Zum Online-Banking geht es ins Internetcafé
12.03.2008, 00:00 Uhr
Der internetcafé-unerfahrene Besucher stutzt schon an der Eingangstür des flat-s. «20 Stunden surfen für 55 €« steht da auf der Preistabelle. Wer bitte surft 20 Stunden im Internet? Freilich - theoretisch wäre das hier, im sieben Tage die Woche rund um die Uhr geöffneten Café im Hauptbahnhof, möglich. Doch Bernd Berberich, einer der drei Gesellschafter des flat-s, winkt ab: «Kunden, die oft kommen, können sich bei uns ein Konto über 20 Stunden aufladen.«
Für Stammkunden - und das sind 80 Prozent aller Besucher - rentiert sich das. Ein Mann der ersten Stunde («ich stand schon vor der Tür, da war noch nicht mal eröffnet«) ist Joachim Herth. Der 59-Jährige kam durch flat-s erst zum Internet, doch seit der Eröffnung 2002 gehört er zum «Inventar«, erzählt Chef Berberich.
Sogar «eigener« Computer
Herth ist leidenschaftlicher Schachspieler - und anfangs eigentlich nur gekommen, um im Internet die Ergebnisse seines Vereins abrufen zu können. Doch er blieb und spielt mittlerweile morgens vor der Arbeit, in der Mittagspause, nach Dienstschluss und am Wochenende online Schach und Skat. Heute hat er im flat-s einen «eigenen« Computer, auf dem er Dateien - und eine Million Schacheröffnungen - gespeichert hat.
Szenenwechsel: Im Internetcafé Netzkultur im Maximum, das bei der Eröffnung 1992 nach Aussage von Inhaber Konstantinos Lianos «das erste oder zweite in ganz Deutschland« war, warten 19 Rechner auf Besucher. Hauptsächlich sind das Stammkunden. Aber auch Touristen und Studenten, die frisch umgezogen sind und noch keinen Internetzugang haben, oder «Leute, die unterwegs sind und mal schnell eine Auktion bei Ebay tätigen müssen«.
Die Arbeitsplätze der Kunden sind durch metallene Gitter getrennt, die (fast) freie Sicht auf den Monitor der Nachbarn erlauben. «Auf diese Weise herrscht soziale Kontrolle«, erklärt Lianos. Jeder passe auf jeden auf.
Verzicht auf elektronische Webfilter
Auf elektronische Webfilter, der bestimmte Seiten sperrt, verzichtet Lianos. Denn damit «gab es in der Vergangenheit immer Probleme. Wenn man zum Beispiel ,Staatsexamen‘ in die Suchmaschine eingibt, erhält der Nutzer keine Treffer, weil vom Filter die Buchstabenkombination ,sex‘ geblockt wird«, erklärt er.
Wer mit einem Internetcafé bestehen will, braucht ein eigenes Rezept: Konstantinos Lianos setzt neben einem modernen Ambiente auf Service - für Anfänger gibt es Kurse - und Datensicherheit. Kunden, deren Virenschutz daheim nicht auf dem neuesten Stand ist, kommen ins Netzkultur, weil «ihnen hier nichts passieren kann«. Vor allem Online-Bankgeschäfte erledigen sie deswegen im Internetcafé. Denn «wir haben keinen Standard-Virenschutz, sondern einen besonderen für Unternehmen«.
Auch Berberich und seine Mitstreiter haben ein besonderes Erfolgsgeheimnis. Zum einen hilft ihnen ihr guter Standort, aber auch «unsere Qualität«, die sich nach der Überzeugung des Teams in der Hardware oder eben auch durch bequeme Stühle zeige.
Besucher sollen sich wohlfühlen
Das Licht im flat-s ist gedämpft, Teppichboden schluckt die Schritte der Kunden. Auf den großen Fernsehern laufen Musikvideos, FCN-Fähnchen und Spielerfotos an der Wand verraten den Club-Fan. Die Betreiber wollen, dass sich die Besucher wohlfühlen. Dazu zählt auch, dass hier der Name Internetcafé gerechtfertigt ist. «Wir legen viel Wert auf den Gastrobereich in der Mitte des Raumes. Er soll Begegnungspunkt sein«, erklärt Berberich.
Die Klientel, die man in einem Internetcafé am Bahnhof eigentlich hauptsächlich vermutet, macht an den 38 Arbeitsplätzen nur einen kleinen Teil aus: die Reisenden. Eine von ihnen, eine junge Frau mit dickem Rucksack und gebrochenen Englisch, kämpft gerade mit der Technik. Immer wieder wendet sie sich an Berberich: «Can you help me?« Er kann.
Populär geworden sind Internetcafés ab 1994 in den USA, heute sind sie in jeder Stadt zu finden. Allein in Nürnberg gibt es zur Zeit 81. Die Einhaltung des Jugendschutzes ist mitunter ein heikles Thema. Doch im flat-s «wird er groß geschrieben«, sagt Berberich: «Wir arbeiten hier intensiv mit dem Jugendamt zusammen.« Zutritt haben grundsätzlich erst Besucher über 16 Jahren. Ein spezieller Filter sperrt Internetseiten mit neonazistischem oder pornografischem Inhalt.