Zwei Tote bei Protesten in Iran – Behörden beschuldigen IS

31.12.2017, 10:59 Uhr
Iranische Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um Demonstranten zu zerstreuen, die gegen die Wirtschaftslage im Iran protestierten.

© /AP/dpa Iranische Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um Demonstranten zu zerstreuen, die gegen die Wirtschaftslage im Iran protestierten.

Bei den regimekritischen Protesten im Iran sind zwei Demonstranten getötet worden. Entsprechende Berichte aus Dorud im Westiran in sozialen Medien vom Vorabend bestätigte das Webportal des Staatsfernsehens am Sonntag. US-Präsident Donald Trump warnte die iranische Führung angesichts der anhaltenden Proteste vor ihrem Untergang. "Unterdrückerische Regime können nicht ewig bestehen und der Tag wird kommen, an dem das iranische Volk vor eine Wahl gestellt wird", twitterte Trump. "Die Welt schaut hin!" Neben dem US-Militär fürchte die iranische Führung am meisten das eigene Volk.

 

 

Die genauen Umstände des Todes der beiden Demonstranten waren am Sonntag zunächst unklar. Nach Angaben des Gouverneursamts der Provinz Lorestan im Westiran soll die iranische Polizei an dem Vorfall nicht beteiligt gewesen sein. Vielmehr gebe es Hinweise auf eine Beteiligung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), behauptete der Sicherheitschef im Gouverneursamt, Habibollah Chodschasteh, nach iranischen Medienangaben.

Die Kundgebungen hatten am Donnerstag begonnen. Sie richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung von Präsident Hassan Ruhani, wurden aber zunehmend systemkritisch. Am Samstag griffen die Proteste, die zuvor in mindestens neun iranischen Städten stattgefunden hatten, auf die Hauptstadt Teheran über.

Ein Aufstand gegen das eigene Volk

Für Innenminister Abdulrahman Rahmani Fasli sind das keine Proteste mehr, sondern ein Aufstand gegen das eigene Volk. "Problem mit Gewalt und Terror zu lösen, ist keine Option (...) – das können und werden wir nicht mehr dulden", sagte der Minister am Sonntag. Falls die Menschen Forderungen hätten, gebe es legale Kanäle, die zu beantragen. Diejenigen, sich außerhalb der Gesetze bewegen wollten, müssten mit Konsquenzen rechnen, warnte der Minister weiter.

Die Regierung in Teheran verurteilte die US-Unterstützung für die Proteste scharf. „Das iranische Volk wird diese wertlosen und opportunistischen Bemerkungen der Amerikaner nicht beachten“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi. Innenminister Fasli ermahnte die Iraner, nicht an den Protesten teilzunehmen. „Diese Versammlungen sind illegal“, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna. Das Innenministerium sei aber bereit, Anträge zu friedlichen Demonstrationen zu prüfen, sagte er.

Am Samstag gab es in Teheran und anderen Städten auch staatlich organisierte Demonstrationen gegen die regimekritischen Versammlungen, an denen Medienangaben zufolge landesweit Tausende teilnahmen.

In sozialen Netzwerken wurden Videos verbreitet, die auf regimekritischen Protestkundgebungen aufgenommen worden sein sollen. Sie zeigen unter anderem, wie Menschen riefen: "Mullahs schämt Euch, lasst unser Land in Ruhe". Einige Videos zeigen auch, wie anscheinend verletzte oder tote Personen fortgetragen wurden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars riefen Dutzende Demonstranten vor der Teheraner Universität "Tod den Taliban" und verglichen damit das iranische Establishment mit den radikalen Islamisten in Afghanistan.

Wegen einer begrenzten Berichterstattung iranischer Medien über die Proteste lassen sich die Berichte und Videos in sozialen Netzwerken nicht unabhängig verifizieren.

Die meisten Videos kommen über das Nachrichtenportal Amad-News und werden auf der Messaging-App Telegram gepostet. Irans Telekommunikationsministerium forderte Telegram daher auf, das Konto des Portals zu blockieren. Daraufhin wurde das Portal dann auch blockiert. In vielen Teilen Teherans gab es am Samstag überhaupt kein Internet mehr oder nur sehr langsame Verbindungen. Am Sonntag lief das Internet jedoch wieder normal.

Das US-Außenministerium versuchte, andere Staaten auf die Seite der Demonstranten zu bringen. „Wir rufen alle Nationen dazu auf, das iranische Volk und seine Forderungen nach Grundrechten und einem Ende der Korruption öffentlich zu unterstützen“, erklärte das Ministerium in Washington.

Nouripour fordert EU auf, Stellung zu beziehen

Der deutsch-iranische Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour rief die Europäische Union auf, zur Protestwelle im Iran Position zu beziehen. "Das Atomabkommen darf nicht dazu führen, dass die Europäer zu Menschenrechtsverletzungen im Iran schweigen", sagte der in Teheran geborene Bundestagsabgeordnete Nouripour der Heilbronner Stimme (Dienstagausgabe). "Die EU muss Teheran klarmachen, dass eine Wiederholung der blutigen Geschehnisse von 2009 das Ende des Tauwetters mit dem Iran bedeuten würde."

Das Atomabkommen mit dem Iran wurde von den USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgehandelt. Es gestattet dem Iran die zivile Nutzung der Kernkraft, soll aber eine atomare Bewaffnung der Islamischen Republik verhindern. Die USA unter Präsident Trump wollen das Abkommen kippen, die Europäer halten an ihm fest.

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