Griechenland droht mit Pfändung deutschen Eigentums

11.3.2015, 14:55 Uhr
Griechenland droht mit Pfändung deutschen Eigentums

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Griechenland droht im Streit mit Deutschland um Reparationen für den Zweiten Weltkrieg offen mit der Beschlagnahme deutschen Eigentums. Justizminister Nikos Paraskevopoulos erklärte sich am Mittwoch bereit, die Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland zu erlauben, sollte es zu keiner Einigung mit Berlin über die Reparationsforderungen kommen.

"Ich beabsichtige, die Erlaubnis zu geben", sagte Paraskevopoulos im griechischen Fernsehen. Die endgültige Entscheidung werde jedoch die Regierung unter Premier Alexis Tsipras treffen, hieß es.

Der höchste Griechische Gerichtshof (Areopag) hatte im Jahre 2000 geurteilt, Griechenland dürfe deutsches Eigentum für Entschädigungen der Hinterbliebenen des Massakers von Distomo pfänden. In dem mittelgriechischen Ort hatte die Wehrmacht im Jahre 1944 ein Massaker mit 218 Opfern verübt. Vor dem Urteil hatte ein Landgericht in der Provinzstadt Livadeia den Hinterbliebenen der Opfer 28 Millionen Euro Entschädigung zugesprochen.

Im Fernsehen übertragen

Eine Pfändung des traditionsreichen Goethe Instituts wurde damals vom Justizminister gestoppt. Er berief sich auf einen Artikel des griechischen Strafrechts, wonach der Justizminister die Umsetzung von Gerichtsentscheidungen aufhalten kann, die die Beziehungen zu anderen Staaten gefährden könnten.

Das Thema Reparationen belastet die deutsch-griechischen Beziehungen seit Jahrzehnten. Am Dienstag hatte das griechische Parlament beschlossen, erneut Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg an Berlin zu prüfen. Dazu wurde ein Ausschuss aller Parteien einberufen. Die Debatte wurde vom Parlamentsfernsehen übertragen.

"Damit ehren wir alle Opfer des Zweiten Weltkrieges und des Nazismus (...) sowie des griechischen Widerstandes", sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras. "Wir vergessen nicht, dass das deutsche Volk auch unter den Nazis gelitten hat", fügte der griechische Premier hinzu.

Die Bundesregierung lehnt Reparationszahlungen fast 70 Jahre nach dem Krieg ab und argumentiert, dass 1960 bereits 115 Millionen D-Mark im Rahmen einer Vereinbarung mit mehreren europäischen Regierungen gezahlt worden seien.

Prüfung der Forderungen

Tsipras erinnerte daran, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg "zurecht" mit einem Schuldenschnitt geholfen worden sei, wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Seitdem sperrten sich die deutschen Regierungen aber mit "juristischen Tricks", um nicht mit Athen über Reparationen zu reden, sagte er.

Der Oberste Griechische Gerichtshof prüft zurzeit, wie mögliche Reparationsforderungen an Deutschland erhoben werden können. Er stützt sich dabei auf eine erste griechische Studie, die seit Anfang März 2013 vorliegt und als streng geheim eingestuft wird. Die Athener Zeitung "To Vima" hat die Studie jedoch am vergangenen Sonntag veröffentlicht. Die Gesamtansprüche werden darin auf 269 bis 332 Milliarden Euro taxiert.

Berlin lehnt Athener Forderungen ab

Deutschland weist trotz neuer Drohungen aus Athen die Milliarden-Forderungen Griechenlands aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs weiter strikt zurück. Die Frage von Reparationen und Entschädigungszahlungen sei rechtlich und politisch umfassend sowie abschließend geklärt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. "Das betrifft all die immer wieder vorgebrachten unterschiedlichen Punkte."

Die Drohung von Justizminister Nikos Paraskevopoulos, deutsches Eigentum in Griechenland zu beschlagnahmen, wollte Seibert nicht kommentieren. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger, ergänzte: "Wir werden in dieser Frage keine Gespräche und Verhandlungen mit der griechischen Seite führen." Auch der Komplex der Zwangsanleihe, die Athen während der deutschen Besatzung gewährt hatte, falle selbstverständlich unter das Kapitel Reparationen: "Und dieses Kapitel ist rechtlich wie politisch abgeschlossen."

Bundesregierung: Sollten uns auf die Zukunft konzentrieren

"Wir sollten uns auf die Themen der Gegenwart und der hoffentlich guten Zukunft für unsere beiden Länder konzentrieren", betonte Seibert. Ähnlich äußerte sich Jäger: Es sollte gemeinsam nach vorne geschaut werden. Eine Emotionalisierung und rückwärtsgewandte Vorwürfe würden bei der Bewältigung der aktuellen Probleme nicht weiterhelfen: "Deshalb ist unser Ratschlag, sich auf diese Dinge zu konzentrieren, die aktuell angepackt werden müssen."



Die Bundesregierung argumentiert, zur Wiedergutmachung für NS-Unrecht habe Deutschland Ende der 1950er Jahre Globalentschädigungsabkommen mit zwölf westlichen Ländern vereinbart, mit Athen einen Vertrag 1960. Darin sei festgehalten, dass die Wiedergutmachung abschließend geregelt sei. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung 1990 sei von Reparationen keine Rede gewesen. Dieser sei als rechtlich bindend anerkannt worden im Rahmen der Charta von Paris, auch von Athen. Die Frage neuer Verhandlungen stelle sich nicht.

Der Artikel wurde um 15.54 Uhr aktualisiert.

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