«El Dorado» in der Kunsthalle Nürnberg

16.9.2009, 00:00 Uhr
«El Dorado» in der Kunsthalle Nürnberg

© Gerullis

Es ist eine komische Sache

«Mit den Menschenrechten ist es eine komische Sache. Ähnlich wie bei den Zehn Geboten meint jeder zu wissen, was drinsteht. Soll er sie aber zitieren, kommt er zu seiner Überraschung nicht über den ersten Artikel hinaus. Na ja, das mit der Würde vielleicht. Dann Gleichheit, Leben, Freiheit, vielleicht noch Sklaverei und Folterverbot. Danach, seien wir ehrlich, wird’s dünn», schreibt die Schriftstellerin Juli Zeh im Katalog zur Nürnberger «El Dorado»-Schau.

Dass jemand wie Juli Zeh überhaupt für das Projekt gewonnen werden konnte, lässt schon mal hoffen. Überhaupt mutet die Ausstellung «El Dorado», hat man sie erst mal betreten, recht bald wie ein heilsamer Gegenentwurf zur Politik der großen Gesten und Worte an. Kuratorin Harriet Zilch hat gar nicht erst versucht, mit den Arbeiten der 16 beteiligten Künstler aus dem In- und Ausland auf die Tränendrüsen zu drücken. Statt da zu verharren, wo schlicht Bilder von Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden wie etwa in den Medien, kreist die Schau die heikle Materie frech fragend und vielschichtig ein.

Konkret bedeutet das, dass man zum Beispiel eine pfiffige Erfindung der Künstlergruppe U.R.A. Filoart ausprobieren kann: Die hat frank und frei eine Apparatur erfunden, die es Bürgern in Zeiten zunehmender staatlicher Überwachungstendenzen ermöglicht, für Observationskameras unsichtbar zu werden. In der Kunsthalle kann man das Gerät in einem Proberaum testen. Es funktioniert!

Das breite Spektrum der Ausstellung reicht von Tobias Zilonys hochästhetischen Bildern eines heruntergekommenen Wüstendorfes in den USA über die feinteilig nachgebauten und fotografierten Miniatur-Slums von Oliver Boberg bis hin zu Jota Castros stiller Raumarbeit: Der gebürtige Kubaner zeigt anhand von 3700 gefalteten Papierschiffchen die Dimension von Flüchtlingsströmen.

Freilich: Ein Großteil der Werke erschließt sich dem Betrachter erst, wenn er die Hintergründe nachliest. So hat es etwa der Beitrag der Künstlergruppe «M + M» buchstäblich «in sich»: Die beiden haben Wortlaute der Reden von George W. Bush, dem Papst oder Angela Merkel grafisch zerlegt, Filmstills aus den Original-Fernsehberichten seriell eingearbeitet und somit für ein aufschlussreiches Erscheinungsbild des Wortflusses gesorgt. Die Wandarbeiten ermöglichen Röntgenblicke in die Phrasen der Mächtigen.

Die Salzburgerin Eva Grubinger wiederum zitiert in ihrer Installation «The Trial of Henry Kissinger» die Architektur des Internationalen Gerichtshofs von Den Haag.

Wo der Hammer liegt

Kissinger, während des Zweiten Weltkriegs als Jude verfolgt, hat für seine Beiträge zur Entnazifizierung 1973 zwar den Friedensnobelpreis erhalten. Gleichzeitig gab der gebürtige Fürther aber auch den Befehl zu tödlichen Angriffen in Vietnam und unterstützte den blutigen Putsch des Diktators Pinochets. Widersprach etwas seinem Weltbild, war er gnadenlos. In Grubingers Installation liegt der Hammer der Justiz deshalb nicht auf der Seite des Richters, sondern auf der des Angeklagten.

«El Dorado», das mythische Land des Goldes, das der Ausstellung ihren metaphorischen Titel leiht, gibt es nicht. Aber das Ideal davon, die damit verbundene Hoffnung – und die Frustration. Von allem nicht zu wenig zeigt die Schau.

Bis 15. November, Kunsthalle, Lorenzerstr. 32; Di., Do – So. 10 – 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Eröffnung heute, 20 Uhr. Katalog 24 Euro.

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