Mahner, Macher, Mäzen: Zum Tod von Bruno Schnell
3.2.2018, 18:52 UhrSo einen Verleger wie Bruno Schnell gibt es kein zweites Mal. Seine Nürnberger Nachrichten waren so etwas wie seine zweite große Familie. Wenn sie sich traf, bei Jubilarehrungen oder Feiern ehemaliger Beschäftigter, da blühte er auf: ein Patriarch im besten Sinne, der seine Mitarbeiter forderte, aber auch förderte.
Dass ein Verleger, also ein Unternehmer und Arbeitgeber, öffentlich seine eigene Zunft kritisiert wegen ihres zu massiven Sparkurses zulasten der Redaktion; dass er die Einhaltung von Tarifverträgen anmahnt — bei Bruno Schnell kam das vor, in bundesweit beachteten Meinungsbeiträgen. Nicht nur in Worten forderte er echte Sozialpartnerschaft ein, er lebte sie auch vor: keine betriebsbedingten Kündigungen trotz wachsender wirtschaftlicher Nöte, wie sie alle Verlagshäuser erleben, vorbildliches soziales Engagement, das zeichnete ihn und sein Unternehmen aus.
Und auch Hilfe für die Schwachen: Seit 48 Jahren gibt es die weihnachtliche Hilfsaktion "Freude für alle", mit der Leserinnen und Leser unserer Zeitung Bedürftige in der Region unterstützen, stets gestartet mit einem kräftigen finanziellen Anschub durch den Verleger.
Zu viele Medien-Unternehmen werden von Managern geleitet, die sie führen wie eine Großbäckerei oder eine Automobilfabrik — womit nichts gegen solche Firmen gesagt sei, aber es braucht für einen Verlag nicht bloß effiziente Rechner und Planer: Es braucht couragierte Verleger, die um die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ihres Tuns wissen und sie sehr, sehr ernst nehmen. Die publizistisch und politisch denken, die daher Raum bieten für ein in Zeiten von Fake News wieder gefragtes Gut: für Qualitätsjournalismus.
Lehren aus der Geschichte
Bruno Schnell gab diesen Spiel- und Freiraum stets. Weil er wusste: Starke, freie, unabhängige Medien sind unverzichtbar für eine starke, freie Demokratie. Schließlich arbeitete er bis zuletzt in dem Büro an der Marienstraße, in dem einst Nürnbergs berüchtigter Gauleiter Streicher den Stürmer herausgab, das Hetzblatt der NSDAP. Die US-Alliierten vergaben nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes im Herbst 1945 Lizenzen für neue, unabhängige Zeitungen, darunter die Nürnberger Nachrichten. Zu ihrem Gründungsverleger machten sie den Widerstandskämpfer Joseph E. Drexel, dessen Nachfolge Bruno Schnell nicht nur verlegerisch, sondern auch politisch antrat: Dass unsere Zeitung jeder Form von Totalitarismus und Rassismus entschieden entgegentritt, das liegt auch an ihrer Entstehungsgeschichte.
Auch deshalb war Bruno Schnell ein stiller Förderer von Initiativen, mit denen sich die Stadt Nürnberg ihrer braunen Vergangenheit stellte — und die es ohne den geschichtsbewussten Mahner Bruno Schnell und sein Engagement nicht gäbe.
"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen": Unser Verleger erinnerte nicht nur andere Unternehmer an diesen zu oft vergessenen Grundgesetz-Artikel 14,2. Er setzte ihn selbst meist stillschweigend in die Tat um. Als großzügiger Mäzen im klassischen Sinne, als Antreiber zahlreicher Projekte.
Was ihn wütend machte
Selten schrieb Bruno Schnell selbst Texte für unsere, für seine Nürnberger Nachrichten. Das geschah dann, wenn ihn etwas umtrieb, ja wütend machte. Dann entstanden Leitartikel, die in ihrer Schärfe ihresgleichen suchten — und entsprechend beachtet wurden, gerade weil sie kein angestellter Redakteur schrieb, sondern ein Verleger und Unternehmer.
Der Turbo-Kapitalismus mit gnadenlosem Blick auf Quartalszahlen empörte ihn. Manager, die alle paar Jahre oder gar Monate ausgewechselt werden, auch damit sie möglichst wenig Bezug zu Beschäftigten haben, die sie bei schlechten Zahlen entlassen: So etwas war ein Albtraum für Bruno Schnell.
"Wenn es je eines Beweises bedurft hätte, was schrankenloser Kapitalismus bedeutet, so wäre er am 12. Dezember 1996 in München erbracht worden. Der Siemens-Konzern, so berichtet sein Vorstandsvorsitzender, habe 1995/96 eine Eigenkapitalrendite in bisher nie gekannter Höhe erzielt. Andererseits werde man 1997 weitere 6000 Stellen streichen": So begann 1996 sein Leitartikel "Die Gewinnmaximierer".
Die Parallelen sind augenfällig: Gerade erst erinnerten sogar Siemens-Aktionäre den jetzigen Konzernchef Joe Kaeser an seine gesellschaftliche Verantwortung, warnten vor Stellenstreichungen trotz guter Gewinne.
Bruno Schnell hat das nicht mehr lesen können. Aber dass die auch von ihm immer wieder geäußerten Mahnungen vor den demokratiegefährdenden Folgen eines hemmungslosen Kapitalismus auf Resonanz stoßen: Das hätte ihn gefreut, diesen kantigen Unternehmer mit Herzblut und Verstand.
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