Mangolds Taxiruf
Wollen Sie mal wieder so richtig sorglos abfeiern? Melden Sie doch einfach eine Corona-Demo an!
8.1.2022, 06:51 UhrWer in diesen unübersichtlichen und grauen Pandemiezeiten mal wieder so richtig hemmungslos mit Freunden Spaß haben und abfeiern will, dem sei empfohlen, eine Demonstration anzumelden. Am besten eine gegen die Coronamaßnahmen. Es reicht inzwischen sogar, gar nichts anzumelden, sondern sich zu einem sogenannten Spaziergang zu verabreden.
In Nürnberg und in vielen anderen Städten geschieht das in letzter Zeit ständig. Wer in die Nähe einer solchen Versammlung bzw. Menschenansammlung gerät, kann nur staunen, wie konsequent und dreist dort sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen ignoriert werden. Man steht oder läuft eng an eng, skandiert oder singt gemeinsam, hakt sich unter, tanzt ein bisschen und trägt bei all dem selbstverständlich keine Maske.
Bunte Zusammenkünfte sind das: von Querdenkern, Coronaleugnern, Esoterikern, Wut- und Reichsbürgern, Naturheilkundlern, Impfgegnern, Yogafetischisten und anderen sogenannten achtsamen, aber vor allem ihr eigenes Ego und ihre Befindlichkeit umkreisenden Menschen bis zu handfesten Rechtsextremen läuft sich da so alles über den Weg.
Dem Austausch von Spucke und Aerosolen auf engem Raum sind damit keine Grenzen gesetzt. Je ansteckender die gerade kursierende Virusvariante ist, desto leichter springt nicht nur die aus der Selbstermächtigung erwachsende Begeisterung zwischen den gleich- oder andersgesinnten Ignoranten über, sondern auch die Infektion. Und alle diese Menschen, die sich dort drängen, haben natürlich Angehörige, Freunde und Bekannte, an die sie dann ihre Demo- oder Spaziergangsmitbringsel weitergeben können.
Kultur- und Sportveranstaltungen sind weit heruntergefahren; Bars, Clubs und Diskos sind geschlossen; in Restaurants und Geschäften muss man Nach- und Ausweise vorzeigen, Masken tragen, Hände desinfizieren und einem labyrinthischen Wirrwarr aus Regeln und Pfeilen folgen; vorsichtige und verantwortungsvolle Menschen haben selbst unterm Christbaum die Sicherheitsabstände penibel vermessen sind sogar an Silvester ziemlich allein geblieben. Doch bei den Demonstrierenden und Spazierengehenden gilt im wahrsten Sinne des Wortes das Gesetz der Straße: Die Polizei schaut zu, sieht, wie dort alle Corona-Regeln krass missachtet werden - und greift nicht ein.
Wer also die Disko vermisst, kann Party derzeit auf der Anti-Corona-Maßnahmen-Demo machen. Das Demonstrationsrecht ist in diesem Land heilig - und das ist auch gut so. Aber wenn daraus hemmungslose Virenfeiern werden, dann verhöhnt das alle anderen Menschen, die sich anstrengen und einschränken, damit die Pandemie kleingehalten oder bald überwunden wird. Und spätestens da hört der Spaß auf. FLORIAN MANGOLD
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