Modellbau: Römer-Schiffe ankern im Schaufenster

16.1.2009, 00:00 Uhr
Modellbau: Römer-Schiffe ankern im Schaufenster

© Sippel

In der Stadt herrscht reges Treiben: Auf einem Markt feilschen an die hundert Miniaturmenschen um Waren und eine Einheit Legionäre marschiert durch einen Triumphbogen. «Winterhafen» hat Lutz-Peter Lehmann sein Kunstwerk im Maßstab 1:72 benannt. Es ist ein «Work in Progress», also ein Projekt, an dem sein Schöpfer ständig weiterarbeitet, das er immer wieder verändert und erweitert.

Lehmann ist ein Mann mit vielen Ideen und Fähigkeiten. In seiner Wohnung sind Alltagsleben und künstlerisches Schaffen untrennbar miteinander verschmolzen. An den Wänden seines Wohnateliers hängen selbstgemalte Bilder. Neben einem vorsintflutlichen Computer steht eine Staffelei. In einer Ecke prangen römische Schwerter und Helme und auf der Wohnzimmerkommode sind halbfertige Schlachtschiffe wie in einer antiken Schiffswerft aufgereiht.

Ursprünglich hat der 55-Jährige Malerei und Kunstgeschichte an der Kunstakademie Nürnberg studiert. Vor allem mit Zeichnungen von traumhaften Stadtarchitekturen hat er sich schon während seines Studiums einen Namen gemacht. Irgendwann wollte er dreidimensionale Modelle von seinen Architekturen erstellen. Da ihm das zunächst zu komplex erschien, begann er sich mit Hilfe von Schiffsmodellen die erforderlichen Fingerfertigkeiten anzueignen. Nebenher zeichnete und malte er weiter. Schon damals wollte er nicht auf Bausätze zurückgreifen, sondern jedes Teil selbst bauen.

«Die ersten Schiffe waren meiner Ansicht nach grottenschlecht», erzählt er belustigt. Einige davon hat er mit Schwarzpulver gefüllt und auf dem Dutzendteich in die Luft gesprengt. Später sind die Leute auf ihn und seine Modellbauarbeiten aufmerksam geworden. Eines seiner Modelle steht heute sogar im Gäubodenmuseum in Straubing.

Lehmann kennt sich im antiken Schiffsbau bestens aus, denn er möchte ein Abbild der damaligen Zeit wiedergeben. «Nicht alles ist wissenschaftlich», gibt er zu. Dennoch hält er sich bei seinen Modellen möglichst genau an historische Vorgaben. Orientierung geben ihm antike Autoren, wie zum Beispiel Vitruv, Vegetius und Thukydides.

Der Modellbauer bedauert es, dass es so wenig antike Bilder von Schiffen gibt. Deshalb dienen ihm oft archäologische Rekonstruktionszeichnungen als Vorlage. Ein echter Glücksfall war es, als 1981/82 in Mainz bei Ausschachtungsarbeiten fünf originale römische Schiffswracks gefunden wurden. «Die Mainzer Schiffsfunde waren für mich essenziell», erzählt er. «Mein Ziel war es, die Dinger möglichst genau nachzubauen».

Viele seiner Modelle konstruiert Lehmann auf seinem runden Wohnzimmertisch. Jetzt liegt dort ein angefangener Schiffsrumpf neben einer leeren Weinkaraffe und einem überquellenden Aschenbecher. Winzige Schiffsplanken stecken in einem Wasserglas und eine Dose Stecknadeln wartet auf ihren Einsatz.

Lehmann entwickelte eigene Modellbau-Methoden

Der Künstler hat eigene Modellbaumethoden entwickelt. Für seine neuste Methode diente die römische Serienfertigung von Schiffen als Vorbild. Seitdem hat sich Lehmanns Schiffsbau enorm beschleunigt. «Jetzt geht das ratzfatz», kommentiert er zufrieden. Auf wiederverwendbare Holzgerüste – sogenannte Mallen – befestigt er Spanten und Planken mit Stecknadeln.

Zuvor werden die Hölzer geschnitten und im Wasser eingeweicht. Nach dem Trocknen und dem Verkleben der Einzelteile, wird die Malle wieder entfernt. Anfangs liegt die Stärke der Planken etwa bei 1,5 mm. Nach dem Abschleifen sind die Hölzer dann nur noch 0,6 – 0,8 mm dick. Entsprechend zart fühlen sich die fertigen Schiffsrümpfe an.

Nun baut Lehmann bereits seit über 30 Jahren Modelle. An die 60 Schiffe, vom Ruderboot bis zum Großkampfschiff, sind in seinen Händen entstanden.

Seine Methoden hat er so weit verfeinert, dass er immer wieder daran denkt, sie als Bausatz einmal selbst zu vermarkten.

Mittels einer neuen Bautechnik kann er jetzt auch Wasserlinienmodelle schneller bauen. Das sind Schiffe, die so aussehen, als würden sie tatsächlich im Wasser schwimmen. Er träumt davon, einmal das Modell eines der riesigen Schlachtschiffe von Antonius zu bauen.

«Die müssen so groß gewesen sein, wie eine Boing», erklärt er. Im Maßstab 1:72 wäre so ein Schiffsmodell einen Meter lang. Aber er hat viele Träume, wie er von sich selbst sagt. Auch die fantastischen Stadtarchitekturen, für die er sich den Modellbau ursprünglich aneignete, hat er nie aus den Augen verloren. Er versichert selbstbewusst: «Irgendwann baue ich die Modelle, für die das Ganze ursprünglich gedacht war».

Keine Kommentare