"Die Verführten": Erotische Machtspiele im Mädchenpensionat

29.6.2017, 08:00 Uhr

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Es ist die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. Doch in die verwaiste Mädchenschule, die irgendwo in Virginia an einen fast märchenhaften Wald grenzt, dringt im Jahr 1864 nur hin und wieder der Kanonendonner. Lediglich eine Handvoll Schülerinnen und zwei Lehrerinnen sind in dieser beklemmenden, weil eben nur vermeintlichen Idylle zurückgeblieben. Während sich draußen die Natur das Terrain zurückerobert, herrscht im Inneren der klassizistischen Villa unter der Leitung von Miss Martha (Nicole Kidman) immer noch schulmeisterliche Kontrolle und Pragmatismus.

Bis eines der Mädchen im Wald einen verwundeten, feindlichen Unions-Soldaten findet und ihn ins Pensionat schleppt. Statt diesen Corporal McBurney (Colin Farrell) gleich auszuliefern, beschließt Miss Martha ihn aufzunehmen und erst mal gesundzupflegen.

Die Geschichte, die auf einem Roman basiert, hatte Don Siegel 1971 schon einmal mit Clint Eastwood verfilmt. Anders als bei Siegel spielen Bürgerkrieg und Sklaverei bei Coppola keine Rolle. Was sie nach dem Auftakt inszeniert, gleicht einer Versuchsanordnung, für die Zeit und Zeitgeschehen allerdings die idealen Bedingungen liefern. In diesem Setting bilden die Frauen und Mädchen eine isolierte Schicksalsgemeinschaft. Wie fragil dieses Gefüge ist, zeigt sich bald, denn der Feind im Haus entwickelt sich schnell zum Hahn im Korb, um dessen Aufmerksamkeit jede aus der Gruppe mit ihren eigenen Tricks buhlt. Hier ist einmal nicht die Frau das Objekt der Begierde, sondern ein Mann. Auf ihn, der in Zeiten des Krieges emotional und sexuell ebenso ausgehungert ist, wie seine Gastgeberinnen, projizieren die Frauen ihre erotischen Fantasien und Sehnsüchte.

Ein feministischer Film ist "Die Verführten" trotz dieses Rollentausches und des weiblichen Blickwinkels, den die Regisseurin wählt, noch lange nicht. Der versehrte Soldat kann aus dem Aufruhr weiblicher Gefühle leicht seinen Nutzen ziehen. Und unter den Frauen — darunter Kirsten Dunst als verliebte Lehrerin und Elle Fanning als Lolita-hafte Schülerin — werden kleine, mitunter sogar witzige Sticheleien zu veritablen Konkurrenzkämpfen. Bis die Story eine scharfe Wendung zum Thriller nimmt und ein aufreibender Machtkampf in ein schnelles, dramatisches Ende mündet...

Selbst wenn dem Film auf ganzer Strecke eine gewisse Künstlichkeit anhaftet, die einen auf Distanz hält, und die Abgründe der Figuren nicht ganz ausgelotet werden — Sofia Coppola schafft es mit ihrem Schauspieler-Team, die Spannungen zwischen den Protagonistinnen und ihrem Patienten greifbar zu machen. Besonders subtil gelingt das in der ersten Hälfte, da genügt ein Blick, eine kleine Geste oder einfach nur Nähe. Im Kontrast zu den sepiafarbenen Bildern und der ruhigen Kameraführung wird die aufgeheizte Stimmung um so deutlicher. (USA/93 Min.)

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