßig angefasst: Ob in den 70er Jahren der abrupte Wechsel von der Nachfrage hin zur arbeitgeberfreundlichen Angebotspolitik mit den Spätfolgen entfesselter Märkte, die Haltung zur Agenda 2010 mit den höchst umstrittenen Hartz-Regelungen oder vergleichsweise aktuell der von der Bundesregierung brüsk abgewiesene Vorschlag eines „Schuldentilgungsfonds“ zur Reduzierung der Staatsschulden in Europa – immer wieder erhitzten sich an den Vorschlägen des Rates die Gemüter. Dies umso mehr, als die Eliteökonomen vor allem mit ihren Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung stets aufs Neue Angriffsflächen boten.
Nur ein einziges Mal stimmte ihre Prognose
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat jetzt in einer Untersuchung Vorhersagen des SVR und die Realität seit 1970 gegenübergestellt. Und das Ergebnis lässt in der Tat Zweifel aufkommen, ob diese pseudo-exakten Wachstumsprognosen bis hinter die Kommastelle überhaupt Sinn machen. Fakt ist, dass die „Fünf Weisen“ in der Zeit bei ihren Vorhersagen genau ein einziges Mal ins Schwarze getroffen haben. Das war 1981, als die erwarteten 0,5 Prozent Wachstum tatsächlich eintrafen. Ansonsten lagen die Experten chronisch daneben, zum Teil sogar eklatant. 2009 etwa, als eine stagnierende Wirtschaft vorhergesagt wurde, tatsächlich aber das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Reaktion auf die Finanzkrise um über fünf Prozent einbrach.
Oder 2006: Statt nur um 1,0 Prozent zu wachsen, erlebten deutsche Unternehmen – ähnlich wie 1972 – mit einem BIP-Plus von 3,7 Prozent einen regelrechten Boom. In den Jahren 1975, 1982 und 2003 dagegen hatten die Weisen fest mit teils kräftigem Wachstum gerechnet. Stattdessen stürzte die Wirtschaft sogar in die Rezession.
Im Schnitt, so haben andere Experten errechnet, gingen die Prognosen seit der Wende um 1,3 Prozent an der Wirklichkeit vorbei – zumeist waren sie zu optimistisch. Wäre eingetroffen, was die Weisen seit 1990 prophezeit haben, dann wäre Deutschland heute um 160 Milliarden Euro reicher.
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