Bamberger Initiative will Lebensmittel vor der Mülltonne retten

16.1.2015, 14:36 Uhr
Bamberger Initiative will Lebensmittel vor der Mülltonne retten

© Heidi Laracuente Rodriguez

Was geschieht eigentlich mit den unverkauften Brötchen und der halben Sahnetorte, die beim Bäcker am Abend übrig bleiben? Normalerweise landen sie auf dem Müll, obwohl es auch in der Domstadt Hunderte bedürftiger Menschen gibt, die sie zum Leben brauchen würden.  Heute können diese Reste "gerettet" werden. Die gemeinnützige Organisation Lebensmittelretten in Bamberg holt regelmäßig große Mengen an Esswaren von Kooperationspartnern ab und sorgt dafür, dass sie vor dem Wegwerfen gerettet und noch verwendet werden. Dafür setzt sich derzeit ein rund 15-köpfiges Team ein, das aus Schülern, Azubis, Studenten und Berufstätigen besteht.

Mittlerweile bestehen feste Partnerschaften mit Bioläden, Großhändlern oder Supermärkten im Raum Bamberg, aber die Anfangsphase der Initiative sei mühsam gewesen, so Gruppenmitglied Christina Winklmann. "Wir sind an viele Betriebe herangetreten, haben uns vorgestellt und alle Möglichkeiten abgeklappert." Heute sind für jeden dieser Partner zwei bis drei Lebensmittelretter eingeteilt, die die Waren entweder an bestimmten Tagen oder spontan auf Abruf abholen: das sind Obst und Gemüse, Milchprodukte, Gebäck oder Süßigkeiten.

"FAIRteiler" für alle Menschen zugänglich

Bamberger Initiative will Lebensmittel vor der Mülltonne retten

© Jana Zapala

Die Art der  Lebensmittelspenden unterscheidet die Organisation auch von den "Tafeln", die keine abgelaufenen Nahrungsmittel  weitergeben dürfen. Dies ist den "Lebensmittelrettern" u.a. erlaubt, das zur Verfügung-Stellen von Fleisch, Fisch und Produkten mit rohen Eiern jedoch wegen gesundheitlicher Risiken nicht. Der Weg zum neuen Endverbraucher der restlichen Produkte führt nämlich über den öffentlichen "FAIRteiler", der sich im Umsonstladen "Mosaik" in der Nürnberger Straße befindet. Dort hat die Gruppe ein eigenes Regal und einen Kühlschrank, der bewusst für alle Bevölkerungsschichten zugänglich ist.

Das heißt: Jeder kann dort Essenswaren, die er braucht, abholen, jedoch nichts selbst hineinstellen, da andernfalls deren Herkunft nicht mehr nachverfolgt werden kann. Außerdem wird auf den Zustand der Lebensmittel im Inneren hingewiesen sowie der Verzehr auf eigene Verantwortlichkeit. "Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass die Lebensmittel hier schlecht sind. Wir sortieren sie vorher aus und freuen uns zum Beispiel auch, wenn einfach Regalhüter aus den Geschäften zu uns gelangen."

So ergeben sich für die Lebensmittelretter Bamberg und die Bamberger Tafel e.V. auch unterschiedliche Kooperationen. "Wir stehen in keinerlei Konkurrenz. Uns ist beim Essen-Retten vor allem wichtig, ökologische Konsequenzen und Schäden zu vermeiden", so Christina Winklmann.

"Unsere Arbeit ist persönlich und legal" Christina Winklmann

Verwechselt werden möchte die Gruppe auch keinesfalls mit "Studenten, die nachts containern" gehen. "Unsere Arbeit ist persönlich und legal." Deshalb gehört auch ein gewisses Maß an Flexibilität dazu: Manchmal bekommt die Gruppe viele gefüllte Kisten von Großhändlern, ab und zu fahren sie aber auch mit dem Fahrrad oder Auto weite Strecken, um eine Tüte Milch abzuholen. Das positive Feedback der Händler und Endverbraucher bestätige die Lebensmittelretter in ihrem Handeln. Einzelaktionen, wie beispielsweise der Aufruf "Was ist aus unserem Essen geworden?", schaffen zusätzliche Gemeinschaft.

Bamberger Initiative will Lebensmittel vor der Mülltonne retten

© Foto Barthel

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass Deutschland als "Meister" im "Lebensmittel-Wegwerfen" gilt. Jährlich werden in der Bundesrepublik rund 500.000 Tonnen Brot entsorgt. Eine Studie der Universität Stuttgart geht 2011 von rund 11 Millionen Tonnen weggeworfener Lebensmittel aus.

Leben im Überfluss?

"Ich persönlich habe das Gefühl, dass der Produktionsweg unseres Essens nicht mehr so transparent ist wie früher. Welche Schritte durchlief es bis es auf meinem Teller landete, welche Ressourcen wurden angezapft oder welches Wasser wurde verwendet? Früher hat man u.a. landwirtschaftlich mehr für sein Essen arbeiten müsse und hatte einen näheren Bezug dazu", rätselt Christina Winklmann. "Heute geben wir rund 15 Prozent unseres Einkommens für Essen aus.

Wenn etwas verdirbt, kaufen wir eben Neues. Wir leisten es uns, weil wir im Überfluss leben." Sie bezieht besonders auch den Medieneinfluss in dieser Entwicklung stark ein. Den Kunden werden so viele Lebensmittel angeboten, dass es schwer wird, durchdacht zu planen "und wenn so viel da ist, hinterfragt man eben weniger." Hierbei spiele möglicherweise auch der Bildungsgrad der Konsumenten eine Rolle. Die Studentin selbst habe beispielsweise viele Seminare zum Thema "Lebensmittelkonsum" besucht und habe, nun sensibilisiert, ihr neues Wissen in ihr Handeln einfließen lassen.

Ihr Rat an die Bevölkerung lautet daher klar: "Strukturiert einkaufen und Routine entwickeln" - immer im Hintergrund "Was habe ich? Was brauche ich?". Nach einer Woche kann man ein erstes Resümee ziehen und summieren, was man beispielsweise an andere Verbraucher hätte weitergeben können. Ein anderer Teil der Dachorganisation "Foodsharing" verbirgt sich nämlich unter dem Namen "Foodsharing Bamberg". Diese Initiative, die vorwiegend via Facebook kooperiert, bietet Privatpersonen die Chance, nicht benötigte Lebensmittel an Mitbürger weiterzugeben, abholen zu lassen oder kulinarische Gesuche aufzugeben.

Die Lebensmittelretter Bamberg wollen deshalb in Zukunft noch mehr öffentliche FAIRteiler sowie ein stärkeres Bewusstsein für den eigenen Lebensmittelkonsum in den Köpfen der Menschen erreichen. Christina Winklmann denkt zum Beispiel an öffentliche Flash-Mobs, um mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. "Denn Lebensmittelkonsum betrifft ja alle! Wir freuen uns, wenn auch schon Eltern mit ihren Kindern bei unseren Teambesprechungen oder Abholaktionen vorbeikommen oder ältere Menschen, die zum Beispiel von Lebensmittelknappheit aus eigener Erfahrung berichten. Wir können alle voneinander lernen!"

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