"Die Spur": Jagdszenen in der polnischen Provinz

4.1.2018, 09:00 Uhr

© Filmkinotext

Selten haben die Lichtverhältnisse in einem Film eine so augenfällige Rolle gespielt wie in "Die Spur". Die Geschichte, die in einem Bergdorf an der polnisch-tschechischen Grenze spielt, beginnt extrem düster. Lange liegt eine farbentleerte Dämmer-Atmosphäre über der Szenerie — fast wie in einem skandinavischen Krimi wird damit eine ungemütliche Kälte förmlich spürbar gemacht.

Das Setting fungiert genauso als Stimmungsverstärker für die Story wie das verschrobene Personal: In der abgelegenen Gegend treiben sich Wilderer und gierige Jäger herum, die mitnichten am ökologischen Gleichgewicht in der Natur interessiert, sondern testosterongesteuerte, rohe Kerle sind. Wie wenig Respekt sie vor der Kreatur haben, zeigt Agnieszka Holland in drastischen Bildern. Die pensionierte Ingenieurin Janina bringt das auf die Palme. Doch gegen die Jäger hat die kratzbürstige Tierfreundin, die mit ihren Hunden auf einem einsamen Hof lebt, keine Chance.

Irgendwann taucht der erste Tote auf, bald gehen die Morde in Serie. Und es sieht beinahe so aus, als würde die malträtierte Tierwelt zurückschlagen. . .

Beherzt kreuzt Angieszka Holland nach einer Romanvorlage surreale mit naturalistischen Szenen, die Grenzen zwischen Märchen und Krimi sind bei ihr fließend. Dabei arbeitet die Regisseurin nicht auf maximale Spannung hin, auch gibt es kein Solo für einen ausgefuchsten Kommissar, der die rätselhaften Todesfälle aufklärt. Viel besser funktioniert das Verwirrspiel, in dem auch schwarzer Humor aufblitzt, als durchtriebene Parabel auf die gesellschaftlichen Zustände in Polen.

Im Zentrum steht unangefochten Tierschützerin Janina, die von Agnieszka Mandat-Grabka eindringlich gespielt wird. Wenn sie im Polizeipräsidium auftaucht, um vergeblich Anzeige zu erstatten, wechselt die Kamera ständig zwischen den herangezoomten Gesichtern. Hier die Ökoanarchistin, dort der bräsig-ignorante Beamte — die Kluft ist unüberbrückbar.

Die Mächtigen lassen die "kleinen Leute" abtropfen, Machos nutzen Frauen aus. Korruption ist an der Tagesordnung, und jeder ist sich selbst der Nächste. Auch wenn die Botschaft dem Film einige Schwere verleiht, ist die Welt hier nicht strikt in Gut und Böse unterteilt, sondern durchaus ambivalent. Janinas Tierliebe etwa hat deutlich pathologische Züge.

Auch Schwarzmalerei hat Holland nicht im Sinn. Im Gegenteil, der atmosphärisch dichte Film wird immer heller und munterer, je mehr Männer das Zeitliche segnen. Dazu tauchen Figuren auf, die sich bei aller Kauzigkeit als gute Kerle entpuppen und auf Janinas Seite schlagen. Am Ende triumphiert eine nette Utopie im strahlenden Licht. Da ist man nach der düsteren Langstrecke auch als Zuschauer erleichtert. (P/D/S/128 Min.)

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