SUV-Offensive und Elektro-Auftrieb

26.3.2018, 21:21 Uhr
SUV-Offensive und Elektro-Auftrieb

© Hersteller

Vor über 30 Jahren hat VW etwas entscheidend richtig gemacht: Damals schon wagten die Niedersachsen den weiten Weg nach China, lange bevor das Reich der Mitte für nahezu alle Automobilhersteller zum Gelobten Land wurde. Das erste komplett in China produzierte Modell war der Santana, ab 1985 rollte er in Shanghai vom Band. Seither hat Volkswagen mit seinen staatlicherseits verordneten Joint-Venture-Partnern FAW und SAIC über 27 Millionen Fahrzeuge in China verkauft, allein im letzten Jahr die Rekordzahl von 3,2 Millionen. Das entspricht einem Marktanteil von 13 Prozent und der unangefochtenen Marktführerschaft.

Ausruhen gilt aber nicht, denn schon spürt VW den heißen Atem der Konkurrenz im Nacken, und die heißt nicht Toyota, Honda oder Mercedes, sondern kommt aus China selbst. Geely - Eigentümer von Volvo und frischgebackener Großaktionär von Daimler - rangierte 2017 beim Marktanteil bereits auf Rang drei, Baojun auf dem siebten und Chang'an auf dem achten Platz. Noch 2010 war keiner dieser einheimischen Hersteller unter den Top Acht vertreten gewesen.

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Zwölf SUVs bis 2020

Befeuert wurde der Aufstieg der Chinesen auch vom SUV-Boom, der im Reich der Mitte besonders nachdrücklich grassiert. Im Bestreben, seine Pole Position zu verteidigen, hat VW folgerichtig eine SUV-Offensive für China ausgerufen. Heißt: Man wandelt sich, vom auf Limousinen fokussierten Hersteller hin zum SUV-Grossisten. Mit der Langversion des Tiguan (Tiguan L), dem großen Teramont (der dem in den USA angebotenen Atlas entspricht) und dem jetzt neu vorgestellten Touareg hat VW im Augenblick zwar drei Erfolgsmodelle im Portfolio, aber eben nur drei. Bis 2020 soll sich das SUV-Angebot auf zwölf Modelle ausweiten. Dazu gehört unter anderem der auch bei uns angebotene kompakte T-Roc, aber auch ein sogenanntes "Family-SUV", das umgerechnet rund 25.000 Euro kosten wird und von dem man sich viel verspricht.

Bei uns zählen SUVs zu den bevorzugten Hassobjekten von Öko-Fundamentalisten, die teils noch immer nicht bemerkt haben, dass die kompakteren und und frontgetriebenen Vertreter der Gattung oft kürzer und leichter als ein VW Golf sind und die außerdem den großen Erfolg der Hochsitzer beim Kunden - plus 30 Prozent allein im Februar - geflissentlich negieren. In China hingegen ist es keineswegs politisch unkorrekt, mit Inbrunst das "Jahr des SUVs" auszurufen, wie es Stephan Wöllenstein, CEO Volkswagen Brand China, tut. Auch wenn China-Marketingchef Michael Mayer euphorisiert berichtet, dass man es in China alle fünf Jahre mit einer neuen Käufergeneration zu tun habe (in Deutschland alle 15 Jahre), dass die chinesischen Kunden im Schnitt 30 Jahre zählen (Deutschland 50), wenn Volkswagen-Markenvorstand Jürgen Stackmann davon schwärmt, dass "China mehr als jeder andere Markt online" sei, vom Online-Payment bis hin zum Gebrauch von Super-Apps - dann schauen sich die Europäer ratlos an, von einem unschönen Gefühl des Zurückgebliebenseins im Pleistozän der Mobilität beschlichen.

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Zweite Heimat von VW

China sei der am dynamischsten wachsende und herausforderndste Markt, jubelt Stackmann weiter, die zweite Heimat von VW. Außerdem dominiere China schon heute als größter Markt für Elektromobilität. Auch hier will VW folglich einhaken. Noch in diesem Jahr kommt eine Plug-in-Version des Tiguan auf den Markt, ebenso wie eine vollelektrische Version des Bora, dies eine Limousine der unteren Mittelklasse. Und ab 2020 werden - wie die Europäer und die Nordamerikaner - auch die Chinesen in den Genuss der rein elektrischen I.D.-Familie gelangen, zu der beispielsweise der kompakte I.D., der Crossover I.D. Crozz und das große Flaggschiff I.D. Vizzion zählen.

China treibt die Elektromobilität besonders rigoros voran. 2019 kommt die E-Auto-Quote. Und während man in Großstädten wie Shanghai vier Jahre auf ein Nummernschild für Autos mit Verbrennungsmotor warten muss, wird es E-Mobilen sofort zugeteilt. Die Stromer dürfen auch täglich und rund um die Uhr in die City. Wer eine solche elektrische Revolution feiert, darf freilich nicht vergessen, dass derartige Maßnahmen in einer Autokratie verhältnismäßig einfach durchzusetzen sind, dass China noch immer reichlich schmutzigen Kohlestrom nutzt - und in den nächsten Jahren 20 neue Atomkraftwerke bauen will.

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