Tua von den Orsons: "Wir sind keine meinungslosen Trottel"

7.4.2015, 20:20 Uhr
Die Schwaben mögen Hip-Hop. Am 13. April gastieren sie im Hirsch.

© pr Die Schwaben mögen Hip-Hop. Am 13. April gastieren sie im Hirsch.

Ihr Album heißt "What’s goes". Müsste es in richtigem Englisch nicht "What goes" heißen?

Tua: Nein, das ist in seiner Falschheit ganz richtig. "Denglisch" - die manchmal grammatisch falsche Mischung aus Deutsch und Englisch ist ein Thema, das sich durch das gesamte Album zieht und deswegen auch als Titel gut gepasst hat.

Ihr Album ist ein Potpurri aus verschiedenen Musikstilen wie Dubstep, Techno, Schlager, Popmusik und vielem mehr - wie kam das zustande?

Tua: Neben der Gruppe "Die Orsons" sind wir vier eigenständige Künstler. Jeder von uns hat seine eigene Ansicht, wie Musik sein sollte. Deswegen kommt von Lied zu Lied auch kein einheitlicher Klang zustande, sondern es dominiert immer einer oder zwei von uns den jeweiligen Song. Das Kunststück ist dann, dass das Album nicht in Einzelteile zerfallen darf, sondern immer noch als Einheit wahrgenommen werden soll.

Beschreiben Sie doch mal, wie typischerweise der Entstehungsprozess eines Liedes bei Ihnen ist?

Tua: Dazu muss man vorausschicken: Ausnahmen bestätigen die Regel, aber wenn wir beschlossen haben ein weiteres Orsons-Album zu machen, dann macht jeder von uns ein paar Skizzen. Das bedeutet, er schreibt vielleicht schon eine Strophe auf oder einen Akkord und wenn er denkt, dass er nun bereit ist, es den anderen Jungs vorzustellen, treffen wir uns. Dann reden wir darüber, manchmal scheitert der Song gnadenlos, ein anderes Mal feilen wir noch sehr lang daran. Und am Ende läuft alles bei mir zusammen. Ich produziere das Lied, mit Einflüssen aus eben diesen vielen Musikrichtungen.

Welcher Song auf dem neuen Album ist denn erst gescheitert?

Tua: "sunrise 5:55 am" war so einer. Kaas hat ihn geschrieben und er hat kein Problem mit Schlager oder Reggae und das stieß dann bei Maeckes auf Widerstand. Der meinte, dass das Lied überhaupt nichts mehr mit HipHop zu tun hat und gar nicht auf die Platte passt. Kaas wiederum fand es einfach schön.

Genau dieses Lied habe ich auch zuerst herausgegriffen, weil es sehr poppig und eingängig war. Jetzt überspringe ich es häufig, weil es mich schon nervt.

Tua: Ja, das ist eben manchmal das Problem mit Popmusik. So schnell wie sie hinein geht, geht sie auch wieder heraus. Deswegen wird bei uns um jedes Lied hart gekämpft.

Auf dem Album sind auch viele Lieder, wo O-Töne in die Musik gemischt sind. Da hört man EU-Kommissar Günther Oettinger, der in schönstem Denglisch sagt: "In my Homeland Baden-Württemberg, everybody does as he pleases", aber auch Biene Willi aus Biene Maja, eine Ansagerin vom Jahrmarkt - warum so viele Stimmen?

Tua: Die Aufgabe meiner Produktion war es zwischen den vielen verschiedenen Liedern gemeinsame Nenner zu finden. Wenn also zwei von fünf Liedern schon "vocal samples" haben - so nennt man diese Stimmen - dann überlege ich, ob das nicht ein Thema für die gesamte Platte sein könnte. Ein anderes Thema ist auch, dass viele Songs Entwicklungen durchmachen. Nach 15 Sekunden weiß der Hörer noch nicht, wie das Lied weiter- und ausgehen wird. Fast jeder Song ändert in der Mitte die musikalische Stoßrichtung.

Sie machen seit sieben Jahren als "Die Orsons" bgemeinsam Musik. Hat sich in dieser Zeit das Rapgeschäft verändert?

Tua: Ja wir stellen fest, dass es seitdem alle paar Jahre einen Paradigmenwechsel im Hiphop gibt. Im Jahr 2008 war noch jeder Gangster. Da stellten alle plötzlich fest, dass es auch in Deutschland Ausländer gibt, Messer und Kokain. Damals haben Die Orsons noch krass dagegen geschossen. Wir haben ein Album gemacht, in dem wir über Geschichten aus einem Kinderbuch gerappt haben, über Schaukeln und einen Weiher. Das war damals geradezu skandalös. Seitdem ist Hiphop viel diverser geworden. Es gibt Musiker wie Casper, der eine Art Indie-Rap macht oder Cro, der sehr soft rappt. Die Bandbreite ist viel größer geworden.

Lieder wie "Tornadowarnung" oder "Schwung in die Kiste" sind sehr tanzbar. Ist das ein Zugeständnis an den Mainstream?

Tua: Wenn ein Lied anfängt, dann mögen wir vier es, wenn man sich dazu bewegen kann. Wenn man dabei Lust bekommt in einen Club zu gehen und zu tanzen. Über Mainstream oder nicht haben wir uns keine Gedanken gemacht. Da darf man sich auch nicht so sehr unter Druck setzen, sondern es muss einfach alles passieren.

Haben Sie von den Erfahrungen der letzten Alben gelernt?

Tua: Wir haben wohl erst beim letzten Album angefangen, Die Orsons richtig ernst zu nehmen. Das erste haben wir innerhalb von vier Tagen gemacht. Das geht natürlich gar nicht. In vier Tagen kann man vielleicht ein Statement machen oder ein paar spaßige Songs, aber kein ganzes Album. Wir sind alle erwachsener geworden, manche haben Kinder bekommen und wir haben uns gefragt: Was geschieht, wenn wir das mit den Orsons wirklich mal ernst nehmen? Und so sind nun auch beim jetzigen vierten Album manche Ideen gut gegangen, andere nicht so. Kurz gesagt: Es war ein Lernprozess.

"Wer die Orsons verstanden hat und mag, kann kein schlechter Mensch sein" steht in eurer Pressemitteilung. Große Worte. Was soll das bedeuten?

Tua: Es soll heißen, dass man bei uns vielleicht einmal mehr hinhören muss, um die Mitteilung zu verstehen. Über uns schwebt keine links-radikale Flagge, wie über manch anderer Band, aber Themen wie Abschied, Tod und Neuanfang sind auf dem neuen Album sicher ebenso tragend wie der Blödsinn. Zwischenmenschlichkeit und Freundschaft sind uns allen sehr wichtig. Wir engagieren uns auch in verschiedenen Projekten wie viva con aqua.

Aber dann kommen wieder so "blödelige" Lieder, in denen es heißt "Hinterlass das Klo bitte so, wie du es selber vorfinden möchtest".

Tua: Na die Message hier zu verstehen, ist ja wohl wirklich nicht so schwer...

Man soll die Umwelt nicht verschmutzen?

Tua: Das Lied steht für Nächstenliebe. Wenn du dein Klo verschmutzt, dann ist der nächste eben der Depp. Es ist eben sehr selbstironisch und vielleicht etwas blödelig, aber das ist für uns die authentischste und ehrlichste Art, unsere Nachricht in die Welt zu verbreiten. Wir sind keine meinungslosen Trottel, aber das programmartig, plakativ und pathetisch in Liedern zu verbreiten, liegt uns nicht.

Verstehen die Fans das?

Tua: So wie man in den Wald hineinschreit, so hallt es heraus. Ich denke, die Fans verstehen, dass wir eine Opposition gegenüber dem Normalen, Ausgelatschten darstellen wollen. Das merkt man bei uns auch an so kleinen Sachen. Zum Beispiel, wenn wir Promo machen, dann gehen wir über normale Sachen, wie Zeitungsinterviews hinaus. Wir haben zum Beispiel ein "Twitterkonzert" (#ozert) auf die Beine gestellt, das man sich im Internet angucken kann.

Wer sind denn Ihre Fans?

Tua: Das kann man gar nicht pauschal sagen. Es sind Teenie-Mädchen, die über Cro, der wie wir beim Chimperator-Label ist, auf uns gekommen sind. Aber auch gestandene ältere Leute, die dann manchmal zu uns kommen und sagen: Ich beobachte euch jetzt schon sehr lang und mir gefällt, was ihr macht, auch wenn ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Dann antworten wir aber: Doch genau du bist auch unsere Zielgruppe.

Ist Günther Oettinger auch einer Ihrer Fans?

Tua: Weiß nicht, aber irgendeine Zeitung hat ihn mal darauf angesprochen, dass er in einem Lied von uns vorkommt und da hat er ganz lustig reagiert. Er meinte, dass er sich freut, weil so auch die Bedeutung der Europäischen Union und englischer Sprache zum Thema bei jungen Leuten werde.

 

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