Zwölf Metzger zeigen Haut
29.09.2010, 07:00 Uhr
Es geht um Fleisch, um was sonst. Um rosiges Schweinefleisch, gepresst in pralle Wursthäute. Aber auch um schweißglänzende, nackte Männerhaut, die auf mageren Reklame-Sexappeal pfeift. Da wölbt sich so manches pralle Bäuchlein, Mann scheut sich nicht vor Selbstironie, vor großen Gesten im Kühlraum oder gespielter Verzweiflung am Fleischerhaken.
Beispiele gefällig? Das ansehnliche Juni-Model nimmt ein heißes Bad im Wurstkessel und markiert trotz zarter Schaumkrönchen den Mafioso. Im Mundwinkel hängt ihm eine Zigarre, die eigentlich ein Pfefferbeißer ist. Metzgerhumor eben.
Gefesselt mit Wurst
An dem fehlt es nicht. Sonst würde das kräftig gewachsene Mannsbild, das für den Februar posiert, nicht ein Dutzend Stadtwurstringe überm haarigen Bauch stemmen, als wär’ gerade Fleischer-WM. Ganz zu schweigen von jenem bedauernswerten Metzgermeister, der, mit einer endlosen Kette geräucherter Bratwürste an den Stuhl gefesselt, das Opfer spielt. Oben ohne, versteht sich. Es sind natürlich Frauen, die diesen Leckerbissen ausgekocht haben. Angelika Ziegler, die Geschäftsführerin der Nürnberger Fleischerinnung, hatte die Idee („Ästhetisch, cool und mit einem Augenzwinkern gemacht muss das sein“). Dass auch Fleischhandwerker interessant, humorvoll und auf der Höhe der Zeit sind, dafür will sie mit dem Kalender für 2011 den Beweis antreten.

Denn die Lage ist ernst. Gab es vor zehn Jahren in der Stadt noch 100 selbstständige Innungsbetriebe, so sind das heute nur noch ganze 75. Supermärkte, Filialisten, Discounter graben den Metzgern das Wasser ab, dabei seien die stolz auf ihre Kunst und die Qualität von Hausgemachtem, heißt es. Angelika Ziegler von der Fleischerinnung: „Billigfleisch aus Turbozüchtungen ist doch geschmacksneutral.“ Also ist der Kalender auch eine Image-Kampagne in eigener Sache. Es seien doch vorwiegend Frauen, die einkauften, heißt es, Pin-up-Girls für Männer gebe es genug. Das druckfrische Werk wird Mitte Oktober über den Tresen gereicht. Das Zeug zum Renner hat dieser Kalender allemal. Profi-Fotografin Sandra Lachner, die sonst eher Mode ablichtet, hat in den jeweiligen Metzgereien der Darsteller auf den Auslöser gedrückt. Nur fürs Grafik-Design musste ein Mann ran, nämlich Kommunikationsdesigner Sven Seibert vom Atelier Kämpf.
Stadtwurst mit Musik, das ist das doppeldeutige Thema von Metzgermeister Gerhard Meyer, der auf dem Foto überm offenen Arbeitshemd munter das mit Stadtwurstringen beladene Flügelhorn bläst. „Was die Landfrauen können, können wir auch“, sagt der Obermeister der Innung, der im Posaunenchor St. Johannis musiziert. Klar habe es anfangs Debatten übers Ausziehen gegeben, berichtet Meyer, der am Kirchenweg wurstet. Handfester Kompromiss: „Der eine hat halt einen Kittel an, der andere nicht.“ Metzger Martin Volkert (53) aus Katzwang hat sich für die Toga entschieden, er gibt im Wonnemonat Mai den fülligen Nero mit Siegeskranz und gesteht, dass seine Angetraute seine Model-Ambitionen sehr spöttisch zur Kenntnis genommen hat. Sie habe „alter Depp“ gemurmelt; ihn hielt das nicht ab.

Natürlich werde er den Kalender ins Schaufenster stellen, sagt Volkert und verrät gleich sein eigenes Lieblingsmotiv: Es ist das Januar-Bild, bei dem ein Metzgermeister gefesselt am Wursthalter hängt und so depressiv schaut, als ging’s zu Ende. „Wie wenn der Schussapparat gleich käme“, kommentiert Kollege Volkert fachkundig.
Manfred Seitz (56) wollte sich eigentlich raushalten aus dem Foto-Projekt. „Ich bin gezwungen worden“, sagt der Vize-Obermeister, der im neckisch geöffneten Schutzanzug in seinem Kühlraum an der Fürther Straße fröstelt. Seine Kunden aber warten schon auf den Verkaufsstart. Wurst gibt es schließlich alle Tage.
Der Kalender ist ab 15. Oktober in zwei Größen für 13 beziehungsweise 18 Euro bei der Fleischerinnung, Schlachthofstraße 8, Tel. (0911) 262792, und in vielen Metzgereien zu haben.