Massiver Kostenanstieg

Wohnungskrise: Arme und Migranten zahlen immer mehr für ihre Miete - Reiche kaum betroffen

Erik Thieme

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28.02.2025, 17:18 Uhr
Mehr als die Hälfte der Deutschen lebt zur Miete.

© IMAGO/imageBROKER/Helmut Meyer Mehr als die Hälfte der Deutschen lebt zur Miete.

Mehr als die Hälfte der Deutschen lebt dem Statistischen Bundesamt zufolge zur Miete und musste damit in den vergangenen Jahren immer mehr für ihren Wohnraum ausgeben. Bundesweit stiegen die Mieten alleine seit 2020 um rund 8,6 Prozent an. Diese Steigerung trifft Menschen mit niedrigem Einkommen allerdings deutlich härter als Mieter mit einem höheren Gehalt. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung für die Jahre 1990 bis 2020.

Der Studie zufolge gaben Menschen aus dem oberen Fünftel der Einkommensverteilung 2020 knapp 18 Prozent ihres Einkommens für Miete aus, ein Anstieg von lediglich zwei Prozent im Vergleich zu 1990. Das gilt jedoch nur für deutsche Einwohner, bei Mietern, die einen Migrationshintergrund haben und ebenfalls zur einkommensstärksten Gruppe gehören, beträgt der Anstieg drei Prozent.

Im Verhältnis zahlen die Ärmsten am meisten

Menschen aus dem unteren Fünftel der Einkommensverteilung hingegen gaben 2020 im Schnitt 44 Prozent ihres Einkommens für Miete aus. Hier ist der Anstieg im Verhältnis allerdings deutlich größer, verglichen mit 1990 ergibt das eine Steigerung von zwölf Prozent. Der Studie zufolge ist der Anstieg bei Menschen mit Migrationshintergrund sogar noch drastischer. Demnach beträgt der Anstieg in dieser Gruppe sogar 21 Prozent im Vergleich zu 1990.

Laut der EU beginnt einer Überbelastung der Mieter dann, wenn sie mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Nettoeinkommens für Wohnen ausgeben. Schon 2023 betraf das 13 Prozent der Deutschen, EU-weit kommen nur Dänemark, Luxemburg und Griechenland auf einen höheren und damit schlechteren Wert. Insgesamt lag der Schnitt in der Europäischen Union bei 8,8 Prozent.

Wohnungsforscher fordert Umdenken

Sebastian Schipper, Stadtgeograph und Wohnungsforscher an der Goethe-Universität Frankfurt a. M., sieht hier ein strukturelles Problem. "Seit nun mittlerweile über 10 Jahren verschärft sich in Anbetracht steigender Mieten und Wohnungskosten die Wohnungskrise für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen. Dabei offenbart sich erneut, dass die private und gewinnorientierte Wohnungswirtschaft nicht in der Lage ist, die Wohnungsfrage zu lösen und den drängenden sozial-ökologischen Herausforderungen angemessen zu begegnen". Er fordert ein grundlegendes Umdenken, was die Eigentumsverhältnisse von Wohnraum angeht.

"Geboten ist daher ein grundlegender Wandel der Eigentümerstruktur, welcher den öffentlichen, gemeinnützigen und genossenschaftlichen Sektor stärkt und die Vergesellschaftung der finanzmarktorientierten Großvermieter einschließt."

Wieso steigt der Mietkostenanteil überhaupt?

Für die Steigerung des Mietkostenanteils macht die Studie vor allem die Entwicklung der Mietpreise verantwortlich. Dementsprechend sind Menschen, die schon lange in der gleichen Wohnung leben, weniger betroffen, als Mieter mit Neuverträgen. Auch aus diesem Grund trifft der Anstieg Zugewanderte besonders stark.

Die Studie führt allerdings auch wachsende Einkommensungleichheiten als Grund für den Anstieg des Mietkostenanteils auf. Gegenüber dem Spiegel erklärte das Institut, dass hohe Einkommen in den letzten drei Jahrzehnten real um etwa ein Drittel angewachsen seien. Menschen mit geringem Einkommen hingegen mussten Realeinkommensverluste von einem Fünftel hinnehmen. Unterm Strich hat diese Bevölkerungsgruppe also nicht nur weniger Geld zur Verfügung, sondern muss davon auch noch verhältnismäßig viel für die eigene Wohnung ausgeben.

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