"Loving Vincent": In van Goghs Bilderwelt kommt Bewegung

28.12.2017, 08:00 Uhr

© Sp.z.o.o. & Loving Vincent Ltd./Weltkino

Über Vincent van Gogh, dem die Widrigkeiten seines Lebens eine nahezu übermenschliche Leidensfähigkeit abverlangten, hätte leicht ein weiterer Künstler-Klischee-Film entstehen können. Aber zum Glück gelingt hier mit dem denkbar größten künstlerischen Anspruch etwas gänzlich Neues. Dorota Kobiela und Hugh Welchman wagen das großartige Experiment, einen ganzen Film aus gemalten Bildern zu komponieren.

Selbstredend handelt es sich - das gebietet die Authentizität - um echte Ölgemälde, die van Gogh selbst gemalt hat, Stillleben und Porträts, 130 an der Zahl! Sie alle erwachen als bewegte Animationen zum Leben - Felder mit goldener Ernte, Landschaften mit Booten, rötlichen Sonnenbällen und wilden Wolkenbergen. Und dazu all die Menschen, die der produktive, unentwegt sich seiner Arbeit verpflichtende van Gogh, der nur dank seines ihn finanzierenden Bruders Theo überhaupt seinen Weg als Künstler gehen konnte, in den letzten zehn Wochen vor seinem Tod porträtierte.

Das sinnliche, visuelle Erlebnis verbindet sich dabei mit einem hoch spannenden Krimi um den geheimnisumwitterten Tod des Malers: Armand, der Sohn des Postboten Raulin, begibt sich auf eine Spurensuche van Goghs, der in dem unweit von Paris gelegenen Dorf Auvers-sur-Oise vermeintlich Selbstmord beging. Der junge Mann befragt dort alle Personen, die Vincent gemalt hat: die Tochter des Wirts, in dessen Gasthof er zuletzt logierte, den Bootsmann am Fluss, wo er seine Tage verbrachte, den zwielichtigen Arzt Gachet, der ihn nach seiner Entlassung aus der Nervenheilanstalt betreute, dessen geheimnisvolle Tochter und Gachets schnippische, bigotte Haushältern.

Angesichts widersprüchlicher Auskünfte regt sich mehr und mehr ein kühner Verdacht: Könnte es sein, dass van Gogh sich gar nicht selbst die Schusswunde zufügte, sondern Opfer eines Verbrechens wurde?

Wie sich die Puzzleteile zusammenfügen - die frei erfundene Story um den Detektiv Armand und die tatsächlichen Begebenheiten, soweit sie Kunsthistoriker etwa anhand kostbarer Briefwechsel rekonstruieren konnten, - das ist einfach grandios. Dass sich die Gegenwart bei alledem mit kraftvollen Farben von den konsequent in Schwarz-Weiß gehaltenen Zeichnungen in den Rückblenden absetzt, bringt bei alledem noch eine Raffinesse in die Erzählung. (GB/ PL/95 Min.)

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